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47. Woche - Immer hoch im Kurs: die HII-Region NGC 281

Fotografiert von: Olaf Filzinger | | Astrofoto der Woche

NGC 281 (= Sh2-184) ist sehr beliebt unter den Astrofotografen. Gründe: Der in Deklination etwa 30´ ausgedehnte Emissionsnebel im Sternbild Cassiopeia ist sehr hell und daher nicht schwierig aufzunehmen. Außerdem steigt er in unseren geografischen Breiten hoch in die Zenitgegend, wo man als Beobachter und Astrofotograf stets den dunkelsten Himmel vorfindet.

Im aktuellen AdW liegt Norden oben, Osten links (die übliche Orientierung). Jeder Emissionsnebel um ein anregendes Zentrum hat gewöhnlich eine kugelähnliche Form, die der Astronom als "Strömgrensphäre" bezeichnet. Dies geht zurück auf den dänischen Astronomen Bengt Strömgren (1908-1987). Bei NGC 281 sorgt die dunkle Südwest-Ecke jedoch für eine Abweichung von der Kugelform, weil dort das leuchtende Gas durch dunkle Materie im Vordergrund verdeckt wird. Radioastronomische Beobachtungen haben gezeigt, dass hier dichtes molekulares Material ins Bild ragt (Megeath & Wilson, 1997). Es gehört zu einer ausgedehnten Molekülwolke, die 1000 Lj über der galaktischen Ebene liegt (Lee & Jung, 2003).

Im Zentrum der Nebelkugel sitzt der offene Sternhaufen IC 1590. Mit einem Alter von nur 3,5 Millionen Jahren ist er sehr jung (Guetter & Turner, 1997). Im AdW fällt er im dichten Getümmel der Milchstraßensterne kaum auf. Neuere Infrarotaufnahmen zeigen aber, dass es sich um einen stattlichen, tief im Nebel eingebetteten Haufen handelt. HD 5005 ist der hellste Haufenstern (Pixelkoordinaten 1918,1257). In Wirklichkeit stellt er ein trapezähnliches Mehrfachsystem dar, dessen leuchtkräftigste Komponenten die Spektraltypen O6,5 bis O9 besitzen. Das heißt im Klartext: In einem (L)RGB-Bild sollte HD 5005 in leuchtendem Blau zu sehen sein. Aus HD 5005 stammt bereits der größte Teil der Anregungsenergie für die gesamte H II-Region. Aber noch weitere O- und B-Sterne stecken im Nebel. Am Ostrand deuten sich die kräftigen „bright rims“ an, sie markieren den dortigen Rand der Molekülwolke. Es gibt auch kleinere Globulen. Man darf davon ausgehen (Guetter & Turner, 1997), dass die dichte Dunkelwolke im Südwesten unmittelbar an NGC 281 anschließt. Ihre Entfernung beträgt 9170 Lj (Sato et al. 2008). Damit errechnet sich für NGC 281 ein echter Durchmesser von gut 80 Lj – mehr als doppelt so groß wie der Orion-Nebel.

Die Aufnahme entstand am 11.09.2015 an der Sternwarte in Hofheim am Taunus. Teleskop war ein 200-mm-Fotonewton (Marke ONTC) mit 1000 mm Brennweite. Kamera war eine Canon EOS 1000Da. Bei ISO 800 wurde insgesamt 3 Stunden belichtet mit 5 Minuten pro Einzelaufnahme. Der Bildmaßstab lässt sich zu 1,169 Bogensekunden pro Pixel berechnen. Olaf Filzinger merkt an: „Nur 10 km vom Rhein-Main-Flughafen mit seiner frustrierend hellen Lichtglocke entfernt, entstand dieses Bild an der Sternwarte Hofheim. Die Lichtverschmutzung setzt den astrofotografischen Aktivitäten hier leider enge Grenzen. Bei hoch stehendem Objekt sind allerdings auch Aufnahmen wie diese möglich.“

Olaf Filzinger zeigt uns heute sein erstes AdW. Deshalb begrüßen wir ihn und heißen ihn herzlich willkommen! Dafür, dass er astrofotografisch noch nicht so lange „im Geschäft“ ist, hat er ein sehr schönes Resultat erzielt. Nun sollen aber alle – der Bildautor und die Leser – aus einer gemachten Aufnahme lernen. Entsprechend sollte die Bildbeurteilung der Kommentatoren aufgefasst werden.

Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

Die Aufnahme von NGC281 zeigt einige interessante Aspekte. Sie ist technisch sauber erstellt, Fokussierung und Nachführung waren einwandfrei, Olaf Filzinger hat die verwendete Optik "im Griff". Er selber spricht in seinem Bildkommentar den Aufnahmestandort an. Dieser liegt nur wenige Kilometer entfernt von einem der größten Verkehrsflughäfen Europas. Außerdem erstreckt sich von Südosten nach Südwesten die Rhein-Main-Region mit den Städten Wiesbaden, Mainz, Rüsselsheim und Frankfurt. Die Bedingungen sind also für astronomische Beobachtungen und Astrofotografie nicht optimal.

Sichtbar wird dies in der vorliegenden Aufnahme an einer unruhigen Farbstruktur, die wir lapidar als Rauschen bezeichnen. Im vorliegenden Fall ist das Rauschen sogar so ausgeprägt, dass es Strukturen im Bild anfrisst. Physikalisch und statistisch kann man dieses Farbrauschen grob als die Unsicherheit beschreiben, mit der jedes denkbare Signal behaftet ist. Zur Quantifizierung dient der Quotient (= Verhältnis) aus Signal und Rauschen, im Englischen "signal to noise ratio" (SNR). Nun unterscheidet die Kamera nicht zwischen dem Signal, welches uns das Objekt liefert (und dem immer dazugehörigen Rauschen) und dem Signal, welches durch die Lichtverschmutzung verursacht wird. Das SNR des Objektes konkurriert also direkt mit dem SNR des Himmelshintergrundes. Wenn das Objekt-SNR sich statistisch nicht signifikant über das Himmels-SNR erhebt, geht das Objekt im Rauschen unter.

Aus diesem Dilemma führen zwei Auswege: eine Erhöhung der Belichtungszeit und damit eine Verbesserung der statistischen Signifikanz, oder die Flucht unter einen dunkleren Himmel. Ersteres klingt zunächst leicht, doch muss man sagen, dass sich die nötige Belichtungszeit exponentiell erhöht, um der Statistik ein Schnäppchen schlagen zu können. Mit einer Stunde Fahrtzeit zu einem dunkleren Standort ist man unter Umständen deshalb der ersten Methode überlegen.

Zusätzlich zum Rauschen fällt auf, dass viele Sterne bereits "ausgebrannt" sind. Schon das Histogramm der Aufnahme weist darauf hin. Eine farbliche Differenzierung ist also nicht mehr möglich. Insbesondere die im Bild zu erwartenden blauen Sterne leiden darunter. Beim Stretchen einer Astroaufnahme ist darauf zu achten, dass keine Bereiche des Bildes ausbrennen. Auch können Masken helfen, helle Bildbereiche (und somit auch Sterne) vor dem Ausbrennen zu schützen.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim, Dr. Stefan Binnewies

Koordinaten J2000.0:

RA = 00 h 52 min 25 s, DEK = +56° 33´ 54´´

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