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Die parallaktische Montierung

von Wolfgang Paech

Der zweite Grundtyp ist die sogenannte äquatoriale- oder parallaktische Montierung. Auch sie unterteilt sich in viele verschiedene Bautypen. Im Amateurbereich sind hier sicher die sogenannten "deutschen" Montierungen und die parallaktische Gabelmontierungen am verbreitesten. Beide Haupttypen unterscheiden sich durch die Art der Teleskopmontage auf dem Achssystem der Montierung. Der Vorteil der Gabelmontierung ist der, dass dieser Typ ohne ein Gegengewichtssystem für den Teleskoptubus auskommt, wogegen die deutsche Montierung zum Gewichtsausgleich für den Teleskoptubus Gegengewichte erfordert.

Ein häufiger Nachteil von Gabelmontierungen ist (zumindest bei den Amateurgeräten) die Anfälligkeit gegen Schwingungen.
Dies ist konstruktionsbedingt. Deutsche Montierungen sind wesentlich steiffer und damit oft stabiler und unanfälliger gegen Schwingungen.

Der Name äquatoriale Montierung stammt ebenfalls aus dem Namen eines Koordinatensystems, nämlich dem Äquatorsystem. Es kann folgendermaßen beschrieben werden:

Das astronomische Koordinatensystem Äquatorial mit dem Koordinatenpaar Rektaszension (adäquat dem Azimut) und Deklination (adäquat dem Höhenwinkel)

Das äquatoriale Koordinatensystem

Bezugsebene ist hier der Himmelsäquator (in türkis dargestellt), die Deklination (+ delta) gibt die Höhe des Objekts über dem Himmelsäquator an (oder - delta südlich des Himmelsäquators), der Stundenwinkel (alpha) dessen Abstand vom Meridian (Mittagslinie)

Die Positionen von Sternen und anderer Himmelskörper werden als Koordinaten auf der Himmelskugel eingetragen, einem imaginären Koordinatensystem, das Astronomen über den Himmel legen.

Wie die Erdoberfläche wird auch die Himmelskugel durch gedachte Längen- und Breitengrade unterteilt. Ihr Nord- und Südpol liegen in der gedachten Verlängerung der Erdachse genau über den entsprechenden Polen der Erde, und der Himmelsäquator ist die Projektion des Erdäquators auf die Himmelskugel.

Auf eine äquatoriale (parallaktische) Montierung projiziert, sieht das Achssystem so aus.

Die Längen- und Breitengrade des Himmels werden ebenfalls in Grad, Minuten und Sekunden gemessen. jedes Grad ist in 60 Bogenminuten aufteilt, und jede Bogenminute in 60 Bogensekunden, jede Bogensekunde entspricht also einem 3.600stel eines Grads. (Astronomen gebrauchen für die himmlische Breite und Länge die Begriffe Deklination und-Rektaszension).

Abstände und auch Positionen am Himmel können in Grad oder Bruchteilen eines Grads angegeben werden. Die Angabe der Rektaszension wird dabei in eine Zeitskala umgerechnet; die Rektaszension wird immer in Stunden, Minuten und für präzise Angaben zusätzlich in Sekunden angegeben. So entspricht 1 Stunde in Rektaszension gleich 15 Grad. Um ein Objekt über seine Koordinaten von Rektaszension und Deklination am Himmel aufzufinden, benötigt man natürlich auch noch eine Zeitinformation; das ist hier die sogenannte Sternzeit, die der wahren Rotationszeit der Erde entspricht (23h 56m und 04.1 sek).

Eine parallaktische Montierung ist im Prinzip nichts anderes als eine azimutale Montierung, bei der allerdings die azimutale Drehachse unter dem Winkel des Himmelspols und in ihrer Richtung genau Nord-Süd aufgestellt wird. Die Drehachse nennt man dann Pol- oder Rektaszensionsachse, die Höhenachse wird zur Deklinationsachse.

Die entscheidenen Vorteile einer parallaktischen Montierung sind die, dass die Erddrehung über die Bewegung nur noch einer Achse - der Rektaszensionsachse - kompensiert werden kann und zudem auch keine Bildfeldrotation mehr auftritt.

Der sogenannte Polhöhenwinkel, unter dem die Drehachse aufgestellt werden muß, ist abhängig vom Aufstellungsort der Montierung; der Polhöhenwinkel entspricht dem Winkel der geografischen Breite (j) des Aufstellungsortes.

In der der Bundesrepublik sind das Winkel die grob zwischen 49.5 und 53 Grad über dem Horizont liegen. Stellt man eine solchen parallaktische Montierung am geografischen Nord- bzw. Südpol auf, stände die Rektaszensionsachse unter 90 Grad senkrecht nach oben. Am Erdäquator dafür unter 0 Grad.

Auch im äquatorialen Koordinatensystem benötigt man neben der Angabe der Rektaszension (a) und Deklination (d) ebenfalls eine Zeitinformation und zwar ist das die Angabe der aktuellen Sternzeit zum Beobachtungszeitpunkt.

Man findet praktisch in allen Katalogen astronomischer Objekte die Koordinatenangaben in Rektaszension und Deklination. Mit Rektaszension, Deklination und aktueller Sternzeit kann man dann über den sogenannten Stundenwinkel t (er ergibt sich aus Rektaszension und Sternzeit) jedes beliebige Objekt am Himmel blind einstellen, sofern die Montierung über Teilkreise - auf der Stundenwinkel und Deklination ablesbar sind - verfügt.

Nun kann man sich vorstellen, dass die exakte Aufstellung einer solchen Montierung nicht einfach ist. Wie oben schon beschrieben, muß ja die Rektaszensionsachse möglich exakt parallel zur Erdrotationsachse eingestellt werden (Polhöhenwinkel j und Nord-Südrichtung).

Zur exakten Aufstellung einer parallaktischen Montierung gibt es einen (langwierigen) Prozeß, den man "Einscheinern" nennt. Dabei werden unterschiedliche Sterne unter verschiedenen Positionen am Himmel in einem Fadenkreuzokular beobachtet. Aus den Abweichungen des Sterns zum Fadenkreuz, kann man dann erkennen, ob die Polhöhe der Rektaszensionsachse zu hoch oder zu tief und/oder wie genau sie in Nord-Süd Richtung steht. Für große Montierungen mit entsprechend großen Teleskopen dauerte eine solche "Einscheinerung" - je nach Erfahrung des Beobachters - einige Stunden bis hin zu einigen Nächten.

Das änderte sich etwa im Jahre 1980, als die bekannte japanische Teleskopfirma VIXEN parallaktische Amateurmontierungen mit sogenannten Polsucherfernrohren auf den Markt brachte. Die Montierung hieß damals Vixen-NP (New Polaris) Montierung und war eine sauber durchkonstruierte kleine deutsche Montierung für Instrumente bis ca. 7 Kilo Eigengewicht. Sie wird meines Wissens auch heute noch produziert und unter anderem beim Deutschen Generalimporteur - der Firma Vehrenberg - verkauft.

Das Prinzip war und ist simpel (wie so vieles auf dieser Welt). Die Rektaszensionsachse ist hohl und in diese ist ein kleines Fernrohr eingebaut. In dieses Fernrohr ist eine gravierte Glasplatte integriert, welches die Sternkonstellation zeigt, auf die die gedachte Erdrotationsachse am Himmel zeigt (für den nördlichen- und den südlichen Himmelspol). Das bedeutet, der Beobachter peilt durch das Polsucherfernrohr, und dreht den Winkel und die Höhe der Rektaszensionsachse so, dass die Sternposition mit der Gravierung zur Deckung kommen und die Montierung ist exakt poljustiert aufgestellt.

Meines Wissens nach, gibt es heute keine "deutsche" transportable Montierung mehr, die nicht über ein Polsucherfernrohr verfügt. Bei den parallaktischen Gabelmontierungen ist der Einbau eines Polsucherfernrohrs problematisch, aber hier gibt es Ersatzlösungen, in der das Polsucherfernrohr entweder aussen an der Montierung oder als Sucherfernrohr ausgelegt ist.

  • Und noch mal zur Erinnerung: eine exakt parallaktisch aufgestellte Montierung ist unabdingbar, wenn man durch das Teleskop nicht nur visuell beobachten, sondern auch fotografieren möchte.

Parallaktische Montierungen - egal ob als Gabel- oder deutsche Montierung ausgeführt wird, gibt es in vielen Ausbaustufen. Die einfacheren sind die, wo man aus Preisgründen Polsucherfernrohr und Motorantrieb(e) nachrüsten kann (als Beispiel sei hier die Vixen GP-E Montierung genannt). Hier kann man sukzessive Polsucherfernrohr, Rektaszensions- und Deklinationsmotor nachkaufen. Die einfachsten Motortypen sind hier Schrittmotoren (siehe weiter unten).

Auch kann man alle Vixen Montierungen mit einer GoTo Steuerung zur schnellen automatischen Positionierung nachrüsten (Vixen Sky Sensor 2000). Diese Aufrüstmöglichkeiten gibt es aber auch bei diversen anderen parallaktischen Montierungen von verschiedenen Herstellern (Meade, Celestron, EQ-Montierungen etc).

Das Nonplusultra an Hightech, Stabilität, Tragkraft und GoTo Performance (von seriengefertigten) Montierungen sind hier wohl die deutschen Montierungen der Firma Astro Physics (USA) und die Paramount Montierung von SkyBisque (Generalimporteur Baader Planetarium GmbH), die Instrumentenlasten bis zu 70 Kilogramm aufnehmen. Die Steuersoftware dieser Montierungen kann über das Internet aktualisiert werden, bzw. die Paramount läßt sich mit entsprechender Software auch über das Internet weltweit über den PC steuern. Die Preise liegen dann aber auch astronomisch hoch - bis zu DM 35.000.- und kommen als Anschaffung sicher nur für absolute Profis unter den Amateuren in Frage. Zudem man für ein geeignetes Teleskop auf solchen Montierungen weitere DM 20.000.- bis 40.000.- rechnen kann (oder sollte). Die größte Montierung von Astro Physics, die AP 1200, gilt noch als transportabel (das Achssystem ist hier zerlegbar in Rektaszension- und Deklinationsachse) und die Steuersoftware beinhaltet - neben einem Polsucherfernrohr - einige Softwareroutinen zum schnellen "Einscheinern".

Noch größere und tragfähigere Montierungen und die entsprechenden Teleskope dazu werden dann - auch für Amateure - in Einzelanfertigung gebaut. "Erste" Adresse ist hier in der Bundesrepublik sicher die Firma Astro Optik Keller, die Teleskope bis zur Metergröße realisiert hat. Allerdings braucht man dazu auch die entsprechende Finazierungsmöglichkeit.