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Ausdruck vom: Montag, der 18.03.2024

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Sternzeit Autorenwettbewerb - 17. Platz - Astronautenträume

Eine Geschichte von Jean-Luc Cornet

Nachdem wieder Ruhe in ihm eingekehrt war, sah er sich nochmals um. Der Halbmond wirbelte nicht mehr vor seinem Gesichtsfeld herum, was ihm beinahe den Verstand geraubt hatte. Nun sah er nur noch etwas nicht ganz so Pechschwarzes wie den Sternenhimmel auf der linken Helmseite. Schemenhaft waren die Unebenheiten des Erdtrabanten auf der von der Sonne abgewandten Seite zu erkennen. Er hatte seinen Helm von der beschienenen Seite abgekehrt.
Zunächst war er ganz ruhig, eher verblüfft gewesen, als er die Orion, immer kleiner werdend, sich von ihm entfernen sah. Als sie nur noch als Punkt zu sehen war, überflutete ihn ein Gefühl von Panik. Langsam fing er an, sich blindlings zu drehen. Am Anfang vollführte die Erde einen Walzer vor ihm. Doch mit zunehmender Panik veränderte sich sein Blickfeld und der Mond übernahm ihre Rolle mit einem hektischen Tanz. Irgendwann verlor er das Bewusstsein.

Sie waren auf dem Weg zurück zur Erde. Nach langer Zeit waren sie die ersten Menschen, die ihren Fuß auf den Satelliten ihrer Heimat gesetzt hatten. Die Mission war relativ kurz gewesen. Zwei Wochen waren zwar für sie viel länger gewesen als damals für die Apollo-Astronauten, doch ihre Arbeit hatte sie vollkommen eingenommen. Selten hatten sie die Zeit gehabt darüber nachzudenken, wo sie sich befanden. Viel später, auf dem Weg zur Erde, wurde ihnen klar, was sie erlebt hatten. Als dann auf halber Strecke die Triebwerke zur Kurskorrektur ausfielen, ging er hinaus, um den Fehler zu beheben. Fast hätte er den Defekt in Ordnung gebracht, doch als seine Sicherheitsleine sich verhedderte und er sie lösen musste, um ein Bypassventil zu erreichen, schwang die Leine zu ihm zurück und gab ihm den Impuls, der ihn von der Orion wegschleuderte.
Nun schwebte er hier zwischen den Sternen und betrachtete sie. Der erste Gedanke, der ihn überkam, war die letzte Vorlesung bei seinem alten Physik-Professor. Immer wieder hatte dieser allen Studenten die Faszination der Sternentstehung näherbringen wollen. Ganz begriffen hatte er es bis heute noch nicht. Obwohl der Professor sich sichtlich Mühe gab, es ihnen mit Händen und Füßen zu verdeutlichen. Diese Inbrunst, die er an den Tag legte ihnen zu erzählen, wie die Sterne die schwereren Elemente "erbrüteten", war immer mitreißend gewesen. Als er jetzt darüber nachdachte schien es ihm, als bekäme er dieses Verständnis dafür beinahe zu fassen. Doch schon war es wieder weg. Wie eine Sternschnuppe, die schon wieder in dem Augenblick verging, in dem man sie erblickte.

Seine Gedanken drifteten weiter ab. Die schwereren Elemente waren dafür verantwortlich, dass es überhaupt Planeten gab. Und diese wiederum waren der Nährboden für alles Leben. Inzwischen hatten die Astronomen viele andere Planetensysteme gefunden. Wo er jetzt von einem Stern zum anderen blickte, versuchte er sich vorzustellen, wie diese Planeten sich um sie drehten. Und es schien ihm, als wenn diese Sonnen ihm etwas mitteilen wollten. Kein Planetensystem war dem Sonnensystem auch nur im entferntesten ähnlich. Die Erde blieb eine Oase des Lebens in diesem riesigen Sternhaufen.
Er fühlte sich auf einmal wie eine Amöbe zwischen riesigen Elefanten. Wie sollte man den Sinn des eigenes Seins verstehen, wenn es einem unmöglich war, das ganze Universum zu überblicken?

Er hatte gern mit seinen Commander, Jason McDonald, darüber debattiert. Damals waren sie noch in der Vorbereitung zum Mondflug gewesen. Eines Abends hatten die vier Astronauten, die zum Mond fliegen sollten, in einer alten Bar gesessen und einen Korn nach den anderen hinuntergekippt. Es war ihr letzter Tag in "Freiheit" gewesen. Am nächsten Morgen würde ein achtmonatiges Abschlusstraining beginnen. Mit den drei anderen konnte er, was ihre Doktortitel anging, nicht konkurrieren. Er wollte als kleiner Junge einfach nur Pilot werden. Und dazu schien er wahrlich geboren zu sein. Schnell wurden seine Talente erkannt und gefördert. Es war nicht sein Arbeitseifer, der ihm den Weg ebnete, sondern es waren seine Vorgesetzten. Wenn ein Mensch wirklich Glück hatte im Leben, dann war er es. Schon immer schien ihm alles zuzufliegen. Und so kam es, dass er, bevor er es sich versah, in das Astronautenkorps berufen wurde. Die Kaltblütigkeit und Reflexe, die er am Steuerknüppel zeigte, suchten ihresgleichen.
Somit saß er mit den drei Professoren zusammen und versuchte, ihnen bei ihren Ausführungen zu folgen.

Tags zuvor hatten alle etliche Parabelflüge hinter sich gebracht, wo sie die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf ihren Körper erfahren hatten. Alle außer ihm mussten sich über kurz oder lang übergeben. Nun war man dazu übergegangen, sich einen positiven Sinn einfallen zu lassen, warum man vor einem solchen Flug so viel zu essen bekam. Er konnte innerlich nur mit dem Kopf schütteln. Er war ein einfacher Mensch und suchte nie nach Erklärungen.
Als er seine Ansicht den dreien mitteilte, entwickelte sich daraus ein Streitgespräch. Doch nicht zwischen ihm und den anderen, sondern zwischen den drei Akademikern. Alles lief auf den Sinn des Lebens hinaus. Doch nach und nach sah man sich zwei Gruppen bilden. Jason und er gegen die zwei reinen Wissenschaftler.
Natürlich kamen sie zu keinem Ergebnis; und jetzt, hier, ganz allein, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Warum war er hier? Ein Stein war hart, weil er aus sehr schweren Elementen bestand. Er war hier, weil es halt so war. Man konnte auch sagen, dass es sein Schicksal, seine Bestimmung, sein Karma war.
Und jetzt, da es ihm bewusst wurde, erweckte es die Neugier in ihm. War es das Ende seines Lebens? Eine Nachlässigkeit hatte ihn in diese Situation gebracht. Wo war sein Glück, dass ihm immer den Weg geebnet hatte, geblieben? Hatte er das Ende des Weges erreicht? War deswegen seine Glücksträhne zu Ende? Oder war es so, dass sein Glück ihn verlassen hatte, und deshalb alles vorbei war? Sollte er am Ende seines Lebens so extrem das Pech erfahren?

Ärger breitete sich nun in ihm aus.
Hat nicht jeder sein Schicksal in den eigenen Händen? Wann hatte er den sicheren Pfad verlassen? Ab wann war seine Bestimmung auf diese Einbahnstraße eingebogen? War es seine Liebe zur Fliegerei gewesen? Also schon als Kind? Kleine Winzigkeiten von Ereignissen hatten sein Leben in diese Bahn gebracht. Auf einmal sah er wieder seinen Physikprofessor vor sich.
"Das Universum hat einen ganz bestimmten Weg hinter sich. Und wenn sich nur irgendetwas noch so Kleines nur ein wenig anders entwickelt hätte, dann würde es uns Menschen nicht geben."
Also war alles vorbestimmt für dieses Universum, was seines war?
Das würde bedeuten, dass auch sein Tod hier draußen wichtig für die Zukunft war.
Lange blieb es jetzt ruhig im seinem Kopf. Er sah nur noch zu den Sternen. Wie lange dieser Zustand anhielt, wusste er nicht, doch irgendwann erblickte er einen bläulichen Schimmer am Rand seines Sichtfeldes. Wie lange er schon da war, entging ihm vollkommen. Erst als dieses Blau sichtbar größer wurde, wachte er aus seiner Lethargie auf.
Bald verdeckte es die Sterne und er fühlte sich in seiner Einsamkeit gestört. Aus der Mitte dieses Nebels schälte sich etwas heraus. Doch erst als diese Wolke ihn erreicht hatte, konnte er Konturen erkennen. Es war mit nichts vergleichbar, das er je gesehen hatte. Einerseits schien es nach hinten kein Ende zu finden, andererseits, wenn er den Kopf nur ein wenig drehte, verschwand dieser Eindruck und es entpuppte sich als eine zweidimensionale Form. Darin waren alle geometrischen Figuren, die man sich vorstellen konnte. Sie alle gingen ineinander über. Die Farbe veränderte sich je nach Blickwinkel, und nach und nach verschwand der blaue Nebel. Nun entschleierte sich eine fast durchsichtige Sphäre um das Gebilde herum. Die Kugel kam ihm immer näher. Als er meinte, sie mit der Hand berühren zu können und es tatsächlich versuchte, zersprang sie wie eine Seifenblase und zerstob in einem Funkenregen um ihn herum.

Bis gerade eben hatte er es hingenommen, als wäre es nur ein Traum. Doch die Funken hatte er durch den Anzug spüren können. Es war ein leichter Druck, der ihm nur auffiel, weil er ihn einzig auf der Vorderseite seines Raumanzuges wahrgenommen hatte. Als seine erste Verwirrung verflogen war und sich alles um ihn herum wieder normal darstellte, hörte er wie von weit entfernt, dass sein Name gerufen wurde. Er wollte sich umdrehen, doch aus irgendeinem Grund war dies nicht möglich.
"Hab keine Angst!"
Das konnte kein Traum sein, dachte er sogleich. Er empfand absolut keine Angst. Das war ihm hundertprozentig bewusst. Und das passte nun überhaupt nicht in diese merkwürdige Situation. Soweit er konnte, sah er sich um. Nichts! Außer den weit entfernten Sternen.

"Na! Wie fühlst du dich?"
Wieder diese Stimme. Warum auch immer, aber er wusste genau, dass er sie noch niemals zuvor gehört hatte.
"Bitte?" brachte er zaghaft heraus.
"Wie fühlst du dich?" fragte die Stimme wieder ohne auch nur den Ansatz von Ungeduld.
Er überlegte kurz. Eigentlich hatte er noch nicht darauf geachtet. Jetzt fiel ihm lediglich auf, dass er Schmerzen jeglicher Art nicht spüren konnte.
"Ich glaube, es geht mir gut!" antwortete er zögernd.
Ein lautes Lachen schallte auf ihn hernieder.
"Was soll das Gelächter? Und wo bist du überhaupt?" Ein Gedanke überkam ihn. "J. C.? Bist du das?... Holt mich doch bitte wieder an Bord. Meine Sauerstoffanzeige scheint defekt zu sein, und ich weiß nicht, wie lange ich noch habe, bis mir die Puste ausgeht."

Das Lachen ging so schnell wie es gekommen war.
"Ich bin nicht J. C.!"
Irgendetwas sagte ihm, dass es sich tatsächlich so verhielt. Er atmete tief ein.
"Also gut! Wer bist du und wieso sehe ich dich nicht?"
Wieder ein kurzes Lachen.
"Wer ich bin, tut nichts zur Sache. Schön, dass du noch nicht den Verstand verloren hast. Ich bin auf einer Ebene, die dir verborgen bleibt."
"Wie soll ich das verstehen? Bist du Gott? Oder einer seiner Handlanger?"
"Nein, nein! Obwohl? Wenn ich es mir überlege? Vielleicht bin ich es ja wirklich."
"Na klasse! Ist der letzte, mit dem ich mich unterhalte, ein Irrer? Oder haben mich schon alle sieben Sinne verlassen?"
Wieder dieses Lachen.
"Nein, ich bin sicherlich nicht irre, und du auch nicht verwirrt. Ganz bestimmt sogar", sagte die Stimme aus dem Nichts.
"Und was soll das hier werden?"
"Ich wollte dir nur ein bisschen Gesellschaft leisten. Aber wenn du nicht willst, kann ich auch wieder gehen."
"Nein! Ist schon gut. Du sagtest, du kämest aus einer anderen Ebene. Wie meinst du das?"
"Na ja! Eigentlich bin ich da immer noch. Das ist der Grund dafür, dass du mich nicht siehst. Mal sehen. Wie kann ich es dir verdeutlichen? Also? Das Universum ist nicht wie du es dir vorstellst."
"Jetzt holst du aber weit aus! Und woher weißt du, wie ich es mir vorstelle?"
"Immer mit der Ruhe! Das will ich dir ja erklären. Aber unter uns: Du hast noch nie wirklich darüber nachgedacht."
"Das kann ich so nicht stehen lassen! Gerade unser Physik-Professor hat mit uns viel darüber philosophiert."
"Papperlapapp! Natürlich hat er es. Aber verstanden hast du nichts davon. Na ja! Jedenfalls nicht das Wichtigste." Die Stimme klang zum ersten Mal leicht verärgert.
"Okay! Dann erklär es mir jetzt!"

Nach kurzem Zögern setzte die fremde Stimme ihre Ausführungen fort.
"Das Universum ist etwa so wie ein Buch."
Jetzt musste auch er laut lachen, wurde aber gleich wieder zur Raison gebracht:
"Erdling! Daran ist nun echt nichts Witziges."
"Entschuldige! Also ein Buch, ja!"
"Es ist nur eine Metapher. Ich halte nun dieses Buch in meinen Händen. Es hat einen Anfang: Physikalisch der Big-Bang. Und es hat ein Ende?"
"Moment mal! Wenn ich mich nicht irre, dann strebt das Universum auseinander. Und zwar bis zur Unendlichkeit."
"Nun, von dir aus scheint es so. Aber alles hat mal ein Ende. Es gibt eine Konstante, die alles im Universum zum Stillstand bringt. Wenn eines Tages alles erkaltet, sich dem absoluten Temperaturnullpunkt nähert, dann bleibt sogar die Zeit stehen."
"Wie bitte?" fragte der Pilot verblüfft.

"Warte mal! Kennst du dich mit Quanten-Physik aus?"
"Nicht wirklich!"
"Na gut! Vergiss es! Und somit sind wir wieder beim Buch. Es ist für mich immer gleich. Ich nehme es und blättere darin herum? Es hat so extrem viele Einzelheiten, dass es dir unendlich vorkommen würde. Falls du es lesen wolltest! Wo war ich gerade?"
"Du blätterst darin herum, hast du gesagt."
"Genau so ist es. Du bist Bestandteil dieses Buches. Und ich habe deine Seite aufgeschlagen."
"Moment mal! Lass mich nachdenken? Heißt das, dass die Zukunft wirklich schon geschrieben steht? Meine Zukunft auch?"
"Genau!"
"Aber ich kann sie doch ändern?"
"Ich meinte es ernst, als ich sagte, dass du ein Teil des Buches bist."
"Wie ist das zu verstehen? Ein Teil des Buches!"
"Genau so? Hast du schon mal gesehen, dass ein Buchstabe etwas an der nächsten Seite ändern kann? Oder an sich?"
"Moment! Ich kann doch entscheiden, welchen Weg ich einschlage. Ich meine, es ist doch nicht vorhersehbar, wie ich mich entscheide. Zum Beispiel könnte ich meinen Helm jetzt öffnen und einfach sofort sterben, oder warten, bis mir die Luft ausgeht."
"Ja! Das könntest du. Doch dein Entschluss steht hier schon fest. Zeit spielt für das Buch keine Rolle. Sie ist Bestandteil des Buches."

"Das wird mir langsam zu viel. Woher weiß ich überhaupt, dass es dich wirklich gibt? Vielleicht bist du nur ein Traum?"
Für ein paar Sekunden kam keine Antwort, und er glaubte schon, dieses Gespräch wäre tatsächlich das Ergebnis seiner Einbildung.
"Ob ich ein Traum bin oder nicht, ist irrelevant. Ich leiste dir nur Gesellschaft."
"Dann hat alles, was ich sage und denke, nicht viel Bedeutung!"
"Warum müsst ihr Menschen immer nach einem Sinn suchen? Stell dir vor, ich würde nach dem suchen, der mich erschaffen hat. Irgendwann würde ich mir, genau wie ihr, ein Wesen vorstellen, das über mir steht. Und stell dir vor, ich würde, genau wie du jetzt, mit ihm ins Zwiegespräch kommen."
"Okay! Okay! Ich weiß, worauf du hinaus willst. Das würde sich ins Unendliche fortsetzen. So als ob es zwei Spiegel geben würde die einander gegenüber stehen, und man sich x-mal darin spiegelt."
"Und?" fragte die Stimme aus der Leere. "Ergibt das für dich einen Sinn?"
"Ich weiß nicht?"
"Gut! Nun könnte es doch auch sein, dass das Wesen, das mich erschuf, nicht mehr am Leben ist. Wie wenn ein, sagen wir mal, Erfinder ein künstliches Wesen baut, programmiert und daraufhin stirbt. Dann würde der Sinn des eigenen Seins mit dem geistlichen Vater sterben. Was für eine Tragik."

Lange blieb er jetzt ruhig. Dieses Gespräch entwickelte sich langsam zum Albtraum, und er wollte da nur noch raus. Aber wie sollte er es anstellen? Am besten, dachte er, ließ er seine schönen Erinnerungen Revue passieren. Da war mal ein Mädchen gewesen. Ihr Name war ihm in Vergessenheit geraten. Doch wie sie nachts zusammen im Bett gelandet waren, und sie auf ihm saß, sich mit beiden Händen die langen blonden Haare aus dem Gesicht schob? Das hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Im Halbdunkel war es ein perfekter Augenblick gewesen.

"Ja, du hast recht!" meldete sich die Stimme wieder. "Aber hast du nicht mehr drauf, als dich mit solchen Belanglosigkeiten aufzuhalten? Stell dir vor: Es sind deine letzten Atemzüge, die du vollführst. Gib deinem Leben noch mal einen richtigen Kick."
Jetzt reichte es ihm. Was sollte das alles? Einen Moment lang wollte er schon den Helm öffnen, doch irgendetwas hielt ihn dann doch zurück.
"Das ist dein Instinkt!" sagte die Stimme. "Aber vielleicht auch nicht."
Er war perplex.
"Lass mich kurz überlegen!" sagte er.
Zu seinem Erstaunen blieb es ruhig. Die Einsamkeit des Weltalls schien wieder nach ihm zu greifen. Erstaunlicherweise musste er gar nicht lange nachdenken. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und die Stimme hallte in seinem Kopf:
"Na siehst du! Du kannst es doch. Ich wusste, dass du mich nicht enttäuschen würdest."
"Ein bisschen Hilfe könnte ich dabei allerdings schon gebrauchen!"

J. C. hatte den Antrieb wieder instand gesetzt. Der Commander überwachte die ganze Zeit über das Radargerät. In den letzten zwei Stunden war der kleine Punkt auf dem Schirm kaum noch zu erkennen gewesen. Die Zeit lief ihnen davon. Selbst bei der optimistischsten Einschätzung würden sie es wohl nicht mehr schaffen, ihren Piloten lebend wiederzusehen.
"Jason? Ich bin wieder drin! Jim kann die Triebwerke hochfahren."
Jim schaute zum Commander hinüber und als dieser ihm seine Zustimmung zunickte, startete er den Rettungseinsatz. Aufgrund der Computerberechnungen war klar, dass sie nur noch höchstens ein paar Minuten hatten, ihren Kameraden zu retten. Doch normalerweise dauerte ein solches Manöver, wie sie es vorhatten, mindestens eine Dreiviertelstunde.
Die Orion begann sich dem Echo-Punkt auf dem Radarschirm wieder zu nähern.
"Thomes! Orion I hier! Kannst du uns hören?" versuchte es Jason zum tausendsten Mal. Seine Stimme hatte an Kraft verloren. Er glaubte nicht an Wunder. Doch was er dann vernahm, ließ ihn so sehr zusammenzucken, dass er sich den Kopf an der über ihm liegenden Konsole stieß.
"Orion I! Ich warte hier schon ewig auf mein Taxi. Wenn ihr nicht bald auftaucht, beschwere ich mich bei der Verwaltung über eure Lahmarschigkeit."
Jim und der Commander sahen einander verwirrt an. In den vierzehn Stunden seit dem Unfall hatten sie kein noch so kleines Geräusch vernommen. Bevor einer von ihnen überhaupt etwas erwidern konnte, kam Thomes' Stimme wieder aus dem Lautsprecher.
"Schon gut! Ich weiß, dass ihr euer Bestes gegeben habt, aber das war nicht gut genug."
"Äh? Thomes? Bist du es wirklich?" fragte Jim, der sich wieder gefasst hatte. Die Anspannung der letzten Stunden schien mit einem Mal wie weggeblasen.
Einen Moment lang war nichts zu hören, doch als er noch mal ansetzen wollte, erklang die Stimme des Piloten wieder.
"Jungs! Ihr werdet mir nicht glauben, aber ich hatte eine merkwürdige Begegnung."

Sie holten ihn in Rekordzeit wieder an Bord und die ganze Zeit über erzählte der Pilot ihnen makabre Witze. Als sie ihm dann endlich den Raumhelm abnahmen, sahen sie einander verwirrt an. Es war wie ein Hieb in die Magengrube. Seine Augen waren stumpf und jeder erkannte sofort, dass alle Mühe umsonst gewesen war.
"Aber wir haben doch gerade noch mit ihm geredet!" stieß Jim hervor.
Bedrückt und voller Zweifel über das Erlebte der letzten Stunden machten sie sich auf den Heimweg. Nach der Überprüfung der Raumanzugssysteme fanden sie heraus, dass der Pilot schon vor Stunden tot gewesen sein musste. Keiner hatte eine Erklärung für die Vorfälle. Als dann später auf der Erde alles nochmals überprüft wurde, bestätigte sich alles nur. Die Aufnahmen der Kommunikation zwischen der Orion und dem zu diesem Zeitpunkt schon toten Piloten waren tatsächlich vorhanden. Sie hatten es sich nicht eingebildet. Die medizinischen Tests ergaben keine weitere Aufklärung. Es wurde lange nach einer Erklärung gesucht, doch selbst nach Jahren fand man keinen noch so weit hergeholten Grund für dieses Mysterium.

Zehn Jahre später traf sich die alte Crew abends in einer Bar, um auf ihren Kameraden anzustoßen. Allesamt waren sie nie wieder im All gewesen. Obwohl ihnen keine Schuld nachgewiesen werden konnte, wurden sie ausgemustert. Alle hatten ihr Auskommen. Sie bekamen eine gute Pension, doch sie waren auch bis dato die einzigen, die mit einem Toten zur Erde zurückgekehrt waren. Das nagte an ihnen und früher oder später waren sie alle dem Alkohol verfallen. Jetzt, nachdem sie lange stumm dagesessen hatten, schauten sie, wie durch Zufall, alle zugleich zum Fenster hinaus. Die Sterne funkelten besonders hell und unterhalb des Mondes schien sich etwas zu tun. Erstaunt sahen sie einander an, und nach einem gemeinsamen Kopfnicken verließen sie das Lokal. Sie liefen zum Strand hinunter und sahen einen bläulichen Schimmer am Himmel. Der Strand war heute sehr belebt. Eine Abitur-Klasse feierte mit einem kleinen Lagerfeuer das Ende ihrer Schulzeit. Und einige Pärchen liefen am Wasser entlang. Doch keiner schien sich im Entferntesten für das immer größer erscheinende Licht zu interessieren. Wie lange die alten Astronauten da standen, wussten sie später nicht mehr. Doch zu guter Letzt hatte sich das Phänomen ihnen bis auf ein paar Meter genähert, und ein menschliches Gesicht lächelte sie an.

"Ihr müsst nicht Trübsal blasen. Es ist alles gut. Es war nur ein letzter Scherz von mir. Leider hab' ich keinen Einfluss auf die Dinge, die da noch kommen. Aber ihr müsst wissen: Ich hatte noch einen Traum. Einen, den nur ich haben konnte! Lebt wohl und in Frieden."

Genau in diesem Augenblick durchschritt ein junges Pärchen das Gesicht, und es löste sich auf. Beide lachten und es war sofort klar, dass sie nichts von dem Piloten gesehen hatten.
Die drei Männer sahen sich an und ahnten, dass die Nachricht nur für sie bestimmt war. Sie gingen wortlos wieder ins Lokal und bestellten vier Bier. Der Wirt sah sie stirnrunzelnd an. Doch J. C. wiederholte die Bestellung vom ehemaligen Commander. Als sie dann angestoßen und einen Schluck getrunken hatten, fühlten sie sich wie von einer schweren Last befreit. Nun mussten sie alle lachen. Und erst als die anderen Gäste anfingen, ihnen böse Blicke zuzuwerfen, beruhigten sie sich.

"Was meint ihr? Welchen Traum kann er denn gehabt haben?" fragte Jim.
J. C. grinste ihn an: "Na, was glaubst du denn?"
"Nein!" erwiderte der Commander ernst. "Es kann nur der Traum eines Astronauten gewesen sein."