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Starhopping

von Klaus Veit

Seit ein paar Jahren kommen Sky-Computer immer mehr in Mode. Fragt man den stolzen Besitzer eines solchen Geräts nach NGC 0815, so tippt er einfach schnell ein paar Zahlen in die rot beleuchtete Tastatur und sein Schmidt-Cassegrain-Teleskop meist überseeischer Herkunft fährt leise surrend zu dem Objekt. - Ja, wo ist es denn nun? Vielleicht doch lieber den Sternatlas holen ...

Damit es Ihnen nicht so geht wie dem genervten Computerfreund, möchte ich an dieser Stelle zuallererst von diesem digitalen Aufsuchknechten abraten. Anschließend möchte ich eine Einführung in eine alternative Technik geben: Das "Starhopping". Schließlich soll an einem praktischen Beispiel das Aufsuchen eines Objekts durchgegangen werden.

Warum Starhopping?

Starhopping bedeutet, dass man beim Aufsuchen eines Objekts sozusagen von Stern zu Stern hüpft. Ein wünschenswerter Nebeneffekt dieser Vorgehensweise ist, dass der Beobachter dabei den Himmel mit der Zeit immer besser kennenlernt. Das kann dazu führen, dass er schliesslich viele Objekte ganz ohne Karte einzustellen vermag. Es werden allmählich immer weniger Hilfsmittel zur Beobachtung benötigt, wodurch der Beobachter "Deep-Sky" noch unmittelbar erleben kann.

Andererseits kann es sehr spannend sein, am Himmel wie auf einer Landkarte zu navigieren. Eine gewisse Befriedigung kommt beim Beobachter auf, wenn er das gesuchte Objekt im Okular eindeutig identifiziert hat. Ist im Okular nichts an der Stelle zu sehen, wie soll unser Computerfreund dann eigentlich das Objekt richtig identifizieren?

Der Starhopper hat es hier bedeutend leichter. Durch die genau Kenntnis der Lage des Objekts weiss er ganz genau, wo er zu suchen hat. Dadurch kann er gezielt Techniken wie das indirekte Sehen einsetzen, um sich über die Sichtbarkeit des Objekts Gewissheit zu verschaffen.

Voraussetzungen für effektives Starhopping

Das verwendete Teleskop sollte über eine geeignete Peilvorrichtung verfügen, womit ein Stern im Sucher eingestellt werden kann. Oft reicht, gerade bei Refraktoren, der lange Tubus völlig aus. Kurze Tuben sind eher schlecht zum genauen Anpeilen eines Objekts, zur Not kann man über den Sucher selbst peilen. Für überflüssig halte ich hingegen Hilfsmittel wie Telrad o.ä., die eine Peilmarke an den Himmel projizieren. Für das gleiche Geld bekommt man schon einen 8x50 Sucher, wohl eine sinnvollere Investition.

Das Sucherfernrohr sollte mindestens 40 mm Öffnung haben und über ein Gesichtsfeld von etwa 5° verfügen bei einer Vergösserung von höchstens 10fach. Bei zu kleinem Feld verliert man leicht den Überblick, zu grosse Felder erschweren das Zentrieren des Objekts beim Übergang auf das Hauptrohr. Ein beleuchtetes Fadenkreuz ist gut, aber nicht nötig. Oft stören die hellen Fäden die Adaption.

Wichtig ist ferner die genaue Justage des Suchers. Man kann dies bei Tage durchführen, sollte aber darauf achten, dass man ein Objekt aussucht, welches genügend weit entfernt ist (einige km). Zu nahe Objekte führen zu einer Fehljustage, hervorgerufen durch die Parallaxe zwischen Haupt- und Sucherfernrohr, so dass der Sucher am Himmel dann immer etwas verstellt ist.

Schliesslich benötigt man einen geeigneten Sternatlas, sowie vielleicht ein Computerprogramm, das Aufsuchkarten basierend auf dem Guide Star Catalogue (GSC, Sterne bis etwa 14-15m) in Form eines Computerausdrucks produzieren kann, sowie eine rote schwache Taschenlampe zum Kartenlesen.

Als Sternatlas möchte ich ausschliesslich die Uranometria 2000.0 (1) von Will Tirion empfehlen. Mit Sternen bis 9m,5 und vielen eingezeichneten Deep-Sky-Objekten ist er zusammen mit einem GSC-Computerprogramm ideal zum Aufsuchen auch schwächster Deep-Sky-Objekte. Ich gehe bei folgendem Beispiel von der Verwendung dieser Hilfsmittel aus, die GSC-Karten wurden mit dem Programm "Megastar" erstellt.

Starhopping am Beispiel von NGC 6894

Beginnen wir mit dem blossen Auge: Abb.1 ist der Uranometria-Übersichtskarte im Bereich des Sternbildes Cygnus nachempfunden. Grundsätzlich sollte der angehende Starhopper mit den wichtigsten Sternbildern des Himmels vertraut sein. Das Ziel ist der Stern 39 Cyg, den wir ausgehend von Deneb über Gamma und Epsilon Cyg erreichen.39 Cyg wird im Sucher eingestellt. Es sollte immer versucht werden, möglichst lange mit dem grösstmöglichen Gesichtsfeld zu arbeiten. In diesem Fall wäre es viel komplizierter, wenn wir z.B. nur bis Gamma oder Epsilon Cyg mit dem blossen Augen gingen, da dann im Sucher eine längere Strecke zurückgelegt werden müsste.

Abb. 2 vermittelt einen Eindruck, welcher der Karte 119 der Uranometria nachempfunden ist. Im Sucher müssen nun die Sterne des Feldes a identifiziert werden. Der helle weite Doppelstern im südlichen Bereich von a gibt die Richtung an, in die wir uns weiterbewegen.Die Strecke zwischen 39 Cyg und diesem Doppelstern kann uns als "Entfernungsmesser" dienen. Durch 3,5maliges Verlängern ausgehend von 39 Cyg kommt man zu dem weiten Sternpaar 23 Vul und 21 Vul, die sich in Feld b befinden.

Von diesen beiden Sternen tastet man sich weiter zu Feld c, das von einer Kette aus vier hellen Sternen diagonal durchzogen wird. Zum sicheren Identifizieren dieser Kette dient die aus der karte ersichtliche Tatsache, dass die Strecke 23 Vul - 21 Vul und diese Kette etwa in einem Winkel von 45° zueinander stehen. Der gestrichelt eingerahmte Bereich zeigt den Ausschnitt, der in Abb. 3 dargestellt ist. Es handelt sich um einen Ausdruck des Computerprogramms "Megastar" (2) der alle Sterne aus dem GSC in diesem Feld zeigt.Damit sind in Abb. 3 also etwa alle Sterne dargestellt, die mit einem 8"Teleskop beobachtet werden können.

Der Übergang auf die computergenerierte Karte sollte am besten über ein markantes Sternmuster erfolgen. Vierecke sind besser als Dreiecke, da sie leichter eindeutig identifiziert werden können.

Wir zentrieren das mit dem Pfeil markierte Viereck im Sucher und verwenden zum ersten Mal das Hauptgerät. Haben wir das Muster in Feld A von Abb. 3 im Okular identifiziert, so kann gleich auf die GSC-Karte übergegangen werden.

Wichtig ist hier, dass man sich nicht von den vielen schwachen Sternen der Karte verwirren lässt, sonder sich bei kleinst möglicher Vergrösserung an den hellsten Sternen orientiert. Man kann zwar bei Ausdruck der Karte auf die schwächsten Sterne verzichten, andererseits fehlen diese dann womöglich bei der genauen Identifikation des Objekts.

Auch sei an dieser Stelle vor Fehlern in den diesen Programmen zugrunde liegenden Katalogen gewarnt. Ungenaue Angaben von Position, Grösse und Helligkeit verunsichern den Beobachter gerade bei schwächeren Objekten. Sind die Daten bei Planetarischen Nebeln noch einigermassen verlässlich, so treten in dichten Galaxienhaufen oft Ungenauigkeiten auf. Besser ist, sich vorher mit Hilfe von Fotos (z.B. Digital Sky Survey unter (3) im Internet) Gewissheit zu verschaffen. Beherzigt man diese Tips, so sollte es kein Problem sein, sich über Feld B, das ein markantes Viereck aus hellen Sternen enthält, zum Feld C mit einem auffälligen Sternpaar vorzutasten und die Position des Objekts subbogenminutengenau zu lokalisieren. Beherzigt man all diese Ratschläge, so gibt es ab sofort nur mehr nicht gesehene Objekte, aber keine nicht gefundenen mehr.

aus: Interstellarum Nr. 11, Juli-September 1997