Alle Themen auf Astronomie.de im Überblick




Ausgedruckte Seite: https://astronomie.de/bibliothek/artikel-und-beitraege/sonnenfinsternis/sonnenfinsternis-ueber-dem-grand-canyon-ein-reisebericht

Ausdruck vom: Montag, der 18.03.2024

Copyright: www.baader-planetarium.com

Zum Hauptinhalt springen
Offcanvas top
...

Sonnenfinsternis über dem Grand Canyon – ein Reisebericht

von Dr. Hans Zekl

2012 gibt es zwei Sonnenfinsternisse zu sehen, eine ringförmige am 20. Mai und eine totale im November. Kurzfristig bot sich uns die Gelegenheit, die Finsternis im Mai am Grand Canyon zu beobachten.

Eigentlich stand sie für dieses Jahr nicht auf dem Programm, die ringförmige Sonnenfinsternis am 21/20. Mai 2012. Einerseits sollte ich aus beruflichen Gründen zu dieser Zeit keinen Urlaub bekommen, andererseits ist eine ringförmige Finsternis nicht so spannend wie ihre totale Variante. Nach sieben totalen und zwei ringförmigen Sonnenfinsternissen wäre es zu verschmerzen, diesmal nicht dabei zu sein.

Aber oft kommt es anders, als man denkt. Die beruflichen Gründe führten zu einigen Terminverschiebungen und plötzlich waren 12 Tage um den Finsternistermin frei. Doch ringförmige Finsternis Nummer 3 machen, wie meine Frau vorschlug?

Eigentlich kamen nur zwei Regionen in Frage, Ostasien oder der Südwesten der USA. Der Rest des Finsternispfades verlief über die Weiten des Pazifiks. Die Klimadaten von Jay Anderson sprachen für die USA, da hier ein wolkenfreier Himmel ziemlich wahrscheinlich war. Die zentrale Zone würde über den Grand Canyon verlaufen und dann zu Sonnenuntergang in Texas enden. Ringförmige Finsternisse sind besonders eindrucksvoll, wenn die Sonne tief über dem Horizont steht. Manchmal ermöglichen es Dunst- oder dünne Wolkenschichten, den Feuerring mit der gebotenen Vorsicht mit bloßem Auge zu sehen. Auf alle Fälle sollten sich interessante Fotomotive bieten. Zusätzlich könnte ich einen ehemaligen Kollegen besuchen, der schon seit einiger Zeit bei Los Angeles lebt.

Meine Frau entwickelte rasch einen Reiseplan. Wir besorgten uns günstige Flugtickets und mieteten ein Auto. Ankunft in San Francisco und dann über Los Angeles nach Flagstaff in Arizona. Von dort zur Beobachtung des Naturschauspiels. Das Ganze in zwölf Tagen ist schon etwas sportlich, aber sollte machbar sein. Alles weitere wollten wir unterwegs entscheiden, da wir aus Erfahrung wussten, dass es sich lohnen würde, an manchen Orten etwas länger zu bleiben, dafür anderes unter Umständen zu streichen.

Blieb noch die Frage der astronomischen Ausrüstung zu klären. Normalerweise würden wir mein Meade 125 ETX mitnehmen. Doch diesmal entscheiden wir uns dagegen. Da wir wegen der langen Strecken große Fahrzeiten haben würden, wollten wir nicht noch halbe Nächte am Fernrohr verbringen. Das wäre dann doch zu viel Stress. Also wurde neben der Foto-und Video-Ausrüstung nur ein Fernglas und Sonnenfilterfolie von Baader Planetarium mitgenommen. Damit fielen auch kein Kosten wegen des Übergewichts durch das Fernrohr an.

Über Paris ging es dann eine Woche vor der Finsternis nach San Francisco, wo wir die ersten Tage verbringen wollten. Die Stadt hat ein ganz besonderes Flair und der Aufenthalt dort ist trotz ihrer Größe sehr angenehm. An der Pazifikküste entlang, ging es dann auf dem legendären Highway 1 durch die Big Sur Richtung Los Angeles. Eine ganz andere Stadt. Hektisch und laut, zumindest wenn man sich dem Zentrum oder Hollywood nähert. Aber interessant. Danach wurde es ruhiger. Über das eher verträumte Palm Springs fuhren wir durch den Yoshua Tree National Park und die Sonora-Wüste weiter in Richtung Flagstaff.

Hier schlugen wir während der Finsternistage unser „Basiscamp“ auf. Außerdem gibt es in der Umgebung einige Highlight für Amerikaurlauber zu sehen. Der Grand Canyon befindet sich nicht allzu weit nördlich davon. Im Osten liegt der Barringer- oder Meteorkrater nahe Winslow, Arizona. Außerdem beherbergt die Stadt das berühmte Lowell-Observatorium, an dem Pluto entdeckt worden war.

Für die Beobachtung der Finsternis hatten wir uns eine Stelle auf der Zentrallinie nahe dem Ort Chinle, nordöstlich von Flagstaff und östlich des Grand Canyon ausgesucht, wo die Ringphase am späten Nachmittag 4 Minuten und 29 Sekunden dauern sollte, während die Sonne nur noch 8 Grad über dem Horizont stehen würde. Der Wetterbericht versprach beste Bedingungen. Nur weiter östlich, in Texas nahe dem Ende des Finsternispfades sollte es bewölkt sein.

Wir erreichten Flagstaff zwei Tage vor dem Himmelsereignis. Also noch etwas Zeit, um unser touristisches Programm zu erledigen. Aus dem Internet wussten wir, dass es am Finsternistag am Grand Canyon voll werden würde. Deshalb wollten wir uns am Tag vor der Finsternis, Samstag, den Südrand des Grand Canyon ansehen, um dann am Nachmittag zum geplanten Beobachtungsort zu fahren, um uns dort umzusehen. Nachdem wir jedoch die grandiose Kulisse des Grand Canyon bestaunt hatte, fingen wir an zu überlegen, ob wir unseren Beobachtungsplatz doch nicht hierher verlegen sollten.

Die Zentralzone der Finsternis verlief nämlich über den Grand Canyon National Park. Im Besucherzentrum nahe dem Grand Canyon Village erkundigten wir uns deshalb, was für den nächsten Tag geplant sei. Die Parkverwaltung hatte für die Finsternisbeobachter einen Bereich hinter dem Besucherzentrum vorgesehen, auf dem man seine Teleskope aufstellen konnten. Auch einige Astronomen der NASA sollten mit eigenen Fernrohren vor Ort sein und öffentliche Vorträge halten. Allerdings war der Platz beschränkt. Am östlichen Eingang zum Nationalpark, bei Desert View, würden sich allerdings auch NASA-Astronomen befinden und ebenfalls Vorträge halten. Das klang doch recht interessant, aber wir blieben dennoch bei unserem ursprünglichen Plan, um der zu erwartenden Menge auszuweichen.

Nachdem wir den südlichen Rand des Grand Canyon in Richtung Westen bewundert hatten, machten wir uns nach Osten auf. Die Straße verläuft für eine ganze Weile in einem kleinen Abstand immer entlang des Südrandes der Schlucht mit einigen Abstechern zu Aussichtspunkten. Erstaunlicherweise waren auf dieser Seite des Nationalparks nur wenige Besucher zu finden. Die meisten, die wir am Nachmittag dort antrafen, waren „Finsternisjäger“, die ihren optimalen Platz für den nächsten Tag suchten. Warum sollten auch wir nicht hier am Grand Canyon zusehen, wie sich der Mond vor die Sonnenscheibe schiebt? Offensichtlich gab es genügend Platz, man müsste nur rechtzeitig kommen. Die Ringphase würde hier immer noch gut dreieinhalb Minuten dauern, obwohl das Gebiert südlich der Zentrallinie liegt. Also sahen wir uns jeden einzelnen Aussichtspunkt genauer an. Es gab zwar immer wieder Warnschilder auf Pumas, aber wir gingen davon aus, dass die Berglöwen wegen der vielen Besucher das Gebiet meiden werden, und machten uns deshalb keine Sorgen.

Die Zeit verging, bis wir zu Desert Point kamen, dem östlichen Ausgang des Nationalparks. Der Platz sah vielversprechend aus. Hinter einem großen Parkplatz lag der Canyon. Entlang seiner Kante gab es unzählige Stellen, an denen man sich bei freier Sicht postieren konnte. Zu Sonnenuntergang würde die immer noch zum Teil verfinsterte Sonne über dem gegenüberliegenden Rand des Canyons untergehen. Es gibt dort ein paar Geschäfte und kleine Restaurants, sodass wir die Wartezeit bequem verbringen könnten. Unser Entschluss stand fest. Wir werden hierher kommen! Außerdem würde hier die ringförmige Phase im Nationalpark am längsten dauern.

Für den nächsten Morgen, dem großen Tag, hatten wir aber zuerst einen Rundflug mit einem Hubschrauber über den Grand Canyon gebucht. Nicht gerade billig, aber im Morgenlicht ein sehr schönes Erlebnis. Danach fuhren wir nach Desert View und bezogen unseren Beobachtungsplatz direkt an der Schlucht des Colorado. Tief unter uns wand sich der Fluss durch den Canyon. Während wir warteten, konnten wir immer wieder Gruppen mit großen Schlauchbooten beobachten, die durch die sich weiß kräuselnden Stromschnellen fuhren.

Bei unserer Ankunft waren nur wenige Besucher anwesend. Erst am frühen Nachmittag füllte sich das Gelände. Die allermeisten von ihnen waren normale Pauschaltouristen, auf deren Reiseprogramm ein paar Stunden Grand Canyon standen. Dass es hier heute eine Sonnenfinsternis zu sehen gäbe, wussten sie nicht. Bis zum Zeitpunkt des Himmelsereignisses würden sie wieder unterwegs oder schon in ihren Hotels sein. Überhaupt fiel uns auf, dass die Medien im Vorfeld der Finsternis kaum über das bevorstehende Schauspiel berichteten. Die meisten Personen, mit denen wir uns unterwegs unterhielten, hatten davon keine Ahnung. Selbst in Flagstaff trafen wir einige, die davon nichts wussten. Viel wichtiger war zu dieser Zeit in den Medien die angebliche Homosexualität des amerikanischen Präsidenten. Na ja, der Wahlkampf hat schon begonnen.

An unserem Beobachtungsplatz erhielten wir inzwischen Besuch von einem Grauhörnchen, dass sich über meine Bananenschalen hermachte und sehr zutraulich war. In der Nähe entdeckte jemand eine Klapperschlange, die sich zwischen den Felsen sonnte. Als ihr immer mehr Fotografen zu nahe kamen, verzog sie sich zwischen den Steinen am Abhang zum Canyon.

Es wurde vier Uhr am Nachmittag, aber von den NASA-Wissenschaftlern war immer noch nichts zu sehen. Es hieß, dass sie beim Besucherzentrum nahe dem Grand Canyon Village wären. Dort sei es völlig überfüllt. Wir hatten uns also richtig entschieden. Zwar ließen sich in unserer Nähe immer mehr Beobachter nieder, aber es gab immer noch genügend Platz, sodass man sich nicht gegenseitig störte.

Um uns herum hatte sich inzwischen eine lebhaft diskutierende Gruppe versammelt, die geduldig auf den Beginn der Finsternis wartete. Bis auf uns waren es alle US-Amerikaner. Als ehemaliger Astronom und mit der Erfahrung von sieben totalen und zwei ringförmigen Finsternissen konnten wir den Mitbeobachtern mit Tipps und der mitgebrachten Sonnenschutzfolie bei den Vorbereitungen helfen. Besonders spannend war für viele die Frage, ob der Perlschnureffekt zu sehen sein werde und wenn ja, wie stark er sein würde. Wie bei solchen Ereignissen üblich, erzählte man sich, was man beruflich macht , woher man kommt , welche Finsternisse man schon gesehen hat und welche lustigen Vorkommnisse man dabei erlebt hatte. So ging die Wartezeit wie im Flug vorbei.

Die Sonne strahlte von einem makellosen Himmel. Drei Fleckengruppen waren auf ihr zu sehen. Es würde interessant sein, zu beobachten, wie sich der Mond während der partiellen Phase der Finsternis langsam darüber schiebt. Dabei kann man bei geeigneter Vergrößerung sehr schön die Bewegung des Erdtrabanten verfolgen. Gegen 17 Uhr erschien tatsächlich doch noch einer der NASA-Wissenschaftler, allerdings ohne die angekündigten Teleskope. Er kam vom Besucherzentrum beim Grand Canyon Village. Dort war es so voll, dass er es kaum zu uns schaffte.

Richtig spannend wurde es dann um 17:25:19, als der Mond den Rand der Sonne anknabberte. Es ging los. Nach kurzen Begeisterungsausbrüchen trat bald wieder Ruhe ein. Nur das leise Klicken der zahlreichen Kameras war zu hören. Schon bald machte sich so etwas wie Routine breit. Die nächste Stunde, während dessen sich der Mond immer mehr vor die Sonne schiebt, würde nicht so spannend werden. Nur als er den einen oder anderen Sonnenfleck verdeckte, schauten die meisten wieder genauer hin und schossen zahlreiche Fotos.

Langsam näherte sich die Sonne immer mehr dem Horizont, während sie immer schmaler wurde. Das Licht änderte sich. Wie bei Sonnenfinsternissen üblich, wurden die Farben kälter und überzogen die Landschaft mit einem metallischen Glanz. Auch wenn es so schien, als hätte die Helligkeit nicht nachgelassen, zeigte ein Blick auf den Belichtungsmesser des Fotoapparats, dass es doch deutlich dunkler geworden war. Es kühlte auch ab. Welcher Anteil davon auf die schmale Sonnensichel zurückzuführen war, ist nicht klar. Das Gelände am Beobachtungsort liegt immerhin rund 2200 Meter hoch. Schon am Vortag hatten wir bemerkt, dass es gegen Sonnenuntergang deutlich abkühlte.

Gegen 18:20 hatte sich der Mond soweit über die Sonnenscheibe geschoben, dass sich ihre Sichelspitzen zu Hörnern formten, die sich deutlich näherten, bis sie sich schließlich um 18:33:49 vereinigten. Die Ringphase hatte begonnen. Doch zuvor war im Fernrohr bzw. Fernglas für wenige Sekunden der Perlschnureffekt tatsächlich zu sehen. Dabei war es wieder laut geworden, als die vielen Schaulustigen und Beobachter ihrer Begeisterung freien Lauf ließen. Alle blickten auf die verfinsterte Sonne. Drei Minuten und 31 Sekunden sollte sich der Mond innerhalb der Sonnenscheibe aufhalten, bevor er sie wieder langsam freigeben würde. Allein in dieser Zeit machten wir 170 Aufnahmen!

Alle waren von dem Himmelsschauspiel begeistert. Doch interessierte die anschließende partielle Phase dennoch nur noch wenige. Lieber erzählte man, wie jeder das Ereignis erlebt hatte. Alle waren sich einig, es war wundervoll, unvergesslich.

Doch noch ein Höhepunkt stand bevor. Zu Sonnenuntergang, sollte immer noch ein Teil von ihr durch den Mond verdeckt sein. Wie würde das aussehen? Einen Eindruck liefert das kleine Video.

Zufrieden packte dann jeder seine Ausrüstung zusammen und begab sich zu seinem Fahrzeug, während sich die Abenddämmerung über den Grand Canyon legte. Doch bevor man wieder auseinander ging, wurden noch die Adressen ausgetauscht, um sich die besten Aufnahmen zuzuschicken. Ein toller Tag in einer grandiosen Landschaft ging nach einem wunderbaren Naturschauspiel zu ende.

Das Video zur ringförmigen Sonnenfinsternis