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Ausdruck vom: Montag, der 18.03.2024

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Gefährliche Sonnenbeobachtung!

von Wilfried Kluge

Seit mehr als zwei jahrzehnten betreibe ich Sonnenbeobachtung. Selbstverständlich traf ich immer alle Vorsichtsmaßnahmen und warnte stets alle weiteren Interessierten vor der ungeschützten Betrachtung der Sonne. Im Januar 1993 ist ausgerechnet mir das passiert, wovor ich bisher immer gewarnt habe - ich habe durch einen offenen Sucher in die Sonne geschaut.

Doch der Reihe nach! Ich veranstaltete einen Tag der offenen Tür für Schüler und Eltern unserer Schule. Da das Wetter hervorragend war, stand Sonnenbeobachtung "live" auf dem Programm. Um die Sonnenflecken sehen zu können, baute ich einen 80/910 Refraktor mit Objektivschutzfolie und einem Binokular auf. Wenige Minuten bevor die ersten Besucher kamen, überprüfte ich nochmals alles, auch die Filter auf dem Objektiv und auf dem Sucher. Bei diesem Überprüfen muß ich versehentlich den Sucherfilter gelockert haben. Als ich nömlich das Binokular scharfstellte, spürte ich ein Brennen auf der Stirn und hob den Kopf. Im gleichen Augenblick verspürte ich einen heftigen Stich im Auge. Ich hatte durch den Sucher in die Sonne geschaut. Ich hatte zwar an diesem Tag ständig einen hellen Fleck im Blickfeld, nahm dies jedoch nicht allzu ernst.

Am Abend beim Fernsehen sah ich mit dem linken Auge das Fernsehbild total verzerrt und in ganz anderen Farben als mit dem uversehrten Auge. Ein Besuch beim Augenarzt bestätigte, was ich befürchtete: ich hatte mir ein winziges Loch in die Netzhaut gebrannt. Der Augenarzt diagnostizierte außerdem eine erhebliche ringförmige Schwellung der Netzhaut um die Verletzung herum. Er tröstete mich insofern, als er meinte, die Schwellung würde bald zurückgehen. Dies dauerte allerdings fast fünf Wochen. In dieser Zeit konnten meine Augen kein scharfes Bild mehr produzieren, da ich alle Gegenstände links um ca. 25% kleiner sah als rechts. Ans Autofahren war nur auf Kurzstrecken zu denken, da ich durch die starke Konzentration nach kurzer Zeit heftige Kopfschmerzen bekam. Ich ließ es nach wenigen Versuchen ganz bleiben. Lesen war nur einäugig möglich, was mich beruflich sehr behinderte. Erst nach knapp sechs Wochen normalisierte sich alles wieder. Lediglich ein kleiner Fleck im Blickfeld stört mich nach wie vor bei gemeinsamen Betrachten irgendwelcher Gegenstände. Auch bei geschlossenen Augen ist der Fleck immer gegenwärtig. Der Augenazrt meinte, daß dies vermutlich auch so bleiben wird, da sich die Netzhaut an der verletzten Stelle nicht mehr regeneriert.

Bei jeder Sonnenbeobachtung kontrolliere ich nun mehrfach den Sitz der Filter. Bei Besucherveranstaltungen wird grundsätzlich nur noch projiziert und der Sucher fest verschlossen. (Der Deckel wird mit Klebeband fest gesichert). Außerdem achtet stets eine "Wache" darauf, daß niemand versucht, durch das Okular zu sehen.

Da das Abstreifen des Schutzdeckels möglicherweise auch durch Nervosität oder Hektik vor dem Besucherandrang geschah, bereite ich jegliche Vorführung zeitlich ausreichend lange vor, um bei den Vorführungen abgekläft genug zu sein.