Himmelsfeuer und ewiges Eis ein Reisebericht aus dem spätwinterlichen Island
von Martin Rietze
Der Monat Februar zeigte eine langandauernde ungewöhnliche Wettersituation. Während nach Mitteleuropa ständig Kaltluft mit Niederschlägen einströmte, etablierte sich im Nordatlantik ein für diese Jahreszeit völlig unübliches stabiles Hoch. So herrschte in Island im Widerspruch zur langjährigen Statistik langandauerndes Schönwetter.
Nach Ankunft auf Island bestätigte sich der Wetterbericht, eine komplette Woche lang sollte zumindest in Südisland die Sonne scheinen. Am Anfang mit kaltem Wind und ab und zu Hochwolken zeigte sich das Wetter vom 3.-7.3.05 dann von seiner besten Seite.
Frühlingshaft milde Tage und Nächte mit wenig Wind bei wolkenlosem Himmel erlaubten ungestörte Beobachtungen.
Allerdings bestätigte sich auch die Polarlichtvorhersage, keine Sonnenflecken und minimale Aktivität erzeugten in den ersten Tagen nur schwache Lichter tief am Nordhorizont. Das schöne Wetter in dieser grandiosen Landschaft tröstete über die bescheidenen nächtlichen Lichter hinweg.
Ich entschied mich wegen der idealen Kulisse trotzdem in der Gegend um den Gletschersee Jökulsàrlòn auf stärkere Nordlichter zu warten.
Tatsächlich sollte am Wochenende vom 5. auf den 6.3. alles anders werden. Zwar waren weiterhin keine Sonnenflecken vorhanden, aber ein Korona-Loch erlaubte dem Sonnenwind den ungehinderten Zugang zur Erdatmosphäre. Zudem sollte ich das Glück haben, direkt unter dem Zentrum des Lichtvorhangs zu stehen.
So war schon in der Dämmerung von Ost über den Zenit nach West der grüne Nordlichtbogen zu sehen. Dieser verstärkte sich im Lauf der Nacht, gegen Mitternacht war über mehrere Stunden die komplette Himmelsfläche mit tanzenden Lichterscheinungen versehen.
Die Aktivität dauerte tatsächlich ohne Unterbrechungen von der Abenddämmerung bis zur Morgendämmerung.
Zu einer Zeit, als schon alle Filme und CF-Speicherkarten voll waren sollte sich ein Lichtspektakel abspielen, welches sich sowieso mit keiner Kamera abbilden ließe. Tanzende Bögen mit zahlreichen messerscharfen roten Spitzen beschrieben in irrwitziger Geschwindigkeit sich ständig zusammenziehende Spiralen vor dem komplett in grüne, wallende Vorhänge gehüllten Himmel. Selbst die umgebende Landschaft erstrahlte in unheimlichen grünlichen Farben.
Diese eine Nacht wird wohl für immer unauslöschlich in meinem Gedächtnis verankert bleiben. Ohne jedliche körperliche Mühe und völlig ungefährlich haben mir vor allem die paar Minuten mit maximalem Nordlichtsturm ein Erlebnis beschert, welches ich höchstens mit dem Aufenthalt in unmittelbarer Nähe einer heftigen Vulkaneruption vergleichen kann, wobei dann aber das Risiko und die Strapazen unvergleichlich höher waren.
Alle abgebildeten Aufnahmen wurden mit einer Canon 20D Kamera aufgenommen, alle Nordlichtbilder und Filme mit einem daran adaptierten 20mm f1,8 Weitwinkel und überwiegend mit einem 10,5mm f2,8 ED Fischauge.
Selbst dieses Vollformat-Fischauge konnte nicht das ganze aktive Areal einfangen ! Die Belichtungszeiten lagen zwischen 8-15 Sekunden bei 800-1600 ASA.