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Sternzeit Autorenwettbewerb - 18. Platz - Das Keller-Interview

Eine Geschichte von Jürgen Hoffmann

13. Juli 2037: Der Kryobot arbeitete sich, indem er das Eis in seiner unmittelbaren Umgebung schmelzen ließ, durch eine mehrere Meter dicke Eisschicht und tauchte zum Grund der Wasserblase hinab. Dort erschien im Licht der Scheinwerfer ein torusförmiger Körper aus Uran, der das Wasser aufheizte. In der zentralen Öffnung des Uranringes war ein Metallgestänge in Form eines Tetraeders eingelassen, das mit der Spitze nach unten wies. Darin wiederum befanden sich zwei Halbkugeln, die durch den Wasserdruck gegeneinander gepresst wurden. Die Bergung des Metallgestänges gestaltete sich schwierig. Schließlich gelang es, das Gestänge samt Inhalt vom Torus zu lösen und auf die Erdoberfläche zu befördern. Nach der Entfernung des Metallgestänges klappten die beiden Halbkugeln auseinander und gaben einen etwa metergroßen Block aus Schaumstoff frei. Im Innern des Schaumstoffblocks befanden sich ein technisches Gerät und ein Behälter mit Datenträgern. Erste Analysen ergaben, dass es sich dabei um Filmsequenzen handelte. Sie stellten Aktivitäten dar, die Abgesandte einer außerirdischen Zivilisation im Sonnensystem unternommen hatten. Die Bilder gingen damals um die Welt. Es war DIE Entdeckung in der Geschichte der Menschheit. Den wenigsten dürfte jedoch bekannt gewesen sein, dass der Fundort bereits einige Jahrzehnte früher von Eugen Keller vorhergesagt worden war. Das folgende Interview, das kurz nach der Entdeckung der außerirdischen Botschaft mit ihm geführt wurde, gibt Auskunft über Kellers Überlegungen, die ihn auf die richtige Spur brachten.

Herr Keller, man hat vor kurzem einen unzweifelhaften Beweis dafür gefunden, dass Außerirdische das Sonnensystem besucht haben. Sie haben bereits vor über dreißig Jahren den Ort benannt, an dem man nun fündig geworden ist. Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen?

Angefangen hat alles, als ich in einem Stapel vergilbter Hefte der Zeitschrift "Astronomie und Raumfahrt" blätterte. In der Ausgabe 3/1989 fand sich ein Artikel von Erich Litzroth zur Struktur des Sonnensystems. Darin stand in Bezug auf die Eigenschaften der Satellitensysteme von Sonne, Jupiter, Saturn und Uranus unter anderem dies:

"In jedem System fällt zunächst eine massereiche, reguläre Hauptgruppe auf, in der 99% der Masse des betreffenden Satellitensystems konzentriert ist. Große Beachtung verdient die systematische Struktur der Hauptgruppen: Jede Hauptgruppe besteht aus vier Großkörpern, von denen sich je zwei in Größe und Substanz ähneln. Diese Zweipaarigkeit der Vierergruppen scheint im Saturnsystem nicht ganz zuzutreffen, denn Rhea und Titan weichen in Größe und Substanz erheblich voneinander ab und können nicht als gleichartige Partner bezeichnet werden. Beachten wir jedoch, dass in der regulären Abstandsanordnung zwischen Rhea und Titan eine Lücke existiert, so könnte sich an dieser Stelle einmal der "untreue" Partner "X" der Rhea befunden haben. Aber wo sollen wir ihn suchen? Betrachten wir die "Umgebung", so drängt sich die Vermutung auf, dass der irreguläre Iapetus der ehemalige Partner der Rhea gewesen sein kann, denn der "Steckbrief" über die Körpereigenschaften des Gesuchten trifft genau auf ihn zu. Dann muss aber der massereiche Titan früher einmal in seiner näheren Umgebung wie ein Zentralkörper gewirkt und den Iapetus in einem Swingby-Vorgang auf die irreguläre Außenbahn abgelenkt haben."

Für mich eröffneten sich daraus zwei grundlegende Ansätze zum Weiterdenken. Zum einen: es gibt reguläre Strukturen, die sich wiederholen. Damit lässt sich bestimmen, was als regulär zu gelten hat und was nicht. Und zum anderen: es gibt Abweichungen von der regulären Struktur, die sich durch weitere Prozesse erklären lassen. Damit ist die Geschichte der Strukturentwicklung zumindest teilweise rekonstruierbar. Ich begann daher, mich für die Struktur des Sonnensystems zu interessieren.

Sie sammelten nun selbst Daten und gelangten zu eigenen Schlussfolgerungen ?

Ja, genau. Angesichts der allgemein vorhandenen Übereinstimmungen in der Struktur der verschiedenen Mondsysteme verwunderte es mich, warum sich im Saturnsystem Abweichungen von dieser regulären Struktur häufen. Auf den Status Titans als Fremdling wies bereits Litzroth hin. Dass dabei Iapetus nach außen abgelenkt wurde, stellte für mich keine große Überraschung dar.

Aber da war noch mehr.

Ja. Die Präsenz von Titan und die Position von Iapetus sind dort bei weitem nicht die einzigen Abweichungen. Analog zu den Verhältnissen in den Systemen von Jupiter und Uranus müsste eigentlich Dione der innerste der regulären Hauptgruppenmonde im Saturnsystem sein. Diese Position nimmt heute jedoch Tethys ein. Also muss es in der Vergangenheit einen Bahntausch gegeben haben. Ein solcher Vorgang ist alle vier Jahre tatsächlich zu beobachten - allerdings bei den wesentlich kleineren Monden Janus und Epimetheus und wiederum im inneren Saturnsystem! Doch damit nicht genug - Tethys und Dione besitzen beide jeweils einen um 60 Grad vorauslaufenden und nachfolgenden Kleinstmond - und auch dies ist einmalig im gesamten Sonnensystem! Am meisten hat mich jedoch eine andere Merkwürdigkeit verblüfft, die alles Bisherige in den Schatten stellt.

Sie spielen auf die Umlaufresonanzen an?

Richtig. Umlaufresonanzen sind im Sonnensystem weit verbreitet und stellen eigentlich keine Besonderheit dar. Beispielsweise befinden sich die Jupitermonde Io und Europa in einer 2:1-Resonanz. Das heißt, während Europa einen Umlauf um Jupiter zurücklegt, schafft Io in derselben Zeit zwei. Dasselbe trifft auf den äußeren Nachbarmond der Europa zu: Wenn Europa zwei Umläufe vollbringt, schafft Ganymed einen Umlauf in derselben Zeit. Im inneren Saturnsystem liegen die Verhältnisse jedoch komplett anders. Zwar gibt es auch hier mehrere 2:1-Resonanzen, aber sie folgen nicht nacheinander, sondern sie überlappen sich. Die Abfolge der betreffenden Monde ist - von Saturn aus gezählt - diese:

 

2:1-Resonanzen bestehen zwischen Mimas und Tethys einerseits sowie zwischen Enceladus und Dione sowie dem schon erwähnten einmaligen Mondpaar Janus/Epimetheus andererseits. Auffallenderweise haben sich zwischen den benachbarten Monden keine Resonanzen ausgebildet. Im inneren Saturnsystem liegt somit - wiederum einzigartig im Sonnensystem! - der Fall eines in sich verschachtelten Komplexes von 1:2-Umlaufresonanzen vor.

Sie vermuteten daher, dass eine derartige Häufung von Merkwürdigkeiten kein Zufall sein kann?

Ja, ich begann mich zu fragen, ob die Struktur des Saturnsystems möglicherweise absichtlich manipuliert wurde. Und falls ja - zu welchem Zweck?

Und dann fiel Ihnen etwas ein ?

Zufällig las ich zu dieser Zeit Erich von Dänikens Buch "Meine Welt in Bildern". Eine Passage daraus regte mich zum Nachdenken an. Däniken schrieb gegen Ende darüber, wo man eine Botschaft an primitive Einwohner eines erdähnlichen Planeten deponieren könnte, damit sie über den stattgefundenen Besuch irdischer Raumfahrer informiert würden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man an einem "logisch-mathematischen Punkt" suchen muss, um eine Botschaft der "Astronautengötter" zu finden. Däniken benannte die Librationspunkte des Erde-Mond-Systems. Diese Idee wurde übrigens von dem NASA-Forscher Robert A. Freitas aufgegriffen, der daraufhin erfolglos nach eventuell dort geparkten außerirdischen Sonden suchte.

Mein Gedankengang war ein anderer: Außerirdischen Besuchern dürfte während der Zeit ihres Aufenthalts im Sonnensystem nicht entgangen sein, dass sich auf der Erde Lebewesen entwickelt haben. Von der Sonne aus gezählt, ist die Erde der dritte Planet. Für eine von außen eindringende Sonde ist die Erde der sechste Planet. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Saturn. Er ist von außen der dritte und von innen der sechste Planet. Das Ringsystem, das um ein Vielfaches komplexer als das aller anderen Gasplaneten ist, unterstreicht in Gestalt einer unübersehbaren Markierung den besonderen Status, den Saturn im Sonnensystem innehat. Um dort den Ort zu finden, an dem eine Botschaft hinterlassen wurde, wendet man das gleiche Abzählverfahren an, das den wechselseitigen Bezug von Erde und Saturn aufzeigt. Da Saturn über 60 Monde besitzt, ist es nötig, sich auf diejenigen zu beschränken, die annähernde Kugelform besitzen. Das sind - mit wachsender Entfernung von Saturn angeordnet - diese:

 

Enceladus befindet sich an zweiter Stelle von innen und an sechster Stelle von außen. Das umgekehrte Anordnungsverhältnis trifft auf Titan zu. Folglich verweist er als Zeichen auf Enceladus.

Damit hatten Sie den "logisch-mathematischen Punkt" gefunden ?

Zumindest war ich mir ziemlich sicher. Über Enceladus war zu dieser Zeit ja schon viel bekannt geworden. Die Cassini-Sonde passierte Enceladus im Jahr 2005 mehrere Male. Dabei entdeckte sie eine Wärmequelle, die sich genau unter dem Südpol befindet. Diese Wärmequelle heizt die gesamte Südpolarregion auf. Spuren ehemals weitergehender Aufschmelzvorgänge reichen bis fast in die Nordpolarregion. Aus der Südpolarregion entweichen aus Spalten Dampffontänen, die sich in der Umlaufbahn von Enceladus verteilen. Die Eispartikel bilden den E-Ring Saturns. Da die Intensität dieser Wärmequelle sich nicht ausschließlich auf Gezeitenwirkungen zurückführen lässt, muss sie stofflicher Natur sein. Am wahrscheinlichsten ist demnach eine lokal begrenzte Ansammlung radioaktiven Materials. Dies brachte mich auf die Idee, dass das radioaktive Material mit der vermuteten Botschaft der Besucher etwas zu tun haben könnte. Auch dies stellte sich - wie wir heute wissen - als richtig heraus.

Wie fühlen Sie sich jetzt, nachdem sich Ihre Vorhersage bestätigt hat?

Natürlich freue ich mich, dass die Suche erfolgreich verlaufen ist. Allerdings wäre die Botschaft wahrscheinlich auch ohne meine Vorhersage gefunden worden, da die Südpolarregion von Enceladus nach den Entdeckungen der Cassini-Mission ohnehin ein bevorzugtes Ziel anschließender Saturn-Missionen geworden ist. Insofern ist da kein Triumphgefühl meinerseits. Dass ich den späteren Fundort präzise vorhergesagt habe - allein aus der Struktur des inneren Saturnsystems heraus, ohne von den weiteren Besonderheiten wissen zu müssen, die Enceladus als geologisch aktiver Himmelskörper aufweist - erfüllt mich insofern auch ein wenig mit Verwunderung, weil die Lösung so simpel ist. Sie ist derart simpel, dass ich mich frage, wieso vor mir niemand sonst darauf gekommen ist.

Was vermuten Sie?

Eine Mischung aus Voreingenommenheit und Betriebsblindheit. Wenn sich ein professioneller Wissenschaftler auf Litzroth oder gar Däniken als Inspirationsquelle beruft, riskiert er seine Karriere. Der Wissenschaftsbetrieb ist so angefüllt mit Detailproblemen, dass der Blick über die Grenzen des eigenen Forschungsbereichs zunehmend schwerer fällt. Diese Art von "Betriebsblindheit" führt dazu, dass simple Lösungen übersehen werden - oftmals nur deshalb, weil sie simpel sind. Und wenn dann ein Außenseiter eine solche simple Lösung findet, die zudem noch plausibel erscheint, dann wird sie als "unwissenschaftlich" abgetan - besonders dann, wenn sich der bislang unbekannte Außenseiter auf weitere, mittlerweile verpönte Außenseiter des wissenschaftlichen Mainstreams beruft. So ist es dann für mich auch nachvollziehbar, warum meine Ideen nicht publiziert worden sind. Einig waren sich alle Zeitschriftenredakteure darin, mir zu bescheinigen, dass meine Beiträge nicht zum jeweiligen Leserprofil passen und deshalb nicht veröffentlicht werden können. Also beschloss ich, die Zeit für mich arbeiten zu lassen und einfach nur abzuwarten ?

Wie wir sehen, mit Erfolg. Herr Keller, ich bedanke mich für das Gespräch.

Bitte sehr. Gern geschehen.