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35. Woche - Die Molekülwolke in der Südlichen Krone

Fotografiert von: Dr. Kai Wicker | | Astrofoto der Woche

Am Rande der Milchstraße südlich des Schützen liegt das Sternbild Südliche Krone (Corona Australis, CrA) liegt. Die Form des kleinen Sternbildes wird im Wesentlichen durch die Sterne α, β, γ, δ und ε CrA gebildet. Sie formen den geschwungenen Sternenbogen in der rechten Bildhälfte. Dominant ist der riesige Reflexionsnebel. Oberhalb seines rechten Vorderteils liegt im freien Sternfeld bei den Pixelkoordinaten 4408/1214 der Kugelsternhaufen NGC 6723. Er könnte im Bild durchaus mit einem weiteren Stern verwechselt werden. Im Gegensatz zum AdW zeigen Aufnahmen mit kurzer Belichtungszeit den gesamten leuchtenden Reflexionsnebel als Dunkelnebel. Hier im Bild tritt jedoch nur der innerste Teil als kleine, längliche Dunkelwolke hervor. Dieses Phänomen ist uns nicht neu, denn im Prinzip ist jede Dunkelwolke hell, wenn nur die Belichtungszeit lang genug ist, denn das schwache Sternenlicht der Milchstraße erleuchtet auch eine Dunkelwolke. Am rechten Ende des zentralen Dunkelnebels erkennt man NGC 6726 und IC 4812, zwei blaue Reflexionsnebel. Sie werden von innen her durch sehr junge, blaue Sterne illuminiert. NGC 6726-7 bei den Pixelkoordinaten 4174/1334 besteht aus zwei eng benachbarten Teilnebeln, was man hier aber wegen der geringen Auflösung nicht erkennt. Im nordöstlichen Teilnebel steckt als Zentralstern der Veränderliche TY CrA, dessen Helligkeit zwischen 8,8 und 12,6 mag schwankt. Mit seinem Spektraltyp B2 ist er einer der frühesten Nebelvariablen überhaupt, daher auch die extrem blaue Farbe des umgebenden Nebels. Beim zweiten Teilnebel im Südwestteil von NGC 6726-7 findet man als Zentralstern den Doppelstern B 957AB mit 7,21 mag (Anmerkung: Nr. 957 im Katalog von W. van den Bos). Rechts unterhalb von NGC 6726-7 liegt der blaue Nebel IC 4812. Er hüllt den Stern HD 176269-70 ein, welcher identisch ist mit dem Doppelstern BrsO 14 (Nr. 14 im Brisbane Observatory Catalog).

Das gesamte Nebelgebiet stellt eine riesige, etwa 150 Parsec entfernte Molekülwolke mit aktiver Sternentstehung dar. Astronomen reden gern von der „R Coronae Australis Molecular Cloud“. Woher rührt dieser Name? Direkt am unteren linken Rand von NGC 6726-27 befindet sich eine der produktivsten Sternentstehungsregionen: der weißliche Reflexionsnebel NGC 6729 (dazu ins Bild hineinzoomen). In ihm liegen zwei gerade erst entstandene Veränderliche Sterne, R CrA und T CrA. Ihr Alter beträgt nur ca. 500.000 Jahre. Auf die extreme Jugend der Region deuten auch einige Sterne des Typs Herbig Be hin, dazu einige T Tauri-Sterne sowie verschiedene Herbig-Haro-Objekte. Das hellste HH-Objekt ist HH 100, man erkennt es gerade noch direkt rechts unterhalb von NGC 6729. Die zentralen jungen Sterne der Dunkelnebelregion sind in der Astronomie auch als „Coronet Cluster“ bekannt.

Kai Wicker schickte uns dieses herrlich weitwinkelige Bild, das ein Feld von 10° x 6° abdeckt. Wir begrüßen den Bildautor hier ganz herzlich als Neuling im Kreise der AdW-Astrofotografen. Das Bild entstand am 29. und 30. Juni 2016 auf der Kanareninsel Teneriffa in der Nähe des Pico de Teide auf 2040 m Höhe. Benutzt wurde eine Canon EOS 5da MkII mit einem Objektiv EF-L 200 mm f/2,8. Bei Blende 4 und ISO 800 wurde 64 x 5 min belichtet. Als Montierung diente ein StarAdventurer mit selbstgebautem Zweiachsen-Guiding. Die Bildbearbeitung erfolgte mit PixInsight.

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Die Nebellandschaft, bestehend aus Reflexions- und Dunkelnebeln in der Südlichen Krone, ist ein klassisches Aufnahmefeld bei vielen Astrotouren unter die südliche Hemisphäre. Das Himmelsfeld bereits von den Kanarischen Inseln aus zu belichten zeugt von Kreativität und dem Mut, eine tiefe Belichtung tief am Himmel – also in Horizontnähe – wenigstens einmal zu versuchen.

Und Dr. Kai Wicker war erfolgreich, ehrlich gesagt so erfolgreich, dass uns das Ergebnis nicht glaubwürdig erscheinen würde, hätte nicht einer von uns eine Woche später und ganz unabhängig von diesem AdW von La Palma aus die Südliche Krone mit gleicher Optik belichtet und ein ähnliches Ergebnis zustande gebracht.

Der Aufnahmestandort des AdWs lag bei 28°13´ nördl. Breite (La Palma liegt nochmal ein halbes Grad nördlicher). Der Bildmittelpunkt (etwa bei -38° Deklination) steigt von dort immerhin schon 23°13´ über den Horizont. Das ist mehr als bei uns die Sonne im Winter! Trotzdem hat der Bildautor die Belichtungszeit von insgesamt 5 Stunden 20 Minuten auf zwei Nächte verteilt, um die Photonen möglichst nur in Kulminationsnähe aufzusammeln. Und das Ergebnis gibt ihm Recht, spätestens mit diesem AdW rückt die Südliche Krone berechtigterweise auf die Zielliste der Astrofotografen, auch wenn es „nur“ auf die Kanaren geht.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim

Koordinaten für NGC 6726-7 (Epoche J2000.0):
RA = 19 h 01 min 38 s, DE = -36° 53' 30"

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