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Astronomie mit zwei Augen - Ferngläser für die Himmelsbeobachtung

Einleitung

Irgendjemand bemerkte mal sehr treffend, das beste Fernrohr ist immer noch das, welches am häufigsten genutzt wird. Wie wahr! Es nützt der größte Dobson nichts, wenn er von 365 Tagen im Jahr 360 Tage in der guten Stube steht. Dazu kommt der mit zunehmendem Alter einhergehende Drang zur Bequemlichkeit (man kann auch Faulheit dazu sagen) und so überlegt man sich als Stadtbewohner, ob man erstmal eine Stunde mit dem Packen des Autos zubringt - um dann ohnehin die wesentlichen Dinge vergessen zu haben - oder ob man auf die Schnelle mit einem kleinen, transportablen Gerät vor der übermäßigen Stadtbeleuchtung flüchtet. Ein solches Gerät kann auch mal ein Fernglas sein. Ferngläser haben für die Himmelsbeobachtung zwei entscheidende Vorteile. Sie zeigen uns ein großes Himmelsareal und eignen sich damit sehr gut zur Beobachtung ausgedehnter Sternfelder. Zudem sind sie schnell griffbereit und unproblematisch zu handhaben. Das gilt natürlich in erster Linie für Ferngläser, die man freihändig nutzt. Ein 25x150 Großfernglas ist weder besonders transportabel noch zeigt es bei 25-facher Vergrößerung ein besonders großes Sehfeld. In diesem Beitrag soll es also um Ferngläser gehen, wie man sie u.a. auch für die Naturbeobachtung verwendet. Der dritte Vorteil liegt somit auf der Hand: hat man sich ein gutes Fernglas für Himmelsbeobachtungen zugelegt, so kann man es mit Gewinn auch bei Tag nutzen.

Worauf sollte man nun beim Kauf eines Fernglases achten? Dazu möchte ich einige Hinweise geben. Wer schon mal versucht hat, den Fernglas-Markt zu erkunden, weiß, das Angebot ist riesig. Wenn man nicht von Anfang an sicher ist, was man will, sollte man sich einen guten und vertrauenswürdigen Astro- oder Fotohändler suchen. Das hat den Vorteil, man kann aus einem gut vorsortierten Angebot wählen. Auf welche Eigenschaften sollte man nun konkret achten? Aus meiner Erfahrung heraus sind folgende Punkte wichtig:

  • Optische Konstruktion: Porro- oder Dachkant-Gläser
  • Vergrößerung und Öffnung
  • Optische Merkmale
  • Mechanische Konstruktion
  • Beobachtungskomfort.

Optische Konstruktion - Porro- oder Dachkant-Gläser

Porro-Gläser sind günstiger und einfacher herzustellen als Dachkant-Gläser (gleiches Qualitätsniveau vorausgesetzt!). Das liegt daran, daß der Fertigungsaufwand für Dachkantprismen entsprechender Güte höher ist wie bei Porroprismen. Ferngläser mit Dachkantprismen werden oft mit einer Innenfokussierung und einer soliden Abdichtung gegen Staub und Feuchtigkeit angeboten. Auch das spiegelt sich natürlich im Preis wieder. In letzter Zeit werden immer häufiger Dachkant-Gläser sowohl von renommierten Firmen als auch von Billiganbietern beworben. Dies ist mehr oder weniger eine Modeerscheinung, da die Dachkant-Gläser eleganter aussehen, ein kompakteres Gehäuse haben und auch leichter zu halten sind. Es gibt allerdings keinen vernünftigen Grund, warum das optische Prinzip dem Porro-Prismensystem überlegen sein sollte. Wer ein sehr gutes Porro-Glas mit einem sehr guten Dachkant-Glas vergleicht, stellt fest, daß man bei einem in der optischen Qualität vergleichbaren Dachkant-Glas locker mit 40-50% Aufpreis rechnen kann. Daher würde ich bei Dachkant-Gläsern aus billigem Hause zu einer gewissen Vorsicht raten. Ein wirklich gutes Dachkant-Glas erfordert einigen optischen Aufwand und ein solches Fernglas (z.B. von Nikon, Leica oder Zeiss) steht einem ausgezeichneten Porro-Glas in der Bildgüte kaum nach. Leider hat das aber auch seinen Preis. Im Zweifelsfall ist ein gutes Porro-Glas möglicherweise die bessere Wahl.

Im Bild sind ein Dachkant-Glas (links) und ein Porro-Glas (rechts) gegenübergestellt. Die Dachkant-Gläser erkennt man an der schmalen (H-förmigen) Bauform, beim Porro-Glas haben die Objektive einen deutlich größeren Abstand voneinander wie die Okulare. Für Naturbeobachtungen liefern Porro-Gläser ein ausgeprägtes räumliches Bild, im Dachkant-Glas erscheint die Perspektive "flacher". Dachkant-Gläser haben meist eine kürzere minimale Einstelldistanz, was für Naturbeobachtungen von Vorteil ist.

Vergrösserung und Öffnung

Die Wahl von Vergrößerung und Öffnung richtet sich nach der Beobachtungsart und dem Beobachtungsort. Will man das Fernglas freihändig nutzen, so ist eine 10-fache Vergrößerung wohl das Maximum (mal abgesehen von bildstabilisierenden Ferngläsern). Auf einem Stativ montiert kann man auch wesentlich höhere Vergrößerungen zur Anwendung bringen. Die Öffnung richtet sich bei gegebener Vergrößerung hauptsächlich nach den Beobachtungsbedingungen. Hier entscheidet die Größe der Austrittspupille. Will man die Milchstraße im Hochgebirge erkunden, so kann man eine Austrittspupille von 6 bis 7 mm nutzen. Beobachtet man vorwiegend in Stadtnähe mit aufgehelltem Himmelshintergrund, so sollte man die Austrittspupille auf 5 oder 4 mm beschränken. Für ideale Bedingungen wäre also ein 7x50 oder ein 10x70 sinnvoll, in Stadtnähe ist dagegen ein 8x40 oder 10x50 vorzuziehen.

Persönlich nutze ich am liebsten mein altes Zeiss Jena Dekarem 10x50, welches auch unter nicht optimalen Bedingungen einen sehr guten Kontrast bietet. Die kleinere Austrittspupille dunkelt den Himmelshintergrund etwas ab, wodurch viele Deep-Sky Objekte besser zu beobachten sind. Auch Ferngläser mit kleineren Austrittspupillen, z.B. ein 8x30 oder 10x35, kann man durchaus sinnvoll für Himmelsbeobachtungen einsetzen. Solche Ferngläser geben insbesondere dann ein eindrucksvolles Bild, wenn eine sehr gute Optik mit einem großen Sehfeld einhergeht. Die Helligkeit des Himmelshintergrunds wird hier schon deutlich reduziert und man sieht in einer richtig klaren Nacht eine Unmenge Sterne auf tiefschwarzem Hintergrund. Damit eignet sich so ein Fernglas sehr gut zur Durchmusterung der Sommermilchstraße mit ihren vielen Sternwolken und Dunkelregionen. Gerade auf Reisen oder im Urlaub hat man nicht immer ein großes Teleskop oder Fernglas dabei. Ein 8x30 mit sehr guter Optik paßt dagegen in jedes Reisegepäck. Wer mal die Gelegenheit hatte, mit einem Zeiss 8x30 Dialyt unter einem sehr dunklen Nachthimmel die Milchstraße abzugrasen, der wird diese kleinen Ferngläser nicht unterschätzen oder gar für astro-untauglich erklären.

Für Ferngläser sind die folgenden Daten wichtig:

  • Objektivdurchmesser (D)
  • Vergrößerung (V)
  • Austrittspupille (AP).

Vergrößerung und Objektivdurchmesser werden auf jedem Fernglas angegeben (z.B. 7x50 oder 10x50). Die Austrittspupille ist gleich dem Quotienten aus Objektivdurchmesser und Vergrößerung:

AP = D / V = 50 / 10 = 5 mm beim 10x50.

Für die Bewertung der Leistungsfähigkeit bei Himmelsbeobachtungen wurden in der Vergangenheit verschiedene Ansätze genutzt. Hier sind in erster Linie zu nennen:

  • Visibility factor nach Roy L. Bishop (VF)
  • Astroindex nach Alan Adler (AI).

Der Visibility Factor ist nichts weiter als das von Carl Zeiss Jena schon vor Jahrzehnten eingeführte Maß für die Dämmerungsleistung eines Fernglases. Dieser Faktor ist gleich dem Produkt aus Vergrößerung und Öffnung. Höhere Werte fördern die Sichtbarkeit von Details in der Dämmerung. Die Dämmerungsleistung ist aber auch ein guter Richtwert für die astronomische Eignung eines Fernglases. Mit einem 10x50 (VF = 500) können beispielsweise hellere Galaxien oder offene Sternhaufen besser beobachtet werden wie mit einem 7x50 (VF = 350). Noch leistungsfähiger ist hier ein 15x50 (VF = 750). Vergleichsbeobachtungen an M81/82, M101, M11 und ähnlichen Objekten mit diesen drei Ferngläsern belegen das recht deutlich. Auch steigt die stellare Grenzgröße im Fernglas bei gleicher Öffnung mit wachsender Vergrößerung. Der Vergleich zwischen einem 15x50 und 10x70 (vergleichbarer Visibility Factor) unter eher durchschnittlichen Beobachtungsbedingungen zeigt, daß die größere Öffnung kaum Vorteile bringt! Hier spricht die stärkere Vergrößerung eindeutig für das 15x50. Erst wenn man die 7 mm große Austrittspupille unter einem richtig dunklen Himmel ausnutzen kann, lohnt sich ein so lichtstarkes Glas. Alan Adler meinte, man müßte die Vergrößerung stärker bewerten als die Objektivöffnung. Daher multipliziert er für seinen Astroindex die Vergrößerung mit der Wurzel aus der Öffnung. Ein höherer Index steht i.a. für ein leistungsfähigeres Glas. Beide Werte haben aber ihre Grenzen. Man muß natürlich bei einer solchen Bewertung die Sichtbedingungen genauso berücksichtigen wie die Art der zu beobachtenden Objekte. Für offene Sternhaufen ist ein 15x50 einem 7x50 sicher überlegen, bei der Beobachtung lichtschwacher, ausgedehnter Gasnebel sieht das anders aus.

Man sollte diese Index Werte nicht überstrapazieren. Wichtiger ist die Qualität der Optik. Man kann wohl kaum davon ausgehen, daß ein 8x42 Billigglas mit einfacher Vergütung einem 8x42 Leica Trinovid ebenbürtig ist, nur weil beide denselben Index haben. Und im Vergleich zu einem sehr guten 10x42 sieht manches 10x50 regelrecht alt aus. Ein Fernglas zeichnet sich nicht allein durch Vergrößerung und Objektivdurchmesser aus! Eine effektive Vergütung und eine wirksame Unterdrückung von Streulicht sind wichtig für ein helles und kontrastreiches Bild. Natürlich ist so ein Fernglas nicht billig. Vergleicht man am Nachthimmel ein Nikon 10x42 SE mit manch günstigerem 10x50, so stellt man schnell fest, daß optische Kennzahlen nicht alles sind ...

VxD AP (mm) VF AI
7x50 7,1 350 49.5
10x50 5 500 70.7
15x50 3,3 750 106.1
10x70 7 700 83.7
16x70 4,4 1120 133.9

Optische Merkmale

Beim Kauf eines Fernglases sollte man die Qualität der Optik vorher prüfen. Objektive und Okulare sollten auf allen Glas-Luft Flächen MC-vergütet (multi-coated) sein, was der Bildhelligkeit und dem Kontrast zugute kommt. Wichtig sind auch vergütete Prismen. Man kann das leicht mit einem schrägen Blick durch die Objektive prüfen, die Prismen sollten auf den sichtbaren Flächen wenigstens bläulich schimmern (einfache Vergütung). Unvergütete Prismen liefern starke Reflexe bei Mond und hellen Sternen. Bei Porro-Gläsern sollten die Prismen aus hochwertigem Glas (BaK-4) gefertigt sein. Wenn möglich sollte man sich bei Ferngläsern für Weitwinkelokulare (scheinbares Sehfeld von 60 Grad oder mehr) entscheiden. Die Randschärfe spielt hier eine untergeordnete Rolle, da man sich ohnehin auf die Bildmitte konzentriert. Weitwinkelokulare bringen aber den typischen Spacewalk Effekt. Ist bei einem Fernglas das wahre Sehfeld in Grad bekannt, so braucht man diesen Wert nur mit der Vergrößerung zu multiplizieren und man erhält näherungsweise das scheinbare Sehfeld der Okulare. Näherungsweise deshalb, weil mit dieser Rechnung die Randverzeichnung der Okulare nicht berücksichtigt wird. Das Zeiss 7x42 Dialyt liefert beispielsweise ein wahres Sehfeld von 8,6 Grad am Himmel (150 m auf 1000 m Entfernung). Bei einer 7-fachen Vergrößerung haben die Okulare ein scheinbares Sehfeld von ca. 60 Grad. Scheinbare Sehfelder von weniger als 50 Grad sind eigentlich unbrauchbar (Tunnelblick).

Bei der optischen Qualität sollte man keine Kompromisse eingehen. Die Schärfe und der Kontrast sollten über den zentralen Teil des Bildfelds ohne Tadel sein. Bei der Fokussierung muß sich problemlos ein scharfes Bild ergeben. Hat man das Gefühl, das Bild wird und wird nicht scharf oder ist man ständig bemüht, durch kleine Bewegungen am Fokussierrad noch einen Tick Schärfe herauszukitzeln, dann stimmt irgendwas nicht. Den Kontrast kann man sehr gut bei Tag an im Schatten liegenden Objekten und bei Gegenlicht prüfen. Geht der Kontrast hier in den Keller (Probleme mit Streulicht und/oder Reflexe), so muß man auch am Sternhimmel mit Einschränkungen in der Abbildungsqualität rechnen. Da in einem Fernglas die absolute Randschärfe nur mit großem optischen Aufwand realisierbar ist, sollte man darauf nicht zu sehr Wert legen. Wichtiger ist die Abbildung im zentralen Teil des Bildfelds. Erst wenn man sein Fernglas auf ein Stativ setzt, spielt die Randschärfe eine größere Rolle. Hier kann das Auge entspannt im gesamten Sehfeld umherstreifen und eine ausgeprägte Randunschärfe fällt störend auf. Bei freihändiger Nutzung richtet man das Fernglas ja immer so auf das Objekt am Himmel, daß man in Bildmitte beobachtet. In dem Fall kann man mit etwas Randunschärfe gut leben.

Es versteht sich von selbst, daß ein Fernglas gut justiert sein muß. Beide Achsen müssen exakt parallel verlaufen. Schon leichte Abweichungen hiervon ruinieren auf Dauer den Spaß an der Beobachtung. Wenn unsere Augen einen Versatz der Teilbilder kompensieren müssen, so geschieht das in einer unnatürlichen Augenstellung, was auf Dauer zu Ermüdung oder gar Kopfschmerzen führt. Einen evtl. vorhandenen Versatz der Teilbilder zueinander kann man gut an einem hellen Stern nachweisen. Dazu stellt man eine Seite scharf und das Bild der zweiten Seite wird mit Hilfe der Dioptrienkorrektur unscharf gestellt. Ist alles in Ordnung, dann sieht man bei entspanntem Einblick (vorher den richtigen Augenabstand einstellen!) einen Stern inmitten einer unscharfen Scheibe. An einer vertikalen Struktur kann man bei Tag prüfen, ob eine der Fernglashälften möglicherweise eine Bildfelddrehung aufweist. Eine Laterne oder eine Hauswand sollte in Bildmitte in beiden Hälften gleichermaßen senkrecht erscheinen.

Das Bild zeigt die Austrittspupillen von drei Ferngläsern mit gleichem Objektivdurchmesser und unterschiedlicher Vergrößerung. Unter einem richtig dunklen Landhimmel kann die große Austrittspupille von 7,1mm genutzt werden. Beobachtet man dagegen in Stadtnähe unter einem aufgehellten Nachthimmel, so sind kleinere Austrittspupillen sinnvoller, da der Kontrast der zu beobachtenden Objekte zum Himmelshintergrund erhöht wird.

Wichtig bei der Wahl eines Porro-Glases sind Prismen aus hochwertigem optischem Glas (BaK-4). Die Austrittspupille muß kreisrund und gleichmäßig hell erscheinen. Prismen aus günstigeren BK-7 oder unzureichend dimensionierte Prismen führen zu einem Helligkeitsverlust (ungleichmäßig ausgeleuchtete Austrittspupillen).

Mechanische Konstruktion

Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, daß die mechanische Qualität solide ist. Ein Fernglas kann ohne Probleme ein ganzes Leben Freude bereiten, die alten Zeiss Gläser machen es vor. Wichtig ist daher ein solides Gehäuse inklusive aller beweglichen Teile und eine präzise Mechanik. Bei manchem Billiganbieter ist Plastik im Spiel, der Mitteltrieb und die Dioptrienkorrektur eiern schon beim Kauf und nach wenigen Jahren wandert das Fernglas auf den Müll. Bei höheren Vergrößerungen sollte ein Stativanschluß nicht fehlen.

Ferngläser gibt es mit Zentralfokussierung (Mitteltrieb) oder Einzelokulareinstellung. Nutzt man das Fernglas nur für astronomische Beobachtungen, so ist eine Einzelokulareinstellung kein Problem. Will man es auch für Naturbeobachtungen verwenden, so sind Modelle mit Zentralfokussierung im Vorteil. Wer mal mit einem Fujinon 16x70 Tiere in unterschiedlichen Entfernungen zu beobachten versucht hat, weiß, wovon ich rede. Ferngläser mit Einzelokulareinstellung sind sehr robust und werden gern unter extremen klimatischen Bedingungen eingesetzt. Auch lassen sich Porro-Gläser ohne Innenfokussierung auf diese Weise besser abdichten.

Die Wahl zwischen Außen- und Innenfokussierung ist meiner Meinung nach Geschmackssache. Innenfokussierungen sind aufwändiger, Außenfokussierungen können nach langer Zeit zu Undichtigkeit führen. Bei renommierten Herstellern kann man allerdings davon ausgehen, daß dies nicht passiert. Und falls doch, dann bieten gerade diese Hersteller einen sehr guten Service. Außerdem geht man mit seinem Fernglas in der Regel auch nicht baden. Auch eine Stickstoff-Füllung ist nicht unbedingt vonnöten. Ich nutze nun schon lange einige alte Ferngläser von Zeiss Jena und habe noch nicht einmal erlebt, daß eine der Linsen von innen beschlagen wäre. Auch habe ich noch nie Wasser im Fernglas gefunden. Wer allerdings gern am Tag mit seinem Fernglas beobachtet und das bei schönem Wetter genauso tut wie bei widrigen Bedingungen, der sollte sich besser ein Fernglas mit solider Abdichtung und Stickstoff-Füllung suchen.

Hat man ein einfaches Porro-Glas für Himmelsbeobachtungen, so sollte man es immer im Köcher von außen ins warme Zimmer transportieren. So kann sich die Optik langsam erwärmen und ein Beschlagen wird vermieden. Trägt man das Fernglas in einer kalten Nacht ungeschützt in die warme Stube, dann wird die Luftfeuchtigkeit schlagartig auf den optischen Flächen kondensieren. In einem Köcher läßt sich das vermeiden.

Der Beobachtungskomfort

Für freihändiges Beobachten spielt auch der Beobachtungskomfort eine wichtige Rolle. Das Fernglas muß gut und sicher in der Hand liegen. Benötigt man zum Scharfstellen eine dritte Hand, so gehört das Produkt auf den Müll. Im Winter ist eine Gummiarmierung sehr angenehm, nicht weil das Fernglas friert, sondern weil man die Finger besser vom Glas bekommt. Wer beim Beobachten auf seine Brille angewiesen ist, kommt um Ferngläser mit Brillenträgerokularen (Abstand der Austrittspupille ca. 15-20 mm) nicht herum. Ich bin zwar auch Träger eines Sehwerkzeugs, kann aber mit meinen -2 dpt. beim binokularen Spechteln auf die Brille verzichten. Die Sternbilder finde ich auch noch ohne Brille und das wahre Sehfeld eines guten Fernglases ist groß genug, so daß ich bisher noch jedes gesuchte Deep-Sky Objekt auffinden konnte.

Beschränkt man sich auf ein Fernglas mit 7- oder 8-facher Vergrößerung, so kann man noch gut freihändig beobachten. Bei höheren Vergrößerungen ist ein Stativ immer eine gute Idee! Hat man ein optisch vorzügliches Glas teuer eingekauft, so wäre es doch schade, wenn man einen guten Teil der Leistungsfähigkeit durch das Zittern der Hände verschenkt. Schon ein bequemer Liegestuhl hilft hier weiter. Kann man die Arme dabei abstützen, so läßt es sich auch über längere Zeit sehr bequem beobachten.

Ferngläser mit höherer Vergrößerung als 10-fach gehören unbedingt auf ein Stativ. Wer der Meinung ist, 10- oder 12-fache Ferngläser problemlos aus freier Hand halten zu können, sollte mal den Vergleich zwischen freihändiger und entspannter Beobachtung auf einem Stativ machen. Der Unterschied ist auch bei einer 8-fachen Vergrößerung mehr als deutlich!

Zum Beobachten hochstehender Objekte sollte man bequem unter dem Fernglas sitzen können. Eine einfache Lösung ist im Bild zu sehen. Das 15x50 Fernglas ist hier auf einer Kombination aus einem Schwenkarm und einem Neigekopf montiert. Diese Teile (z.B. von Gitzo oder Manfrotto) findet man in jedem guten Fotoladen. Wenn das Fernglas zu schwer wird, kann man am gegenüberliegenden Ende ein Gegengewicht anbringen. Wenn das Fernglas öfter mal beim Verstellen im Antlitz des Beobachters gelandet ist, wird man diesen Rat beherzigen. Auch bei verschiedenen Astrohändlern kann man geeignete Montierungen kaufen, nur kosten die nicht gerade wenig Geld.

In einem solchen Beitrag kann man bei weitem nicht auf alle Aspekte der Fernglaswahl eingehen. Ich hoffe aber, ich konnte einige Hinweise zum Thema Ferngläser für die Himmelsbeobachtung geben. Die Wahl bleibt jedem selbst überlassen. Bleibt man bei renommierten Herstellern wie Zeiss, Leica, Docter-Optik, Fujinon oder Nikon, so kann man nicht allzuviel falsch machen. Man sollte nie vergessen, eine gute optische Qualität und eine solide Mechanik sind mit erheblichem Aufwand verbunden. Und das hat nunmal seinen Preis. Es lohnt sich auch hin und wieder Gebrauchtmärkte zu studieren, da kann man manch gutes Zeiss Glas (Ost oder West) für einen guten Preis erstehen. Einige Hersteller (z.B. Nikon oder Minolta) bieten Ferngläser in verschiedenen Preiskategorien an. Es gibt Standard Ferngläser von recht guter Qualität zu erschwinglichen Preisen und es gibt Ferngläser der Mittelklasse oder auch solche der absoluten Spitzenklasse. Bevor man sein Geld für Billiggläser aus dem Kaufhaus oder Supermarkt verschwendet, sollte man auf eines der Standardmodelle renommierter Firmen zurückgreifen. Ein wirklich gutes Fernglas kauft man sich eigentlich fürs ganze Leben und da lohnt ein Blick auf Zeiss, Leica oder Nikon Ferngläser auf jeden Fall.

Letztendlich ist die Auswahl eines Fernglases immer eine subjektive Entscheidung. Neben den optischen Eigenschaften spielen auch Design und Handling eine große Rolle. Daher sollte man ein Fernglas vor dem Kauf testen. Beim Fotohändler um die Ecke zahlt man vielleicht ein paar Euro mehr als beim Versandhändler im Internet. Dafür kann man das Glas in aller Ruhe vor der Ladentür ausprobieren und mit anderen Modellen vergleichen. Erst wenn man sicher ist, daß man mit der Wahl auch glücklich wird, sollte man sein Konto plündern.

Literatur

Zwei Bücher sind für die Himmelsbeobachtung mit Ferngläsern besonders zu empfehlen. Das Buch von Philip S. Harrington ist normalerweise bei vielen Astrohändlern zu bekommen. Es liefert Tipps und Hinweise für ungezählte Beobachtungsstunden (auch mit Großferngläsern). Eines der schönsten Bücher wurde vor vielen Jahrzehnten von Rudolf Brandt (Sternwarte Sonneberg) geschrieben. Dieses Büchlein erlebte 7 Auflagen (von 1938 bis 1972) und ist nur noch in Antiquariaten zu finden. Wer ein solches Exemplar ergattern kann, sollte unbedingt zugreifen.

Wer neben einem Fernglas auch ein kleines Teleskop oder Spektiv für die Himmelsbeobachtung nutzt, der sollte einen Blick auf den Deep Sky Reiseführer von Ronald Stoyan und auf den Atlas für Himmelsbeobachter von Erich Karkoschka werfen. Beide Bücher sind praktisch Standardwerke für astronomische Beobachtungen.

  • Rudolf Brandt: Himmelsbeobachtung mit dem Feldstecher. Verlag Johann Ambrosius Barth Leipzig, 1972 (ältere Auflagen erschienen unter dem Titel: Himmelswunder im Feldstecher).
  • Philip S. Harrington: Touring the Universe through Binoculars - A Complete Astronomer's Guidebook. Verlag John Wiley & Sons, 1990.
  • Ronald Stoyan: Deep Sky Reiseführer - Sternhaufen, Nebel und Galaxien mit eigenen Augen entdecken. Oculum Verlag, 3. Auflage, 2004.
  • Erich Karkoschka: Atlas für Himmelsbeobachter. Verlag Kosmos (Franckh-Kosmos), 2004.

PDF-Dokument

Eine im Umfang erweiterte  Version dieses Artikels gibt es als PDF-Datei zum Herunterladen und Ausdrucken.

In der PDF-Datei finden sich zusätzlich zu dieser Webseite noch einige Anmerkungen, eine Check-Liste mit Hinweisen für den Fernglaskauf sowie eine kleine Auswahl für die Astronomie geeigneter Ferngläser aus vergangenen Zeiten und aus aktueller Produktion.

Autor

Frank Schäfer
Volkssternwarte "Erich Bär"
Stolpener Str. 74
01454 Radeberg

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