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Rheinfahrt mit Hindernissen: Ein "russischer Schneesturm" auf seiner letzten Reise ins Museum

von Stephan Fichtner, 2008

Samstag Morgen, 5. April 2008. Rotterdam, Brittanniehaven. Nicht weit von hier legen die Fährschiffe nach England ab. Doch ich bin heute auf der Suche nach einem Stück russischer, oder besser sowjetischer Raumfahrtgeschichte. Die Buran, der sowjetische Nachbau des amerikanischen Space Shuttles, soll von hier auf seine letzte Reise gehen, als Herzstück einer im Herbst beginnenden neuen Ausstellung zur bemannten Raumfahrt im Technik Museum Speyer.

Das Wetter ist schlecht, es regnet und es ist kalt. Wie überdimensionale Arme ragen die riesigen Verladekräne des Rotterdammer Europort zwischen dem bunten Container-Allerlei in den dunkelgrauen Himmel. Doch wie findet man eine russische Raumfähre zwischen Tausenden von Überseecontainern? Ich verlasse mich auf mein Navigationsgerät. "Theemsweg 35, Sie haben Ihr Ziel erreicht" plärrt es aus dem Lautsprecher, als ich gerade vor der roten Ampel an einer dieser modernen holländischen Zugbrücken halte und ein Schiff vor mir vorbeizieht. Doch weit und breit keine Spur von einem Shuttle. Also umdrehen, das Ganze noch mal im Schritttempo zurück. Die Hafenpolizei hat hier ihren Stützpunkt. Vielleicht bin ich also gar nicht so falsch, wenn man bedenkt, dass das Shuttle aus Sowjetzeiten als Ausstellungsstück heiß begehrt und in den letzten viereinhalb Jahren sogar Ursache für so manch juristische Auseinandersetzung war. Plötzlich erblicke ich aus dem Augenwinkel die runde Form einer Shuttle-Ladebucht im kantigen Containermeer. Am Kai der Firma Gevelco steht sie etwas verlassen und flügellos da: die Buran!

Im Pressebriefing erfahre ich, dass es heute bereits gegen Nachmittag losgehen soll, damit der gut 85 Meter lange Schiffskonvoi aus Rheinponton und Schubschiff noch bei Tageslicht die werbeträchtige Route durch die Millionenstadt Rotterdam nehmen kann. Denn immerhin verraten großformatige Banner an der Seite von Buran und Ponton, wo man das russische Shuttle ab Herbst besichtigen kann. Es ist also Eile geboten, um den ehrgeizigen Zeitplan einhalten zu können.

"Gottseidank führt der Rhein im Moment kein Hochwasser", so Heinz Rössler, Geschäftsführer der für den Schwertransport verantwortlichen Spedition Kübler. Denn mit einer Höhe von gut neun Metern bekäme man bei Hochwasser an manchen Rheinbrücken ein Problem. Doch auch so ist der Transport von Rotterdam bis zum Naturhafen Speyer eine logistische Meisterleistung. Größere Transportschiffe dürfen bis zu einer Breite von elf Metern vierzig den Rhein befahren. Die Buran samt Tragflächen kommt jedoch auf eine Breite von 25 Metern! Und da die Museumsleitung kein "flügelloses" Raumschiff durch halb Deutschland schicken wollte, wurde eine Sondergenehmigung des Wasser- und Schifffahrtsamts notwendig.

Mittlerweile haben zwei riesige Verladekräne die achtzig Tonnen schwere Buran am Cockpit wie auch am Heck an den Haken genommen und hieven sie Stück für Stück über die Kaimauer auf einen auf dem Rheinponton bereitstehenden Tieflader. Fast zerbrechlich wirkt das Stück sowjetischer Raumfahrt, als es - so ganz ohne Flügel - durch die Luft schwebt.

Die Wolken reißen auf und die Sonne scheint auf das schmutzige Weiß der Außenhülle. Auf dem demontierten und am Heck des Pontons mit Spanngurten sicher verzurrten Leitwerk erkennt man noch die Relikte früherer Sowjetmacht - Hammer, Sichel und Sowjetstern auf rotem Grund!

Die Techniker der Firma Gevelco stehen jetzt jedoch vor einem ganz anderen Problem: Sie müssen Verstärkungsstreben an die Transportrahmen der Burantragflächen schweißen, damit diese auf dem Weg nach Speyer nicht ins Rutschen kommen. Doch das russische Metall ist von minderer Qualität und verflüssigt sich unter der Hitze der Schweißbrenner, so dass immer wieder gefährliche Lücken in der Schweißnaht entstehen. Das verzögert die Abfahrt des Konvois um mehrere Stunden.

Gegen halb sechs Uhr abends ist es dann endlich soweit: Das Rheinponton verlässt den Europort in Richtung Rotterdam. An Kohlehalden, riesigen Raffinerieparks sowie Öl- und Gastanks vorbei geht die Buran nun auf die letzte Etappe ihrer ungewöhnlichen Reise: mit gemächlichen sieben bis neun Knoten (entspricht 12-16 Kilometern pro Stunde) über den größten aller deutschen Flüsse zum Technikmuseum nach Speyer.

Mit dem Buran-Kapitän auf dem Rhein unterwegs Ein "russischer Schneesturm" auf seiner letzten Reise ins Museum

Die russische Raumfähre Buran ist seit letztem Samstag auf dem Rhein unterwegs und erreicht am Samstag per Tieflader das Technik Museum in Speyer. Ich hatte Gelegenheit, einen halben Tag auf dem Schubschiff mitzufahren, das den Riesenvogel von Rotterdam nach Speyer transportiert.

Das Museumsschiff "Isabell" erwartet die Journalisten, die mitfahren dürfen am Schiffsanleger. Doch die Tür ist verschlossen und so müssen Kamerateams und Journalisten samt Ausrüstung erst eine mehr als drei Meter hohe Stahltür überwinden, bevor sie aufs Begleitschiff und anschließend auf den Schubverband zur Buran gelangen können. Das hatte ich zuletzt während meiner lange zurück liegenden Bundeswehrzeit trainiert. Der Weg zur rusischen Raumfähre ist eben steinig und schwer!

Doch dann ist es geschafft: Mit der Isabell hinüber zum Rheinponton und mit einem kleinen Hüpfer zwischen den beiden Schiffen (und der obligatorischen Schwimmweste) rauf auf den siebzig Meter langen Schubverband, wo schon drei andere Kollegen der Presse darauf warten, "abgelöst" zu werden.

Nach einem ersten Rundgang um das von seinen Dimensionen her schon beeindruckende Raumschiff geht es zur Brücke. Der Chef des Technikmuseums, Hermann Layher, macht mich mit den vier Kapitänen bekannt, die ständig auf dem Schubschiff mitfahren - aus Sicherheitsgründen und um die Auflagen der Wasserschutzpolizei für diesen Spezialtransport zu erfüllen. Momentan hat Kapitän Jan Mangos das Kommando. Er muss sich regelmäßig bei der Rhein-überwachung melden und durchgeben, ob mit dem Konvoi auch alles in Ordnung ist.

Für ihn ist der Transport der Buran zwar kein Einsatz wie jeder andere doch hat er schon ganz andere und weitaus schwerere Kaliber über den Rhein ins Technik Museum transportiert. Darunter eine Boeing 747 und das Unterseeboot U9 nach Speyer und die Concorde nach Sinsheim. "I have experience and I am very relaxed!" und das sieht man dem gebürtigen Griechen an, der schon seit 18 Jahren den Rhein hinauf - und hinunterfährt. Meist jedoch mit Gütern, die weniger Aufmerksamkeit am Ufer erregen.

Seine Kollegen und das Team vom Technik Museum sind ein eingespieltes Team, auf das Museumsdirektor Hermann Layher immer wieder gerne zurück greift. Bis zu 500 Tonnen kann das Schubschiff bewältigen. Da ist die Buran mit ihren 63 Tonnen eher ein Leichtgewicht, so Mangos. Obwohl die gegen den Konvoi drückende, starke Strömung des Rheins an den "Innenkurven" geringer ist als an den "Außenkurven" lässt es sich Mangos nicht nehmen, den Konvoi bei passender Gelegenheit auch mal gegen die stärkere Strömung, aber dafür "näher an die Menschen" heranzufahren, damit die ein gutes Foto vom russischen Raumschiff machen können.

"So many people on the bridges", ruft er immer wieder aus, wenn wir uns der nächsten Rheinbrücke nähern. Auf unserer Fahrt säumen Tausende von Menschen das Rheinufer, sitzen auf Rheinauslegern, stehen mit den Schuhen schon fast im Wasser, fahren mit dem Fahrrad am Ufer eine gewisse Zeit neben uns her, winken, rufen, fotografieren oder starren einfach nur sprachlos zum Ponton herüber. Denn ein russisches Raumschiff, das über den Rhein fährt, hat hier noch niemand gesehen!

Von seiner Brücke hat Mangos einen hervorragenden Blick auf die Buran und auf den Rhein. Außerdem unterstützen ihn mehrere Computerbildschirme samt Funkmaus, ein Radarsystem, sein Fernglas sowie der Funkkontakt mit der Rheinaufsicht, dem Begleitschiff und der Wasserschutzpolizei bei seiner Arbeit.

Für die Sicherheit des Raumschifftransports auf dem Rhein ist also gesorgt.

Eine Raumfähre rollt ins Museum Ein "russischer Schneesturm" auf seiner letzten Reise ins Museum

Speyer Naturhafen, Samstag, 9.30 Uhr. Die Vorbereitungen für den Straßentransport der Buran über die letzten vier Kilometer bis ins Technik Museum Speyer haben bereits seit Stunden begonnen, als ich eintreffe. Im Gegensatz zum Regen der letzten Tage, herrscht heute Kaiserwetter, ganz so, als hätte die Buran einen guten Draht "nach oben". Geduldig steht die Raumfähre noch immer auf ihrem Ponton im Naturhafen und wartet darauf, wieder zerlegt und ins Museum geleitet zu werden.

Zuerst sind die Tragflächen dran. Um 10:25 Uhr verliert der Riesenvogel seinen ersten Flügel. Nachdem zwei riesige Trageschlaufen mit Spanngurten an der Tragfläche festgezurrt sind, hebt ein roter Kran diese über das Wasser des Naturhafens und die Pressevertreter hinweg auf den wartenden Transporter. Es ist wie immer Millimeterarbeit, bis der riesige Flügel sicher auf dem Tieflader verstaut ist. Beim Absetzen tropft Wasser heraus, das sich dort vermutlich in den letzten Tagen durch den starken Regen angesammelt hat.

Um 11:30 Uhr ereilt die zweite Tragfläche dann das gleiche "Schicksal".

Dort, wo bisher die Flügel an der Buran saßen, werden nun zwei neue Transparente entrollt: "Apollo and Beyond", Europas größte Ausstellung zur bemannten Raumfahrt, startet ab September im Technik Museum Speyer. Und die Buran als Highlight ist mittendrin.

Jetzt ist die Raumfähre aber endlich selbst an der Reihe. Langsam rollt der 16-achsige Tieflader der Firma Kübler über eine Rampe aus Stahlplatten vom Ponton an Land. Der Schwertransport kommt nur langsam voran, denn er muss wegen seines hohen Schwerpunkts peinlich genau in der Waagerechten gehalten werden, damit die Buran nicht ins Rutschen kommt. Mehr als vier Grad Abweichung sind nicht drin, sonst wirds gefährlich.

Immer wieder stoppt der Tieflader, kontrollieren die Mitarbeiter mit einer digitalen Wasserwaage den aktuellen Zustand und gleichen hydraulische Stempel an den Achsen die entstandene Schräglage so lange aus, bis die Buran wieder ganz waagerecht sitzt. Dann geht es wieder fünf Meter weiter. Viel Rangierplatz ist am Anleger des Naturhafens jedoch nicht. Um etwas mehr Spielraum zu haben, wurde extra eine künstliche Straße aus Aluminiumplatten in den Wald gelegt. Und tatsächlich wird es ganz knapp: ein halbes Rad hängt schon in der Luft, als das Heck des Tiefladers endlich festen Boden unter seine insgesamt 128 Räder bekommt.

Es ist bereits Nachmittag als sich der Konvoi aus vier Tiefladern langsam in Richtung Museum in Bewegung setzt. Inzwischen haben sich bereits viele hundert Menschen am Deich des Naturhafens versammelt. Viele Speyerer nutzen das sonnige Wetter, um zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu kommen. Es hat den Anschein, als wären viele Rheinland-Pfälzer allein deshalb hierher gekommen, um "ihr" Shuttle in Empfang zu nehmen. Es herrscht Volksfeststimmung und die entzückten Ausrufe der vielen Besucher, darunter viele Familien mit Kindern, reichen von freudigen Ausrufen wie, "da kommt sie, die Rakete!" bis hin zu "die muss aber auf jeden Fall mal neu lackiert werden!", als die Buran langsam um die Ecke biegt.

Auf den knapp vier Kilometer bis zum Technik Museum begleiten viele tausend Menschen die Raumfähre. Die Buran ist endlich in Speyer angekommen!

Webtipps für Astronomie.de Leser:

Aktuelle Informationen über den Standort dieses einzigartigen Konvois finden Sie im Internet:
http://www.technik-museum.de/buran-tomtom/

Weblog mit Fotos und Infos über den Transport der Buran von Rotterdam nach Speyer:
http://www.kosmologs.de/kosmo/blog/zwischen-himmel-und-erde/