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Der Cirrusnebel - ein spektakulärer Supernovaüberrest

Der Cirrusnebel zählt wohl zu einem der visuell und fotografisch meist besuchten Supernovaüberreste am Sommerhimmel. Dieser große Nebelkomplex stellt für alle Fernrohröffnungen und Bedingungen ein hochinteressantes Beobachtungsziel dar. Neben der interessanten Geschichte gibt es außer den bekannten Ost- und Westteil des Nebels eine Menge mehr am Cirrusnebel zu entdecken.

 

Die Entdeckung

Sehr spannend ist die Entdeckungsgeschichte vom Cirrusnebel. Man muss bedenken, dass es damals weder kontraststeigernde Nebelfilter, noch Weitwinkelokulare oder kurzbrennweitige Parabolspiegel gab (Herschel beobachtete an seinem Spiegelteleskop mit einem Öffnungsverhältnis von f/13!).
Die erste Erwähnung des Nebelkomplexes geht auf den 5. September 1784 zurück. In dieser Nacht bemerkte Wilhelm Herschel visuell an seinem 18,7" (~ 47,5cm Öffnung) Spiegelteleskop mit dem hellen östlichen Hauptteil die erste Struktur des Cirrusnebels. Begeistert vom Anblick beschrieb er dabei den später als NGC 6992 in Dreyers NGC-Katalog aufgenommenen Teil mit „...ausgebreiteter Nebel, teilt sich in verschiedene Ströme, die sich dann weiter südlich wieder vereinigen...". Zwei Tage später entdeckte er den westlichen Teil, heute oftmals als „Sturmvogel" bezeichnet. In seinen Aufzeichnungen findet sich darüber die Beschreibung „...ausgedehnt, läuft durch 52 Cyg, fast 2° Länge...". Dieser Nebelteil geht später als NGC 6960 in den NGC ein. In der gleichen Nacht bemerkte er zwischen den beiden von ihm entdeckten Nebelteilen eine weitere Aufhellung, NGC 6979, etwa 2° nordöstlich von 52 Cyg.
Wilhelms Sohn John Herschel entdeckte dann später im Jahr 1825 mit dem Teleskop seines Vaters mit NGC 6995 den Teil, der direkt südlich an NGC 6992 anliegt.

1873 schließlich beobachtete Lord Rosse mit seinem 72" (~ 1,83m Öffnung) Riesenteleskop, auch genannt „Leviathan", einen zu NGC 6979 nahen Teil, der später als NGC 6974 in den NGC einging. Die Beobachtung ist jedoch nicht sehr sicher, aufgrund der nicht eindeutig einzugrenzenden Beschreibung von Lord Rosse (man bedenkt das kleine Gesichtsfeld aufgrund der 17m Brennweite!)
Der direkt am südlich vom Ostteil anliegende, etwas schwächere Teil IC 1340 wurde wahrscheinlich von Truman Henry Saffort zwischen 1866 – 1868 mit einem 18,5" (~ 47cm Öffnung) Refraktor entdeckt.
Der ebenfalls zum Cirrusnebel gehörende Mittelteil, oft auch unter „Pickering's Wedge" oder auch „Pickering's Triangular Wisp" bekannt, wurde als erster Cirrus – Teil auf fotografischem Wege am 02.09.1904 aufgefunden. Auf den 4 Stunden lang belichteten Bruce - Fotoplatten des 24" Teleskops vom Harvard – Observatoriums fiel Williamina Fleming dieser Teil des Cirrusnebels auf, der aber aufgrund des späten Entdeckungszeitraumes weder im NGC noch im IC – Katalog berücksichtigt wurde. Benannt ist dieser Teil lediglich nach dem Chef des damaligen Harvard – Observatoriums Edward Charles Pickering, Williamina ging dabei leer aus.

Ein kleiner Abstecher in die Physik

Insgesamt handelt es sich beim Cirrusnebel um ein in der Forschung immer noch heiß diskutiertes Objekt. Unumstritten jedoch stellt dieser Nebelkomplex ein Überrest einer Supernova dar. Die von der Fachastronomie bestimmten Zeiten der Sternexplosion schwanken stark zwischen etwa 5000 und 18000 Jahren. Der „Verursacher" der Supernova wurde noch nicht gefunden. Auch die Entfernung ist nicht genau bekannt. Man geht heute von etwa 1400 – 2600 Lichtjahren aus. Grund des Leuchtens der Nebelschwaden sind nicht die sich direkt im All bewegenden Gasmassen aus der Sternexplosion selbst. Ergebnis einer jeden Supernova ist eine überschallschnelle Schockfront, die mit der zufällig im Gebiet stehenden interstellaren Materie kollidieren kann. Dabei erhitzt sich die Materie so stark, dass das Gas ionisiert und so zum Leuchten angeregt wird. Dies ist Grund, warum die Nebel Emissionsnebel darstellen und so mit gängigen Nebelfiltern gut zu beobachten sind.

Doch was ist nun alles zu sehen?

Unter dunklen Landhimmel sind die beiden hellen Hauptteile bereits ohne Filter im gängigen 10x50 Fernglas als sehr schwache Schimmer zu erkennen. Bei größeren Optiken ab 80mm Öffnung deutet sich sogar die erste Struktur an.

Das visuelle Erscheinungsbild verbessert sich jedoch deutlich bei Verwendung von Nebelfiltern. Auch bei kleinen Öffnungen unter 100mm ist hier ein [OIII]-Filter gewinnbringend einzusetzen.
Bei Öffnungen von etwa 100mm und [OIII]-Filter sind bereits beide Hauptteile als auffällige Strukturen zu erkennen. Im Ostteil, der oft auch als „Hexenhand“ bezeichnet wird, sind diverse Helligkeitsvariationen zu erkennen. Auch ist der Ansatz des schwächeren Nebelteils IC 1340 zu sehen. Der Westteil wird nördlich von 52 Cyg als geschwungene, schmale Linie erkannt, während südlich der Nebel breit im Hintergrund ausläuft. Auch der Mittelteil wird nun bei gutem Himmel schwach erkennbar. Die Form eines Dreieckes ist angedeutet.
Eine deutliche Steigerung ist bei Öffnungen von 200mm zu erwarten. Beide Hauptteile zerfallen nun in eine Vielzahl von Strukturen und Details. Bemerkenswert ist die Aufteilung des schmalen Bogens nördlich von 52 Cyg, sowie die faserige Struktur des Ostteils. „Pickering’s Triangular Wisp“ wird nun einwandfrei erkennbar und zeigt auch schon Andeutungen von Struktur. Die nördlich stehenden Nebelfetzen NGC 6974 und 6979 sind nun auch zu beobachten. Ein allgemein unbekannter, jedoch recht heller Nebelteil befindet sich ca. ein halbes Grad südlich vom Ende des Ostteiles. Der mit ca. 3’ Ausdehnung längliche Fetzen wird oft im Antlitz des hervorstechenden Ostteils übersehen, weißt auch eigenartigerweise keinerlei Katalogbezeichnung auf.
Mit Öffnungen von 300 – 400mm zerfällt der Cirrusnebel immer mehr in Details. Mit diesen Öffnungen steht der Nebel visuell kaum mehr an Struktur sehr guter Fotografien nach. Den gesamten Komplex ausführlich zu beobachten kann Stunden in Anspruch nehmen. Bei Öffnungen von 600mm steigt die Detailwahrnehmung nochmals enorm an. So kann z.B. mit Leichtigkeit die Strukturen vom „Pickering’s Triangular Wisp“ mit seinen sehr schmalen, faserartigen Details bis annähernd 3° nach Süden hin verfolgt werden. Der Ostteil wird nicht mehr als ein Teil wahrgenommen, sondern besteht „nur noch“ aus einzelnen Nebelfetzen, die in ihrer Menge kaum mehr bewusst festgehalten werden können.

Alles in allem ein hochinteressantes Gebilde, fotografisch wie auch visuell. Es lohnt sich immer wieder auf Entdeckungsreise auch neben den beiden Hautteilen zu gehen, denn Details gibt es in Hülle und Fülle. Ein Einsatz von Nebelfiltern verbessert die Detailerkennung gerade bei diesem Objekt enorm und empfiehlt sich daher sehr. Viel Spaß bei der Entdeckungstour des „alten, neuen“ Cirrusnebels.

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