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Entfernungen der Planeten mit begrenzten Möglichkeiten ermitteln

Einfache Näherungen, auszuführen im Liegstuhl, am Caféhaustisch oder auf der Sonnenwiese. Eine Arbeit von H., I. und M. Wulf - Juni 2012.

Die Entfernung Sonne – Venus

Voraussetzungen:

Wir wollen annehmen, wir hätten nur begrenzte Möglichkeiten der Beobachtung zur Verfügung, lebten lange vor Kopernikus, Brahe, Kepler und Galilei. Was könnten wir tun, um eine Vorstellung von der Entfernung der Planeten zu gewinnen?

Die Erde bewegt sich um die Sonne. Diese Idee kam bereits in der Antike auf. (Aristarch von Samos 1) ); Dies aus Beobachtungen sicher abzuleiten, war danach lange strittig. Erst Kopernikus nahm diesen Gedanken als zentrales Element seiner Astronomie auf. Wir hängen uns da einmal an und teilen diese Meinung, sonst kommen wir hier nicht weiter.

Die anderen Planeten bewegen sich dann ebenfalls um die Sonne.

Die Venus entfernt sich auf ihrer scheinbaren Bahn immer nur ein gewisses Stück von der Sonne. Die Erde steht nie zwischen Venus und Sonne. Deshalb kann man vermuten, dass die Venus sich auf einer kleineren Bahn als die Erde bewegt.

Der Mars steht der Sonne manchmal gegenüber, so dass die Erde genau dazwischen steht. Also ist die Marsbahn größer als die Erdbahn.
Die Entfernung Erde – Sonne wurde in „Pi mal Daumen - Erde, Mond & Sonne“ untersucht. Grundlage waren die Schattengrößen bei Sonnen- und Mondfinsternis.

Angenommen, der scheinbare Sonnendurchmesser wäre mit etwa 0,53° genau genug zu bestimmen und man würde für den maximalen Abstand der Venus von der Sonne 45 - 47° 2) feststellen. Dann kann man sagen, der maximale Abstand rV Venus – Sonne beträgt

rV  = 47° / 0,53° * Sonnendurchmesser.
rV  = 88,67 * Sonnendurchmesser.

Der Sonnendurchmesser sei bekannt („Pi mal Daumen - Erde, Mond & Sonne“) und wird hier mit dem modernen Wert von dSonne ~ 1,39 Mio Km 2) angenommen. Dann ergibt sich die Entfernung Venus – Sonne näherungsweise zu

rV  = 88,67 * 1,39 Mio Km
rV  = 123,25 Mio Km.

 

Das war einfach. Nun „wissen“ wir aber, daß die Entfernung der Venus von der Sonne eher 108,16 Mio Km 3) beträgt. Eine Differenz von rund 15 Mio Km sind hier mehr als 10%.

Da sieht unser Ergebnis doch ziemlich falsch aus. Es ist auch gewiß kein Rundungsfehler – eher schon ein Denkfehler. Aber woran liegt´s?

Die große Abweichung der beiden Werte kommt daher, dass die Punkte der Strecke Sonne – Venus verschiedene Entfernungen vom Beobachter auf der Erde haben. Deshalb würde auch die Sonnenscheibe an jedem Punkt auf dieser Strecke eine andere scheinbare Größe haben.

siehe Abbildung 1: kleiner werdende Sonnenscheiben bei wachsendem Beobachterabstand, nicht maßstäblich und ein wenig übertrieben (Quelle Sonnenbild: wikipedia)

Die Vorstellung, die Entfernung Sonne – Venus gedanklich mit gleich großen Sonnenscheiben zu füllen und diese dann zu zählen, ist also zu schwach.

Um die Entfernung Sonne – Venus genauer zu bestimmen, verwenden wir den Sinus.

siehe Abbildung 2: Die Positionen von Erde (E), Sonne (S) und Venus (V) zum Zeitpunkt der größten Elongation

Der Winkel VES beträgt ca. 47°. Die Länge der Strecke ES (Entfernung Erde – Sonne) beträgt ca. 149,6 Mio Km. VS sei die Entfernung Venus – Sonne.

VS = sin (VES) * ES
VS = sin (47°) * 149,6 Mio Km
VS = 109,4 Mio Km.

Schon besser. Damit können wir für den Anfang leben. Wir holen uns ein Eis aus dem Kühlschrank, legen uns wieder in die Sonne und tippen die Sache auf dem Taschenrechner schnell noch für 46° durch. Dabei stellen wir uns kurz vor, wieviel Mühe diese kleine Sache ohne Taschenrechner oder auch nur eine Sinustabelle machen würde – also irgendwann im Mittelalter.

Nun, da wir schon dabei sind, wiederholen wir die Übung noch für den Merkur. Dieser hat eine Elongation von 28° 3b). Da ergibt sich für die Entfernung Merkur – Sonne EMerkur dementsprechend

EMerkur = sin (28°) * 149,6 Mio Km
EMerkur = 70,23 Mio Km

Das entspricht etwa der in 3b) genannten maximalen Entfernung Sonne – Merkur von 0,467AE (69,8 Mio Km). Während wir die Sonnenbrille zurechtrücken, denken wir kurz daran, was es bedeutet, auch nur die Elongationen von Merkur und Venus sorgfältig zu untersuchen und nehmen uns in einer kurzen Aufwallung wissenschaftlichen Eifers vor, selbst einmal eine Meßreihe zu diesem Thema zu versuchen.

Die Entfernung Sonne – Mars, Schritt für Schritt

Um die Entfernung zum Mars zu ermitteln, stellen wir uns folgendes vor: Im Falle der Opposition befinden sich Sonne, Erde und Mars auf einer Linie (Abbildung: Strecke SMO). Die Bahnen von Mars und Erde denken wir uns als Kreise. Wenn die Opposition „bei 12 Uhr“ stattfindet, wird die Erde auf ihrem Weg im Uhrzeigersinn nach einem Vierteljahr um 90° weitergekommen und „bei 3 Uhr“ sein: also in Punkt E.

siehe Abbildung 3: Skizze zum Lösungsansatz zur Bestimmung der Entfernung Sonne – Mars.

In derselben Zeitspanne (Vierteljahr) bewegt sich der Mars, der eine größere Entfernung und Umlaufzeit hat, um einen Winkel weiter, der kleiner als derjenige ist, den die Erde in einem Vierteljahr überstreicht.

Der Winkel, den Mars schafft, kann man so bestimmen: Die Umlaufzeit des Mars beträgt UMars = 687 Tage. Die Umlaufzeit des Mars verhält sich zum Volkreis von 360° so wie ein Vierteljahr der Erde (91,25 Tage) zu einem Winkel x.

687 Tage / 360° = 91,25 Tage / x
x = 360° * 91,25 Tage / 687 Tage
x = 47,82°
x = MOSM

Der Winkel MSE beträgt 90° - MOSM.

MSE = 90° - 47,82°,
MSE = 42,18°.

Wenn man die Äquatorialkoordinaten des Mars zum Zeitpunkt der Opposition und für den Zeitpunkt ein Vierteljahr später ermittelt, kann man die Differenz ermitteln, um die sich der Mars von der Oppositionsrichtung aus weiterbewegt hat. Das ist der Winkel XEM.

Beispiel:
Rektaszension des Mars:
3.3.2012, 21:10 Uhr (Opposition); RA 11h 6m 20s 5)
3.6.2012; 3:10 Uhr (ein Vierteljahr später); RA 11h 8m 30s 5)

Rechnet man die RA-Daten in Sekunden um, bekommt man 39980“ und 40110“ für die beiden Zeitpunkte. Die Differenz von 130“ entspricht einem Winkel von etwa

XEM = 0,036°.

Der Mars kommt auch auf seiner scheinbaren Bahn in einem Vierteljahr nicht nur um einen so kleinen Winkel voran. Der geringe Abstand der beiden Positionen liegt daran, dass der Mars ein Vierteljahr nach der Opposition wegen der Schleifenbewegung fast wieder die gleiche Rektaszension erreicht hat.

Die Größe des Winkels SEM ergibt sich mit SEM = 90° + XEM.

Die 90° ergeben sich daraus, dass XE parallel zu MOS ist. Die Oppositionslinie wurde nach E verschoben. SEM = 90,036°

Dort, wo sich SM und EM entsprechend der genannten Winkel treffen, liegt der Punkt M. Durch M verläuft die Marsbahn, SM zeigt die Entfernung zur Sonne. Wer mag, kann dies auch gern mit Zirkel und Lineal ausführen.

Die Zahlen dazu:
Winkel MSE [°]: 42,18; sin MSE: 0,67150601
XEM[°]: 0,036
Winkel SEM [°]: 90,036; sin SEM: 0,9999998
SME (180- SEM + MSE) [°]: 47,78

Nun kennen wir alle Winkel des Dreiecks SEM und die Länge der Seite SE (Entfernung Erde – Sonne) dieses Dreiecks. In einem Schultafelwerk 6) (und vielen anderen Büchern) wird folgende Beziehung zur Dreiecksberechnung unter der Bezeichnung „Sinussatz“ angeführt.

a / sin a = α / sin β;         b / sin β = c / sin γ

Damit kann die Länge der Seite SM bestimmt werden.

b / sin β = c / sin γ
entspricht im Ansatz oben
SM / sin SEM = SE / sin SME

für SE = 1 (Entfernung Erde – Sonne = 1 Astronomische Einheit) erhalten wir

SM = sin SEM * SE / sin SME
SM = 0,9999998 / 0,67150601
SM = 1,48918965

Mit der Entfernung Erde – Sonne (SE) von 149,6 Mio Km
ergibt sich die Entfernung Sonne – Mars SM

SM = 1,48918965 * 149,6 Mio Km
SM = 222,78 Mio Km.

Das mag als Näherung so durchgehen. Und jetzt gehen wir in den Schatten, zuviel Sonne ist auch nicht gut. Dabei denken wir daran, dass man mit diesem Ansatz auch die Entfernungen von Jupiter und Saturn zur Sonne abschätzen kann. Wollte man diese Berechnung über einen langen Zeitraum viele Male wiederholen, würde man vielleicht bemerken, dass die Planetenbahnen keine Kreisbahnen sind, wie wir vereinfachend annahmen. Das sollte auch dann auffallen, wenn man versucht, die Planetenpositionen auf diese Weise vorherzusagen. Wie auch immer, jede unserer kleinen Schätzungen steht und fällt mit Daten, die aus vielen sorgfältigen Beobachtungen gewonnen werden. Mit dem Teleskop beobachten, staunen und vielleicht fotografieren sind wunderbare Dinge. Richtig spannend wird es jedoch, wenn wir anfangen zu messen...

Quellen:

1) de.wikipedia.org/wiki/Heliozentrisches_Weltbild
2) Brockhaus ABC Astronomie, Leipzig 1976, ebenso hier: de.wikipedia.org/wiki/Elongation_(Astronomie) und
en.wikipedia.org/wiki/Elongation_(astronomy)
3) de.wikipedia.org/wiki/Venus_(Planet)
3b) de.wikipedia.org/wiki/Merkur_(Planet)
4) de.wikipedia.org/wiki/Mars_(Planet)
5) Daten wurden ermittelt mit der freien Astronomie-Software stellarium (stellarium.org)
6) Tabellen und Formeln, Dresden 1973, S. 32
Zeichnungen Venus & Mars: Marion Wulf

Feedback gerne an: artifex.nord@gmx.de

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