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38. Woche - Ein weiter Blick in den Cepheus

| Astrofoto der Woche

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Das Sternbild Cepheus ist bei uns zur Kulmination hochstehend und zenitnah, dort, wo die wenigste Lichtverschmutzung vorliegt. Die Bedingungen für visuelle und astrofotografische Beobachtungen sind also ideal. Markus Meel nahm sich daher den Cepheus als Motiv für ein zweifaches Panorama vor. Beide Panele wurden jeweils 150 x 3 Minuten ohne Filter belichtet, mit einer gekühlten Canon 60Da an einem 6-Zoll-Hypergraphen (f/2,8) von TS auf einer „Ur-Montierung“ Skywatcher EQ-6. Fürs Autoguiding wurde ein Lacerta MGEN-3 am 60-mm-Sucher verwendet. Das Bild gibt einen weiten Bereich in Rektaszension wieder, von daher zeigt es den linken Teil mit Norden oben, den rechten Teil mit Norden auf 11:30 Uhr, was man an den Beugungsstreben der Sterne erkennt. Das Bildfeld ist sehr groß, mit 7°44' x 3°03' eine wahre Weitwinkelansicht für Digitalbilder.

Jetzt zum Bild und seinen Details. Drei wesentliche Objekte sollen angesprochen werden:

(1) Sh2-129

Diese HII-Region im linken Bildbereich ist eine von vielen mit prägnanter Ring- bzw. Blasengestalt. Im Zentrum solcher Nebel sitzt gewöhnlich ein junger, heißer und blau leuchtender O-Stern von rund 30-40.000 Kelvin Oberflächentemperatur, der eine große Energiemenge in seine unmittelbare Umgebung abgibt. Dadurch trifft ionisierende UV-Strahlung auf das umgebende Gas und regt es ringsum zum Selbstleuchten an. Gleichzeitig gibt der heiße Zentralstern (es können auch mehrere sein oder sogar ein kleiner Sternhaufen wie im Rosettennebel) einen starken „Wind“ ab, welcher das Gas und den assoziierten Staub als dreidimensionale Blase expandieren lässt. In ihrem Randbereich erscheint die Blase dann perspektivisch als Ring mit filamentartiger Struktur. Extrem tiefe Aufnahmen zeigen, dass Sh2-129 auch im lichtschwächeren Nordwesten komplett geschlossen ist. Zentral in der Blase sitzt HD 202214, ein Stern des Spektraltyps O9,5 mit 37 Sonnenmassen (Tetzlaff et al., 2011). Seine Entfernung (und damit auch die des Nebels) wurde von Megier (2009) auf 1032±144 pc berechnet (~3400 Lj). Im AdW misst der Längsdurchmesser des Nebels 148', und so kommt Sh2-129 bei auf einen wahren Durchmesser von 146 Lichtjahren.

(2) Barnard 150

Unmittelbar westlich von Sh2-129 erkennt man sehr kontrastreich eine zerzauste Dunkelwolke von rund 75' Länge. Es handelt sich um Barnard 150 – auch als LDN 1082 katalogisiert. Edward Emerson Barnard ist einer der Pioniere der Dunkelwolkenforschung. Er publizierte 1919 im Astrophysical Journal (Vol. 49) eine Arbeit unter dem Titel: „On the dark markings of the sky with a catalogue of 182 such objects“. Barnard 150 ist also Teil dieser Arbeit, und Barnard selbst schilderte sie als „kurvig mit insgesamt 1° Länge.“ Dann erschien 1927 ein weiteres Werk: „A Photographic Atlas of Selected Regions of the Milky Way“, ein Buch, welches über die Carnegie Institution Washington vertrieben wurde. Die Autoren waren E.E. Barnard, E.B. Frost und Mary R. Calvert. Diese Dame war es, die dann 1934 zusammen mit Frank E. Ross den bekannten „Ross-Calvert“ herausbrachte: „Atlas of the Northern Milky Way“, über die University of Chicago Press. Im Inneren von Barnard 150 findet offenbar Sternentstehung statt. Bei den Pixelkoordinaten (2692/817) befindet sich ein IR-Stern namens GF 9-2 (= WISE J205129.83+601838). Er steckt in einer Staubzone von 10 mag visueller Absorption. Im AdW ist dort natürlich nichts zu sehen. Jedoch berichten die Japaner R.S. Furuya, Y. Kitamura und H. Shinnaga in einer Arbeit aus dem Jahre 2019 über die Entdeckung molekularer Ausflüsse aus GF 9-2, wobei sie Millimeter-Wellenlängen für die Beobachtungen einsetzten. Der Protostern hat lediglich 0,06 Sonnenmassen, seine Ausflüsse sind maximal 4000 Jahre alt bei einer Länge von rund 1000 astronomischen Einheiten.

(c) NGC 6946

Im Bild rechts außen springt einem die schöne „face-on-Galaxie“ NGC 6946 ins Auge. Die Spirale ist vom Typ Sc – so wie M 33 im Dreieck – und im Sky Catalogue 2000 wird eine Ausdehnung von 11,0' x 9,8' angegeben. NGC 6946 befindet sich außerhalb der Lokalen Galaxiengruppe, zählt aber zu den nächsten Nachbarn der Milchstraße. Im Jahre 2004 leuchtete dort die Supernova SN 2004et auf. Mit ihrer Hilfe ließ sich eine Entfernung von 18,6 Millionen Lj schätzen (D.K. Sahu et al. 2006). So kommt NGC 6946 auf eine echte Ausdehnung von 62.000 Lj. Sie ist damit etwas größer als M 33 in unserer Lokalen Gruppe. Was bei NGC 6946 durch dieses AdW besonders schön verdeutlicht wird: Die Galaxie sitzt in einem relativen (leichten) „Staubloch“ und kann dadurch gut beobachtet werden. Stünde sie nur 1° weiter östlich, so würden die dortigen Nebelschwaden eine merkliche Lichtschwächung bewirken und auch eine entsprechende Kontrastminderung.

Anmerkungen: Um den Stern HD 202214 in Sh2-129 zeigen tiefe [OIII]-Aufnahmen einen blauen Emissionsnebel namens Outters 4 (kurz: Ou4). Markus Meel hat ebenfalls solche [OIII]-Aufnahmen angefertigt, ins Farbbild eingebaut und mir in guter Qualität vorgelegt. Er möchte aber – weil ihm das reine RGB-Bild besser gefällt – hier auf Ou4 verzichten. In 14 Tagen folgt ein anderes AdW, in welchem Ou4 sehr schön zu sehen ist.

Das heutige AdW besticht durch seine sauberen Sternfarben. Insbesondere die Farbe Blau – bei nicht wenigen Astrofotografen mit einer DSLR des öfteren problematisch – kommt hier sehr gut heraus. Dabei spielt sicherlich die Kühlung der Kamera zum Erreichen eines möglichst guten Signal/Rausch-Verhältnisses eine wichtige Rolle. Markus Meel verwendet außerdem PixInsight als Software, auch für die Farbkalibrierung. Nach einer sauberen Farbkalibrierung stimmen in einem (L)RGB-Bild auch die Farben der Nebel. Die Gesamtbelichtungszeit von 7,5 h pro Panel entspricht einer „Belichtungsarbeitszeit“ von 15 h und ist für f/2,8 recht kräftig. Überlegung: Um die gleiche Deckung zu bekommen, wäre bei f/4 z.B. eine doppelt so lange Gesamtbelichtung von 15 h pro Panel nötig.

Wir bedanken uns herzlich für dieses schöne Astro-Motiv – eine sehr gute Idee, und gratulieren Markus Meel vielmals zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Markus Meel

 

Koordinaten von Sh2-129 (J2000.0):
RA = 21 h 11 min 48,2 s, DE = +59° 59' 12''

 

 

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