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Ausdruck vom: Montag, der 18.03.2024

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Eine Burg im richtigen Licht .. eine Astronomische Aufgabe

ich bin selbst Astronomie-begeistert, aber derzeit zeitlich leider sehr knapp eingebunden, das gute Spiegel-Tele verstaubt daheim …
Aber ein Projekt kitzelt mich seit Jahren.

Ich fahre jeden Morgen zur Arbeit mit dem Zug 6 km westlich an einer großen , faszinierenden Höhenburg vorbei, der Burg Münzenberg im Norden der Wetterau in  Hessen und ganz selten passiert es, wenn ich früh genug fahre, dass man an einer gewissen Stelle zwischen der Überquerung des Limes oberhalb von Griedel, einem Ortsteil von Butzbach die Sonne in der Nähe dieser Burg sieht. Hier frage ich mich seit Jahren, wie man am besten die Zeit und den Ort berechnen könnte, an der ich diese Burg so fotografieren könnte, dass die Sonne direkt dahinter aufgeht, denn das würde ein ziemlich schönes Bild abgeben.

Da wie gesagt mein Zeitbudget es derzeit nicht zulässt, jeden Morgen erstmal auf den betreffenden Höhenzug gegenüber dieser Burg zu fahren und auf den richtigen Zeitpunkt für den Aufgang zu warten, war meine Frage an die erfahreneren Astronomen von Astronomie.de, ob man soetwas für 2 Ortspunkte so berechnen könnte, dass ich zumindest einen groben „Stundenplan“ für ein paar Tage oder Wochen hätte.

Auf meine E-Mail-Anfrage folgte eine sehr nette und Aufschlussreiche Antwort von Stefan van Ree :

"man kann berechnen, wann die Sonne hinter der Burg aufgeht :-)

Wie Sie schon richtig erkannt haben, benötigen Sie vor allen zuerst einmal den Fotografie-Standort in möglichst hoher Genauigkeit. Danach müssen Sie ermitteln, in welchen Bezug zum Horizont die Burg liegt. Diese Angabe erfolgt im Regelfall in Grad und wird als Azimut bezeichnet.

Wenn Sie diese Angaben haben, können Sie über die Internetseite https://www.astronomie.info/calsky/Sun/index.html/2 für mehrere Tage / Wochen im voraus berechnen, wo die Sonne im Azimut (at) aufgeht. Dafür ist es notwendig, vorab die geografischen Koordinaten für Ihren Fotografie-Standort auf dieser Internetseite einzugeben.

Wenn Sie nun den berechneten Azimut mit dem gemessenen Ihres Standortes vergleicht, haben Sie den Tag des Aufganges hinter der Burg bei möglichst gleichen Werten.

Durch Veränderung Ihres Beobachtungsstandortes können Sie natürlich auch einen größeren Bereich abdecken.

Ich hatte mal für meine Internetseite ein Dokument erstellt, wie man den Azimut für eine Mondfinsternis mit dem Smartphone ermitteln kann.Das Script dazu habe ich Ihnen mal auszugsweise beigefügt.

Ich fände es toll, wenn Sie bei einem Erfolg einen Artikel für Astronomie.de verfassen könnten, der den Weg von der ersten Auswahl des Standortes bis zum fertigen Foto aufzeigt. Das wäre auch für andere Besucher sehr interessant :-) "

 

Na klar, herzlich gerne möchte ich mit der Community teilen, wie ich dabei vorgegangen bin !

Zur grauen Theorie

Als erstes habe ich mich mal Kartentechnisch damit auseinandergesetzt, wo sich die jeweiligen Orte überhaupt befinden.

Und dank den einschlägigen Kartentools ergibt sich zufällig eine Beobachtungsposition genau in West-Ost-Richtung :

Das wird die Berechnung wohl hoffentlich etwas vereinfachen...

Eine Messung ergibt ca. 6.3 km zwischen den Positionen und eine Recherche nach den Liegenschaften dort auf dem Höhenzug ist auch schonmal nicht schlecht, denn dort befinden sich 2 Aussiedlerhöfe. Falls ich dort in nächster Zeit desöfteren mit Foto-Equipment herumlungern muss, wäre es wohl nicht verkehrt, den Anwohnern mal Bescheid zu geben ;-)

So, aber wie finde ich erstmal einfachstmöglich einen idealen Beobachtungszeitraum heraus? Bevor ich groß mit einer Berechnung starte, wäre es wohl hilfreich, zuerst einmal mit einer groben Annäherung zu beginnen.

Also, Stellarium auf dem heimischen Rechengerät aktualisiert und die Position der Burg als Standort eingegeben. Meine Herangehensweise ist folgendermaßen : wenn ich den Beobachtungswinkel über die Burg hinweg peile, müsste ich doch folglich die Position des Sonnenaufgangs in der Verlängerung dieser Peilungsachse finden ?

Gut, dann suchen wir mal wann es im Stellarium so aussieht, als würde die Sonne genau östlich der Burg erscheinen.

OK, jetzt ( Ende April ) steht die Sonne zu hoch … drehen wir mal die Zeit etwas zurück …

Ein paar Minuten lustiges Klickspielchen , in dem man Tage und Minuten zwischen 5:30 und 6:30 hin und herklickt um die Sonne zu platzieren … So wird der Gamer ein wenig gefordert ;-)

Dann kommt dies hier bei raus :

Nun gut, der 24.3. ist leider schon um, aber das entspricht dem Gefühl, dass die Position so im März ideal sein könnte. Also im März um halb 6 morgens auf die Lauer legen … Aber was im März funktioniert, müsste doch dann im September/Oktober auch funktionieren, oder ?

Tatsache, nach 1 Minute Klickediklick stellt sich der 20.9. heraus …

Moment mal, mag der geübte Astronom sich wahrscheinlich schon längst fragen. Manchmal dauert es ein wenig bis da ein Groschen fällt. Exakte Ost-West Ausrichtung ? Azimuth von ca. 90° , dann ist es wohl kein Zufall, dass die Beobachtungspositionen rund um die Tag-und-Nacht-Gleichen liegen …

Gut, nun wo wir uns der Geschichte mal "experimentell im Labor" genähert haben, versuchen wirs mal mit den o.g. Mathematischen Hilfsmitteln.

Der Tagesalmanach (Tabelleninhalte gekürzt) gibt für Münzenberg folgende Daten heraus :

22. Sep. 2017 Aufgang: 7h11.2m az= 88.6°
23. Sep. 2017 Aufgang: 7h12.8m az= 89.2°
24. Sep. 2017 Aufgang: 7h14.3m az= 89.8°
25. Sep. 2017 Aufgang: 7h15.9m az= 90.4°
26. Sep. 2017 Aufgang: 7h17.4m az= 91.1°
27. Sep. 2017 Aufgang: 7h19.0m az= 91.7°

Also, kommt schon ganz gut hin …

d.h., wenn ich mich mehrere Tage hintereinander auf die Lauer legen will, fange ich am besten am 20.9. etwas südlich der Aussiedlerhöfe an und kann mich dann Tag für Tag an die Geländegegebenheiten anpassen und bei Bedarf den Hügel immer weiter nach Norden abklappern. Aber bis Ende September warten ?

Die Option wäre, einen anderen günstigen Höhenzug gegenüber der Burg zu finden, der einen günstigen Betrachtungswinkel in den Sommermonaten bis dahin bietet.

Beim groben "Überflug" der Karte fällt mir nur ein :

Flugplatz Butzbach , wobei ich nicht sicher weiß ob von hier eine Sichtlinie zur Burg existiert.

www.openstreetmap.de/karte.html

Oder der Hausbergturm, der einen schönen Rundumblick hat

www.openstreetmap.de/karte.html

Für diese Positionen gilt es nun anhand der Koordinaten einen Azimuth auszurechnen.

Oh, hoffentlich findet sich irgendwo ein Berechnungstool, welches mir als mathematisch minderbegabtem Fotografen etwas Unterstützung bietet.

Das große Goorakel verkündete mit die Seite GeoCaching-Toolbox

www.gctoolbox.de/ger/tools/Abstand_und_Winkel_zwischen_zwei_Koordinaten_in_Luftlinie/distance.htm

Hier bekam ich zwei Ergebnisse :

  • Hausberg Butzbach Peilungswinkel 68.4 Grad und ca. 12 km Abstand
  • Flugplatz Butzbach Peilungswinkel 80.7 Grad und ca. 11 km Abstand

Verdammt, den Azimuth 68.4 Grad für den Hausberg gerade so verpasst :

23. Apr. 2017 Aufgang: 6h14.9m az= 68.9°
24. Apr. 2017 Aufgang: 6h13.0m az= 68.4°

OK, 2 Monate vor der Sonnenwende , dann sollte dies auch für 2 Monate danach gelten, schauen wir uns mal um den 20.8. rum mal den Tagesalmanach an :

18. Aug. 2017 Aufgang: 6h18.0m az= 68.2°
19. Aug. 2017 Aufgang: 6h19.5m az= 68.7°

Und siehe da : am 18.8. und 19.8. habe ich wohl ein Date mit Sol Invictus am Hausberg ;-) Auch noch am Wochenende, perfekt !!!

Allerdings hat der Hausberg mit 480 m Höhe gegenüber der Burg mit ca. 232 m Höhe einen Nachteil, möglich ist, dass der Horizont dahinter zu hoch, da mein Beobachtungswinkel zu steil ist.

Wenn man das ganze jetzt genauer haben will, müsste man die Isohypsen der Umgebung mit einbeziehen, als die gleiche Höhenlinie der Burg auf den gegenüberliegenden Hängen. Evtl. Sogar noch ein paar Meter darunter, damit man schön über die Burg hinwegpeilen kann.

Also, für demnächst einen Ausflug auf den Hausbergturm einplanen und die Lage checken, wie die Beobachtungsposition Richtung Münzenberg ist und ob das 300er Tele dafür ausreicht. Immerhin 12 km Abstand.

Just fällt mir dazu noch ein dritter und evtl. Vierter Beobachtungspunkt ein, der sogar näher an der Burg liegt, aber ebenfalls leicht erhöht gegenüber der Umgebung, einmal der Galgenberg Nordöstlich von Griedel und dann der Friedhofshügel Nordöstlich von Rockenberg.

Der Galgenberg zu Griedel befindet sich bei 50°26'54.0"N 8°43'10.7"E mit einer Peilung von 84.6° und fast 4 km Abstand bei ähnlichen Azimuth-Bedingungen wie der präferierte Punkt beim Tannenhof.

www.openstreetmap.de/karte.html

Der Rockenberger Friedhofshügel liegt bei 50°26'03.9"N 8°44'24.2"E und bietet uns einen Peilwinkel von 52,8° bei einer Distanz von ca. 3,2 km.

www.openstreetmap.de/karte.html

Interessanter Peilungswinkel, allerdings je näher wir an die Burg herankommen, desto kleiner wird die Sonne abgebildet. Auch wird der Spielraum für den Aufgang etwas eingeschränkt. Der Punkt liegt quasi fast direkt unterhalb der Burg, d.h. man steht auf einer kleinen Erhöhung am Hang des Burgberges.

Nichtsdestotrotz, durch den Almanach ergibt sich folgendes Zeitfenster für diesen Ort :

31. Mai. 2017 Aufgang: 5h19.6m az= 52.8°
1. Jun. 2017 Aufgang: 5h18.8m az= 52.6°
2. Jun. 2017 Aufgang: 5h18.1m az= 52.4°
3. Jun. 2017 Aufgang: 5h17.4m az= 52.1°
       

Also, in baldiger Reichweite, Ende Mai / Anfang Juni und nochmal um den 15. Juli herum.0.434405,

 

Der ultimative Tipp :

www.sonnenverlauf.de

Die Praxis

Nun, Wetter- und Terminbedingt kamen trotz Vorplanung erstmal keine Fotosessions zustande. Meist scheiterten meine Pläne morgens vor Sonnenaufgang mit vollem Equipment zum "Sniper-Nest" auszurücken entweder am miesen Wetter, oder an vorabendlichen Sozialen Verpflichtungen die eines gesunden Ausschlafens bedurften und durch fehlende Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt gewesen wären

Mist, knapp daneben … also doch zu weit nördlich auf den Hügel gefahren. Aber sher schön ist zu sehen, dass die Größenverhältnisse wirklich sehr passend wären. Eine riesige Sonnenkugel, die durch die beiden Türme scheint. Das spornt an.

Danach bin ich dann wirklich ein paar Kilometer weiter nach Süden gefahren und zu einem Platz, der mir wesentlich idealer schien. Dieser befindet sich am Waldrand relativ weit oben, in der nähe des Waldhofes.

OK, dann Samstag morgen der nächste Versuch.

6:00 Aufstehen, aufgrund KfZ-Mangels um 6:35 mit Kamera aufs Bike geschwungen, und durch Wald und Feld den kürzesten Weg mit durch die Pampa gesucht. Durchgeschwitzt um 7:10 am Platz angekommen und auf die Sonne gewartet. Eigentlich sah es an diesem Morgen rundherum Wettertechnisch besser aus, aber dicht über dem Horizont schien ein wesentlich dichteres Wolkenband zu liegen.

Ein paar Minuten später konnte ich sehr schwach einen roten Fleck etwas links neben der Burg erkennen. Mit der Kamera fest im Griff rannte ich ca. 200 m am Waldrand entlang in Richtung Norden und konnte folgendes Bild schießen :

Nagut, knapp daneben, aber schonmal von 2 km auf 200 Meter angenähert. Einige Minuten später bestätigte sich die Existenz eines Wolkenbands o.ä. am Horizont, denn die Sonne kam dann wesentlich klarer zum Vorschein. Leider war im Vergleich zum Vortag die Umgebung gefühlt um einiges dunkler, dieses Bild habe ich zur Veranschaulichung nochmal mit einer starken Kontrasterhöhung überarbeitet, damit man die Sonne besser erkennen kann

So, nun stellt sich natürlich die Frage, ob es Sinn macht, weiter empirisch die gesamte Hügelflanke Tag für Tag in Richtung Norden abzuklappern , oder besser zu versuchen so akribisch wie möglich für einen Zeitraum die besten Schusspositionen aufzulisten und per Karte zu markieren, damit ich bei passendem Wetter und Verfügbarkeit einfach die richtige Location anfahren kann.

Die Versuche haben auch gezeigt, dass mein 300er Tele an der D7200 (Nikon) für den Bildausschnitt ausreichend ist, allerdings werde ich mich mal nach einem etwas besseren Leihgerät umschauen. Die Bilder von Freitag sind mit Stativ entstanden, die von Samstag aus der freien Hand bei gefühlt weniger Umgebungslicht

 

Dies erstmal zu meinem Bericht bis hin zu den ersten Testbildern, ich freu mich darauf in einem weiteren Teil vom erhofften Erfolg berichten zu können. Die Aufgabe wird sein, Geo-Locations und dazugehörige Zeiten zu ermitteln

Über den Autor Jörg Bieszczak

Jörg Bieszczak, Jahrgang 1975, ist IT-Projektmanager an der Goethe-Universität in Frankfurt und beschäftigt sich seit vielen Jahren Hobbymäßig mit Astronomie-Themen, aber eher passiver Art. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Fotografie als Landschafts- und Event-Fotograf und mit dem Fotoprojekt „Burg im richtigen Licht“ möchte er einen Einstieg in die Kopplung von angewandter Astronomie für Jedermann und künstlerischer Bildgestaltung wagen.

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