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37. Woche - Die Nebel um den Stern 10 Lacertae

Fotografiert von: Stefan Binnewies | | Astrofoto der Woche

Wer kennt schon das Sternbild Eidechse? Wenn die Milchstraße von Mitteleuropa aus beobachtet wird, dann sind die spektakulären Partien im Schwan oder Cepheus doch meistens vorrangig, oder? Nichtsdestoweniger sollte der Amateur, egal ob fotografisch oder visuell beobachtend, auch einmal die unscheinbare Eidechse (Lacerta) unter die Lupe nehmen Sie liegt etwa 18° östlich von Deneb. Dort sind Deep-Sky-Objekte zwar eine ziemliche Rarität (ein Planetarischer Nebel, drei Offene Sternhaufen und eine lichtschwache H II-Region), aber die H II-Region um den Stern 10 Lacertae hat es in sich. Bereits im AdW 41/2012 stellte Peter Knappert das Objekt vor. Im aktuellen AdW wird uns jetzt jedoch bei kürzerer Brennweite ein sehr weitwinkeliger Blick geboten, der auch das nähere Umfeld des Nebels einschließt. Außerdem sind in diesem AdW die Objektfarben korrekt wiedergegeben. Das hat Folgen: Siehe da, es handelt sich gar nicht um eine reine H II-Region, auch hellere Reflexionsnebel sind vorhanden, ferner blaue und gelbe bis orangefarbene Sterne. Das Bildfeld hat etwa 10° Länge und 7° Breite. Norden liegt auf 10 Uhr.

Zu Beginn der 1950er Jahre hatte Steward Sharpless fotografische Platten des „Big Schmidt“ nach H II-Regionen untersucht. Sein erster publizierter Katalog erschien 1953 und erstreckte sich auf einige Grade nördlich und südlich des galaktischen Äquators. Mit Verfügbarkeit des Palomar Sky Survey wurde der Sharpless-Katalog erweitert und umfasste den gesamten nördlichen Himmel sowie die Bereiche bis hinab zu -27° Deklination. So erschien dann 1959 der zweite Sharpless-Katalog mit dem Titel „A Catalogue of H II Regions“. Für seinen Eintrag Nr. 126 (heute als Sh2-126 bekannt) vermerkte Sharpless eine Ausdehnung von 160´ mit unregelmäßiger Struktur und mäßiger Helligkeit. Die H II-Region gehört der Assoziation Lacerta OB1 an. Es gibt nur einen anregenden Stern, den 4,88 mag hellen O9-Stern HD 214680. Sein Farbindex B-V beträgt -0,21 mag, d.h. der Stern ist sehr blau. Er befindet sich in der Mitte der rechten Bildhälfte (Pixelkoordinaten 1098/541) und die blaue Farbe kommt sehr deutlich heraus. Zwar sind im Nebel weitere blaue Sterne zu finden, jedoch sind sie vom Spektraltyp B und später. Daher reichen ihre UV-Energien nicht zur Anregung und Lichtemission von Sh2-126. Insofern ist der Name „Nebel um 10 Lacertae“ sehr treffend. Dieser Stern steht mitten im Nebel, wobei die westlichen Partien (im Bild oben) faserig und relativ hell sind, die östlichen (unterhalb von 10 Lacertae) dagegen sehr lichtschwach und diffus. Auch Beverly T. Lynds hat sechs Jahre später noch einmal diese Region erfasst (LBN 428).

Grob gesagt, liegen westlich und nördlich der H II-Region (im Bild also oben und links) einige Reflexionsnebel, die in diesem weitwinkeligen AdW erstmals richtig zur Geltung kommen. Ihre gelblichen Farben werden von verschiedenen Sternen mit spätem Spektraltyp (etwa K, d.h. gelb bis orange) verursacht. Unten links erscheinen die lichtschwachen Reflexionsnebel auch sehr schwache blaues Licht zu streuen, hervorgerufen durch den 3,62 mag hellen B6-Stern HD 217675-6. Er wird im Reflexionsnebelkatalog von Sidney van den Bergh als Verursacher für vdB 156 gennannt.

Stefan Binnewies ist Bildautor. Er nahm diese Szenerie während des Urlaubs auf der kroatischen Insel Lastovo auf, die für ihren dunklen Sternenhimmel bekannt ist. Am 14., 18. und 20.07.2015 belichtete er mit einer CCD-Kamera SBIG STL-11000M und einem Canon EF 200-mm-Tele 1:2,8 bei Blende 3,5 je 5 x 10 Minuten für Hα, R, G und B, und das ungebinnt.

Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

 

Die Gegend um den Stern 10 Lacertae ist aus Astrofotografensicht sehr interessant, da sich hier Emissionsnebel, Reflexionsnebel und Dunkelnebel in einem Bildfeld befinden. Der Emissionsnebel hat eine interessante Struktur und wirkt daher motivisch sehr stark. Wirklich detailreiche Strukturen zeigen sich aber in der H II-Region nicht, und daher bietet sich dieser Himmelsbereich für kurzbrennweitige Aufnahmen an.

Schaut man sich die Aufnahmedaten an, sind zwei Dinge besonders bemerkenswert. Zum einen die relativ kurze Belichtungszeit. Es bedarf eines sehr dunklen Himmels, man braucht auch „ein Händchen“ bei der Bildbearbeitung, um solch schwache Nebel mit einer relativ kurzen Belichtungszeit so plastisch darzustellen. An dieser Stelle möchte ich nochmals eingehend darauf hinweisen, wie sehr ein wirklich dunkler Himmel eine Astrofotografie beeinflusst, entgegen der allgemeinen Meinung, dass die Ausrüstung und die Bildbearbeitung die entscheidende Rolle spielen.

Zum zweiten, und das muss man kritisch anmerken, ist das Bild massiv „undersampled“, d.h. die Pixel sind entschieden größer als für das stellare Beugungsbild angemessen. Das sog. „Nyquist-Kriterium“ fordert, dass die Pixel etwa die Hälfte bis ein Drittel der Sternscheibchengröße haben sollten. Hier muss man als Astrofotograf abwägen. Bei einer Brennweite von 200 mm und einer Effektivblende von 3,5 entspricht das theoretische Auflösungsvermögen 2,3 Bogensekunden, das wären auch etwa 2,3 Mikron. Die Pixel sollten also 1 Mikron nicht überschreiten. Effektiv hat der Kamerachip aber 9 Mikron Pixelgröße. Man ist also dermaßen undersampled, dass es nicht nur unmöglich ist feinste Details zu zeigen, sondern gleichzeitig werden auch die Sterne im Bild sehr dominant. Stefan Binnewies ist deshalb ein erfahrener Astrofotograf, weil er hier ein Objekt ausgesucht hat, welches zu seiner mobilen Astrofotografieausrüstung passt: Ein großflächiges Objekt mit wenig ausgeprägten Details. Nur darf man die Aufnahme nicht in 100%iger Auflösung betrachten (und deshalb wird sie auch nicht in einer solchen präsentiert), denn dann zeigt sich das Undersampling gnadenlos.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

 

Koordinaten J2000.0:

RA = 22 h 39 min 16 s, Dek = +39° 03´ 01´´

 

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