Alle Themen auf Astronomie.de im Überblick




Ausgedruckte Seite: https://astronomie.de/aktuelles-und-neuigkeiten/detailseite-1

Ausdruck vom: Freitag, der 29.03.2024

Copyright: www.baader-planetarium.com

Zum Hauptinhalt springen
Offcanvas top
...

42. Woche - NGC 6910 und die Nebel um Gamma Cygni

Fotografiert von: Reinhard Wallner | | Astrofoto der Woche

Das heutige AdW zeigt ein Himmelsfeld aus dem Sternbild Schwan. Das Bild misst 107' x 107', Westen liegt rechts, Norden jedoch unten. Wir sehen die bekannten Nebel um den Stern Gamma Cygni. Doch γ Cyg selbst wird man hier im Bild sofort vermissen, er müsste eigentlich an den Pixelkoordinaten 3093/1165 zu sehen sein. Das liegt daran, dass γ Cyg in seiner unmittelbaren Umgebung mittels kurzbelichteter Implementierung bewusst drastisch in der Helligkeit abgesenkt wurde. Darauf gehen weiter unten auch die Bildkommentatoren ein. Diese bildverändernde Maßnahme erfolgte aber nicht, weil ein dermaßen heller Stern generell stört und man ihn am liebsten aus dem Bild herausnehmen möchte! Vielmehr tritt nun ein Objekt zum Vorschein, welches den meisten Lesern völlig unbekannt sein dürfte: die HII-Region [L89b] 78.147+01.816. Wie so oft in der Astronomie, gibt die Klammer mit ihrem Inhalt den Astronomen an, der sich mit diesem Objekt befasst hat. Hier ist es Felix Lockman, der 1989 einen Katalog zahlreicher HII-Regionen erstellte, allerdings nicht optisch, sondern auf der Basis von Radio-Messungen bei 3 cm Wellenlänge. Auf diese Weise wurde [L89b] 78.147+01.816 als HII-Region erkannt, ohne dass γ Cyg in dieser Wellenlänge ein nennenswertes Störsignal verursachte. Im Optischen hingegen - dazu noch bei Langzeitbelichtungen - überstrahlt γ Cyg seine direkte unmittelbare Umgebung. Deshalb helfen hier die Kurzzeitbelichtungen in Verbindung mit einer Hα-Filterung bei der Unterdrückung des Sternenlichtes und heben somit den Nebel hervor.

Über die großflächigen Nebel um γ Cyg mit den Bezeichnungen IC 1318 A, B und C kommt hier nur eine Information: γ Cyg ist ein Stern, der mit seinem Farbindex B-V = 0,67 mag fast weiß ist. Als Spektraltyp F8 ist er absolut nicht in der Lage, eine solche rot leuchtende Nebellandschaft hervorzubringen. Dazu ist sein UV-Ausstoß einfach zu gering. Ein wenig beachtetes Objekt ist jedoch der auffällige Offene Sternhaufen NGC 6910. Kolaczkowski et al. (2004) ermittelten fotometrisch eine Entfernung von 5170 Lj sowie ein Alter von nur 6 Mio. Jahren. Damit ist der Sternhaufen sehr jung, obwohl er nach dem korrekt farbkalibrierten AdW nur wenige blaue Sterne zeigt. Dies liegt an der rötenden interstellaren Materie, die bei NGC 6910 immerhin 3,9 mag an mittlerer Absorption bewirkt und dazu noch völlig ungleichmäßig über den Sternhaufen verteilt ist.

Reinhard Wallner ist Bildautor. Innerhalb von fünf Nächten im August 2016 nahm er in Biedermannsdorf (Österreich) dieses Feld mit einem Apochromaten TEC 160 FL (f = 1120 mm) und einer CCD-Kamera Moravian G4 16000 auf. Belichtet wurde 17,5 Stunden in Hα und RGB (ohne L). Der Autor schreibt: "Die Ausarbeitung erfolgte in Theli und PS CS3. Beachtlich sind die detailierten Darstellungen der Sterne. Wenn man im Bild bei hoher Vergrößerung herumfährt, sieht man die gewaltige Auflösung des TEC." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Text zum Objekt und Belichtungsdaten: Peter Riepe

Wir geben es zu – das Bild von Reinhard Wallner gibt uns Rätsel auf. Zunächst einmal passt die Orientierung des leider halb durchgeschnittenen Nebelgebiets IC 1318 am oberen Bildrand irgendwie nicht mit der im Gehirn abgespeicherten Version dieses oft gesehenen Gasnebels überein. Hier hilft aber senkrechtes Spiegeln – und schon passt es wieder ;-).

Doch halt, was ist das da für ein blauer Reflexionsnebel? Kurzer Blick in eine Sternkarte – der blaue Nebel ist der schwache Rest (möglicherweise Streulicht) um γ Cygni (Sadr). Doch der 2,2 mag helle Stern fehlt fast ganz, erscheint im Durchmesser nur noch so winzig und damit so „hell“ wie die hellsten Sterne im offenen Sternhaufen NGC 6910, die mit etwa 7,2 mag 100-mal schwächer leuchten.

Ansonsten zeichnet sich das Bild durch eine gute Schärfe, feine Farbdifferenzierung der Sterne und ein angenehm geringes Rauschen im Hintergrund aus – nur das Rot der Nebel verdient für unseren Geschmack noch etwas mehr Leuchtkraft – alles Dinge, die sich für einen geübten Bildbearbeiter in wenigen Minuten anpassen lassen.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim

Koordinaten J2000.0:
RA = 20 h 23 min 08 s, DE = +40° 46´ 30"

Sie möchten zum Autor Kontakt aufnehmen? Klicken Sie einfach oben links auf seinen Namen.

Zurück