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Philae – Ein Labor auf dem Kometen

Von Dr. Hans Zekl

Mit der Raumfahrtmission Rosetta zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko betritt die europäische Raumfahrtorganisation ESA Neuland, will sie doch erstmals auf dem Schweifstern eine Sonde, Philae, landen, die auf dessen Oberfläche wissenschaftliche Untersuchungen durchführen soll.

Wie schon die Bezeichnung Rosetta, nimmt der Name der Landeeinheit Bezug auf einen archäologischen Fundort in Ägypten. Auf der heute vom Assuan-Stausee überfluteten Insel Philae wurde 1815 ein Obelisk mit einer Inschrift in Griechisch und Hieroglyphen gefunden, in der die Königsnamen Ptolemäus und Kleopatra enthalten sind. Diese Inschriften halfen, die Texte auf dem Stein von Rosetta zu verstehen. Zur Namensfindung hatte die ESA im Jahr 2004 einen Wettbewerb ausgeschrieben, den die damals 15 Jahre alte italienische Schülerin Serena Olga Vismara mit ihrem Vorschlag gewann.

Das etwa 100 kg schwere Landegerät Philae (Bild) wurde von einem europäischen Konsortium unter der Federführung des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) entwickelt. Weitere Beteiligte waren die ESA, CNES und Institute in Österreich, Finnland, Frankreich, Ungarn, Irland, Italien und Großbritannien.

Der Rosetta-Lander soll am 12. November 2014 vom Orbiter abgetrennt werden und dann selbständig auf der Kometenoberfläche landen und sich dort mit drei Füßen verankern (Bild).

Die etwa würfelförmige Sonde besitzt eine Kantenlänge von rund einem Meter und ist mit 10 wissenschaftlichen Experimenten bestückt, mit denen hauptsächlich die Verteilung der chemischen Elemente und ihrer Isotope, die Mineralien und Eissorten des Kometenkerns untersucht werden.

APXS (Alpha Particle X-Ray Spectrometer)

Das 500 Gramm schwere Alpha-Röntgen-Spektrometer (Bild) wurde ursprünglich am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz entwickelt. Inzwischen wechselte die wissenschaftliche Federführung an das Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Zur Messung der chemischen Zusammensetzung der Kometenoberfläche wird diese mit Alphateilchen und Röntgenstrahlung beschossen. Dabei strahlen die vorhandenen Elemente eine für sie charakteristische Röntgenstrahlung aus. Mit dem Röntgenspektrometer des Geräts können die Wissenschaftler die chemische Zusammensetzung der Kometenoberfläche bestimmen. Dabei sind die Vorkommen der beiden Elemente Kohlenstoff und Sauerstoff von besonderem Interesse.

CIVA (Comet nucleus Infrared and Visible Analyzer)

Das Gerät (Bild) analysiert die Kometenoberfläche im sichtbaren und infrarotem Licht. Es besteht aus einem Panorama-Kamerasystem, mit dem stereoskopische Bilder aufgenommen werden können (CIVA-P), einem Mikroskop im sichtbaren Spektralbereich (CIVA-M) und einem abbildenden Infrarot-Spektrometer für die vom Bohrer SD2 gewonnenen Bodenproben. Die wissenschaftliche Leitung liegt beim Institut d'Astrophysique Spatiale der Universität Paris Sud in Orsay, Frankreich.

CIVA-P soll u. a. ein 360-Grad-Panorama aufnehmen.Dazu sind sechs Kameras in einem Abstand von 60 Grad um die Landeeinheit Philae montiert. Seine Hauptaufgabe aber ist die Beschaffenheit der Kometenoberfläche, deren Reflexionseigenschaften und die Aktivität des Kometen und die damit verbundenen Oberflächenveränderungen zu beobachten.

CIVA-M besteht aus zwei Elementen: einem miniaturisiertem Lichtmikroskop und einem Infrarot-Spektrometer zur Untersuchung von Bohrproben. Damit sollten sich die wichtigsten organischen Moleküle bestimmen lassen.

CONSERT (Comet Nucleus Sounding Experiment by Radiowave Transmission)

Dieses aufwendige Experiment wird zum allerersten Mal die innere Struktur eines Kometenkerns untersuchen. Dazu wird sie die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen, die von der Rosetta-Sonde ausgesendet werden, im Kern messen. Die Daten liefern Rückschlüsse über die elektrischen Eigenschaften des Kometeninneren. Daraus lässt sich wiederum ein grobes Modell über die verschiedenen Arten des Materials, aus denen der Kern aufgebaut ist, erstellen. Ferner wird CONSERT Informationen über die im Inneren des Kometen vorhanden Schichten und deren Dicken liefern. Da das Experiment auch Daten über die Größenverhältnisse der Kometenbestandteile liefern soll, können die Wissenschaftler auf die Bedingungen während der Entstehung des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko vor rund 4,6 Milliarden Jahren schließen.

Die wissenschaftliche Leitung der Untersuchung liegt beim Laboratoire de Planétologie de Grenoble und dem Service d’Aéronomie der Universität Pierre et Marie Curie in Verrières-le-Buisson, Frankreich.

COSAC (Cometary Sampling and Composition experiment)

Mit diesem Experiment (Bild) werden die organischen Materialien im Kometenkern analysiert. Es besteht aus einem Gaschromatographen und einem Flugzeit-Massenspektrometer. Seine Hauptaufgabe ist die Bestimmung der chemischen Elemente und deren Isotope, der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung der Kometenoberfläche und der darunter liegenden Schichten. Dazu werden Bodenproben zur Untersuchung von verschiedenen Stellen in der Umgebung des Landers in Öfen gefüllt. Diese werden verschlossen und geheizt, wobei die Temperatur zwischen -100 °C und 600 °C geregelt werden kann. Die entstehenden Gase werden dann den beiden Instrumenten zur Bestimmung der Moleküle zugeführt. Zusammen mit den Ergebnissen des Experiments CONSERT werden auch diese Daten zu einem besseren Verständnis zur Entstehung von Sonnensystemen führen.

Zusätzlich werden die Forscher mit COSAC nach komplexen organischen Molekülen suchen, die als Grundbausteine für die Entstehung von Leben in Frage kommen.

COSAC wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit dem Laboratoire Inter-universitaire des Systèmes Atmosphériques in Paris, dem Laboratoire Atmosphères in Milieux, Frankreich, dem Observations Spatiales in Paris und der Universität Gießen entwickelt und gebaut.

MUPUS (Multi-Purpose Sensors for Surface and Sub-Surface Science)

Mit diesem Experiment (Bild) wird das Temperaturverhalten der Kometenoberfläche untersucht. Ein besonderes Augenmerk wollen die beteiligten Forscher dabei auf Veränderungen richten, während der Komet rotiert und seine Entfernung zur Sonne ändert. Für die Durchführung der Messungen werden verschiedene Sensoren in die Oberfläche des Kometen getrieben. Zusätzlich wird die Infrarotstrahlung in der Umgebung Philaes gemessen.

Die wissenschaftliche Leitung liegt beim Institut für Planetologie der Universität Münster. Außerdem sind das DLR und das österreichische Institut für Weltraumforschung an dem Experiment beteiligt.

Ptolemy

Das wissenschaftliche Ziel dieses Experiments (Bild) besteht darin, die geochemischen Vorgänge der leichten Elemente wie Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff zu verstehen. Das schuhkartongroße Gerät wiegt keine fünf Kilogramm und enthält einen Gaschromatographen und ein Massenspektrometer.

Zum einen soll damit die Herkunft des Wassers auf der Erde untersucht werden. Möglicherweise wurde es durch Kometeneinschläge auf der noch jungen Erde geliefert. Außerdem können die Daten helfen, die Entstehung der Kometen und die Bedingungen während der Erschaffung des Sonnensystems besser zu verstehen. Dazu dient auch der Vergleich organischer Materialien auf dem Kometen mit denen, die auf Planeten unseres Sonnensystems gefunden wurden.

Wie CIVA wird das Experiment mit Proben des Bohrers SD2 für Untersuchungen versorgt. Die Bohrkerne werden dafür aus einer Tiefe bis zu 23 Zentimeter entnommen und in drei Öfen erhitzt. In einem weiteren Ofen werden leicht flüchtige Substanzen dazu in einem besonderen Substrat gebunden.

Die wissenschaftliche Leitung des Experiments liegt bei der Open University in Milton Keynes, Großbritannien.

ROLIS (Rosetta Lander Imaging System)

Dieses Kamerasystem (Bild) wird während des Anflugs zum Kometenkern erste Bilder von der Umgebung des Landeplatzes liefern. Nach der Verankerung Philaes auf der Oberfläche des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko soll sie hochauflösende Aufnahmen von der Struktur und Mineralogie der Oberfläche liefern. Außerdem wird sie die eingesammelten Proben fotografieren und Blicke in die Bohrlöscher des SD2-Bohrers werfen.

ROLIS wiegt nur etwa 400 Gramm und besitzt die Ausmaße 9,0x6,3x8,6 cm. Der CCD-Chip der Kamera besteht aus 1024x1024 Pixel. Im Weitwinkelmodus beträgt der Blickwinkel 70 Grad, während dieser sonst 50 Grad groß ist. Damit erreicht die Kamera eine Auflösung von bis zu 0,3 mm/Pixel.

ROMAP (Rosetta Lander Magnetometer and Plasma Monitor)

Während des Landeanflugs misst ROMAP (Bild) das Magnetfeld in der Umgebung des Kometenkerns. Nachdem Philae auf dessen Oberfläche aufgesetzt hat, wird zusätzlich das Verhalten und die Zusammensetzung des Plasmas aus Elektronen und Ionen untersucht. Unter anderem wollen die Wissenschaftler damit feststellen, ob der Komet ein eigenes Magnetfeld besitzt.

SD2 (Sampling, drilling and distribution subsystem)

Dieses System (Bild) zum Sammeln, Bohren und Verteilen der Proben versorgt die Mikroskope und Analysatoren der Experimente COSAC und Ptolemy mit dem gewünschten Untersuchungsmaterial. Der Bohrer kann bis aus einer Tiefe von 23 cm Bodenproben aus dem Kometenkern holen.

Wenn die gewünschte Tiefe erreicht ist, wird von der Bohrerspitze ein Probenheber ausgefahren. Der Bohrer fährt danach in seine Ruheposition zurück, um die Probe an einen der 26 Öfen des Landers abzugeben, die auf einem Drehtisch angeordnet sind. Der für die Analyse vorgesehene Ofen wird unter den Bohrer geführt, um das Material aufzunehmen. Anschließend wird der Ofen zum eigentlichen Analyseinstrument gedreht.

Auf dem Drehtisch gibt es zwei Arten an Öfen. Zehn von ihnen arbeiten bei maximal 180 °C, während die anderen 16 wesentlich höhere Temperaturen bis zu 800 °C erreichen können.

Das System wurde am Politecnico di Milano entwickelt und gebaut.

SESAME (Surface Electric Sounding and Acoustic Monitoring Experiment)

Das Experiment (Bild) besteht aus einem Komplex von 3 Instrumenten, die eine gemeinsame Elektronik verwenden. Zum einen handelt es sich um eine Vorrichtung, um die Kometenoberfläche mit Hilfe von Echolotungen zu untersuchen - Cometary Acoustic Sounding Surface Experiment (CASSE). Dessen Ergebnisse liefern ein Bild über ihre mechanischen Eigenschaften. So erwarten die Wissenschaftler Aufschlüsse zu Fragen über die elastischen Eigenschaften und die Tiefenstruktur der Oberfläche. CASSE wird sowohl eine aktive, mit Schallsendern, und eine passive Sondierung durchführen. Zusätzlich wird die Temperatur gemessen. Die Sensoren befinden sich an allen 3 Füßen des Landers.

Ein anderes Instrument - Permittivity Probe (PP) - misst mit Hilfe von Elektroden die elektrischen Eigenschaften der Oberfläche von Tschurjumow-Gerasimenko. Hauptsächlich soll damit der Wassergehalt an der Oberfläche des Kometenkerns gemessen werden, sowie seine Schwankungen mit dem Tag-Nacht-Zyklus auf dem Kometen und seine Änderung bei unterschiedlichen Abständen zur Sonne. Die Sensoren befinden sich an allen drei Füßen des Landers, sowie an den Experimenten DIM, MUPUS und APXS.

Das dritte Instrument, der Dust Impact Monitor DIM, misst die Einschläge der Staubteilchen und ihre Geschwindigkeit. Damit will man die Größenverteilung des Kometenmaterials bestimmen, das bei den Ausgasungsprozessen vom Kern losgerissen wird.

Die Projektleitung des Experiments liegt beim DLR in Köln.