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27. Woche - M 106, eine großartige Galaxie in den Jagdhunden

| Astrofoto der Woche

Nach dem AdW der letzten Woche bleiben wir in den Jagdhunden. Eine der schönsten Galaxien dieses Sternbildes ist Messier 106 (= NGC 4258), die wir heute als AdW zeigen. Sie wurde aufgenommen von Marc Agostini, der uns hier sein erstes AdW mit kleiner Optik vorstellt. Marc, sei herzlich begrüßt in unserer Runde! Die Aufnahme entstand im Zeitraum 08.03.2020 bis 05.04.2020 in Stockach (nördl. Bodensee). Auf der Montierung, einer iOptron Cem25p, befindet sich als Teleskop ein TS Photoline 72 mm/432 mm, dazu als Kamera eine Altair GPCAM3 178 mono. Belichtet wurde 34 h LRGB (Einzelbild 6 min) und 12 h Hα (Einzelbild 15 min). Der Bildautor schreibt dazu: „Ich habe vor etwa anderthalb Jahren mit der Astrofotografie begonnen und habe kürzlich meine erste GoTo-Montierung erworben, die ich hiermit gleich mal einem Härtetest unterzogen habe. Mein Ziel war es, mit meinen eingeschränkten Mitteln (kleiner Refraktor und eine ungekühlten CMOS-Kamera) eine Galaxie möglichst fein darzustellen. Ich habe dafür die außergewöhnlich gute Schönwetterphase im März genutzt und mit dem aufkommenden Mond auf Hα umgestellt. Um die Sterne etwas interessanter zu machen, habe ich mir eine Fadenkreuzmaske drucken lassen. Die Bearbeitung erfolgte im Deepskystacker, Fitswork und Photoshop. Bearbeitungstechnisch musste ich bei den größeren Sternen arg nachhelfen, da die Abbildungsqualität meines Teleskops vor allem im Rotkanal deutlich nachließ und somit für rote Halos sorgte.“ Die sehr lange Belichtungszeit für Blende 6 hat sich gelohnt, denn das Bild zeigt eine enorme Tiefe, und damit eine sehr große Ausdehnung von M 106. Das Bildfeld beträgt 55,1' x 36,1'. Norden ist oben, Osten links.

Was ist über M 106 astronomisch zu erwähnen? Der Galaxientypus wird als SAB(s)bc angegeben. Es handelt sich also um einen Typus zwischen normaler Spirale und Balkenspirale, allerdings nicht klar als Untertyp b oder c bezeichnet, sondern dazwischen. Dabei wird M 106 als LINER geführt (siehe auch letztes AdW). Der Kern ist von daher aktiv. Die Entfernung der Galaxie fällt - je nach Messmethode - etwas unterschiedlich aus. Heute geht man von einem Wert aus, der zwischen 7,2 und 7,6 Mpc (23,5 bis 25 Mio. Lj) liegt. Der optische Durchmesser erscheint in unterschiedlichen Quellen ebenfalls sehr verschieden. So gibt die Datenbank Simbad 17,8' x 6,9' an, während es in der NASA Extragalactic Database 22' x 9' sind. Am besten ist es, wenn man seine Aufnahme selbst ausmisst. Im aktuellen AdW ergeben sich bis in die schwächsten Ausläufer 24,2' x 11,0'. Und auf eine Entfernung von 24 Mio. Lj bezogen folgt daraus ein echter Galaxiendurchmesser von fast 170.000 Lj. Schon hier zeigt sich: M 106 ist ungewöhnlich, und das auch in der nachfolgenden Beziehung.

Und jetzt möchte ich den astronomischen Teil zum AdW ausnahmsweise erweitern. Denn M 106 zeigt zwei Besonderheiten, die in der Fachwelt zu vielen Studien und Diskussionen geführt haben. Das erste Phänomen ist ein aktives Schwarzes Loch, das 1995 von Miyoshi et al. bei Untersuchungen einer Maser-Quelle im Zentralbereich entdeckt wurde. Das zweite Phänomen sind die mysteriösen Gas-Arme, die den Galaxienkörper in einer völlig ungewöhnlichen Art und auch Form überlagern. Sie wurden 1961 fotografisch von Courtès & Cruvellier entdeckt und elf Jahre später durch van der Kruit, Oort & Mathewson auch in Radiowellenlängen bestätigt. Eine hervorragende, tiefe Einsicht dazu vermittelt das erste Zusatzbild (hier klicken). Es zeigt eine Ko-Produktion von R. Gendler und dem Hubble Heritage Team. Mehrere einzelne Hubble-Aufnahmen in visueller und nahinfraroter Darstellung wurden zu einem Komposit ergänzt und mittels Amateuraufnahmen von Gendler/GaBany ergänzt. Das Zusatzbild zeigt in beeindruckender Weise, dass hier offensichtlich Gas in Armform aus M 106 nach außen strömt. Aber bis heute ist der dynamische Formungsprozess nicht endgültig geklärt. Wird das Gas ähnlich einem Jet (z.B. wie bei M 87) aus dem Schwarzen Loch in die Galaxienebene getrieben und verbreitert sich dort zu den Fächerstrukturen? Oder stammt es aus der Scheibe selbst? Vermutlich entreißt der nicht sichtbare Jet, der aus dem zentralen Schwarzen Loch strömt, das Gas der Scheibenumgebung und bringt es im Zusammenwirken mit gravitativen Kräften in diese Form. Die Gesamtstruktur wird aber nicht nur durch rotleuchtendes Hα bestimmt, sie ist viel komplizierter. Dies wird erst in zusätzlichen Wellenlängen (z.B. Radiostrahlung) deutlich, wie das zweite Zusatzbild zeigt (hier klicken). Dieses Komposit aus IR (rot), Röntgen-Wellenlängen (blau), Radio (purpur) und sichtbarem Licht (goldfarben) beweist, in welcher gewaltigen Ausdehnung sich das Gas der eigentlichen Galaxie überstülpt.

Wieder zum AdW selbst: Von all den vorgenannten Besonderheiten sieht man natürlich nichts. Daher beschränken wir uns auf die im Bild sichtbaren Details. Der Kernbereich zeigt den kleinen Balken. Er ist eingebettet in den inneren Scheibenbereich, welcher im Norden und Süden durch zwei kräftige Arm-Stummel begleitet wird. In diesen Arm-Stummeln erkennt man als rot leuchtende Gebilde einige große HII-Regionen. Der gesamte Scheibenbereich wird durch viele Staubwolken unterbrochen. Ganz weit außen erstrecken sich dann noch die umgebenden Spiralarme.

Im Umfeld von M 106 werden viele kleinere Hintergrundgalaxien sichtbar. Dazu bitte das Original herunterladen (siehe unten) und hineinzoomen. Auffallend ist rechts unten die edge-on-Galaxie NGC 4217 mit ihrem dicken dunklen äquatorialen Staubband. Sie ist mehr als doppelt so weit weg wie M 106. Einige Begleiter von M 106 - ausnahmslos Zwerge - sind von Interesse: Rechts oberhalb liegt NGC 4248 bei den Pixelkoordinaten (1397/566). Auch UGC 7356 bei (695/1599) lässt sich noch gut ausmachen. Einem runden winzigen Wattebausch ähnelt LEDA 166129 bei (470/438). Kaum erkennbar hingegen ist die Zwerggalaxie LV J1217+4703 bei (1785/1672).

Anmerkung: Der Autor schreibt: „Die Hα-Einblendung erfolgte mittels Kontinuumssubstraktion, so wie sie Herr Sackenheim (frasax) auf seinem Youtube-Kanal und in der Zeitschrift SuW beschrieben hat.“ Dazu muss ich eine relativierende Information loswerden. Zunächst: Der Begriff Kontinuumssubtraktion (KS) wird immer wieder falsch verstanden und leider oft auch falsch wiedergegeben. So ist die KS kein Mittel, um Hα in LRGB einzublenden. Vielmehr bedeutet der Begriff "Kontinuumssubtraktion", dass aus einer mit Hα-Filter gemachten Schmalbandaufnahme das rote Kontinuumslicht subtrahiert wird. Dadurch wird die Rotwiedergabe reduziert, denn eine Subtraktion ist eine Verminderung. Danach repräsentiert das neue KS-Bild eine reine Hα-Information, und zwar als schwächeres Bild. In diesem reinen Hα-Bild sollte (nach einer echten KS) theoretisch kein Stern mehr übrig bleiben. Das KS-Bild zeigt demnach nur die reine Verteilung des ionisierten Wasserstoffs. Und genau damit ist die KS beendet.

Natürlich kann man nach der KS die neu gewonnenen reinen Hα-Daten noch weiter nutzen. So kann man das Rot der HII-Regionen im Bild verstärken, indem man die reinen Hα-Daten der KS zum Gesamtbild hinzu addiert. Das aber ist dann nicht mehr die Kontinuumssubtraktion, sondern eine Hα-Addition.

Marc Agostini ist dieses kurzbrennweitige Bild mit kleiner Optik gut gelungen. Wir danken dafür und gratulieren zum Astrofoto der Woche.

 

Peter Riepe
Bildautor: Marc Agostini

 

Koordinaten (J2000) von M 106:
RA = 12 h 18 min 58 s, DE = +47° 18' 13''

 

 

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