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Wie kommen die Jahreszeiten zustande?

von Johannes V. Feitzinger

Der Ablauf der Jahreszeiten wird allein durch den Umlauf der Erde um die Sonne und die Neigung ihrer Polachse gegen die Bahnebene verursacht.

Jeder Zugvogel macht es uns vor: Je näher wir dem Äquator kommen, desto milder werden die Winter. Die Ausgeprägtheit der Jahreszeiten nimmt von Nord nach Süd ab, in Ost- und Westrichtung finden wir keine Unterschiede.

Überqueren wir den Äquator, drehen sich die Jahreszeiten um. Aus dem Frühling der Nordhalbkugel wird der Herbst der Südhalbkugel, aus dem nördlichen Sommer wird der südliche Winter.

Der Wechsel der Jahreszeiten erfolgt nach einem festen Jahresfahrplan, und diesen Fahrplan können wir an den Tageslängen ablesen. Im Winter sind die Tage kürzer und die Nächte länger, und die Sonne steht tief, im Sommer ist es umgekehrt. Die Änderung der Sonnenhöhe, die von Tag zu Tag sich ändert, fällt auf, wenn wir Wochen oder Monatsvergleiche durchführen und uns die Schattenlänge zum Beispiel eines Laternenpfahls einprägen.

Des Nachts erblicken wir mit der Jahreszeit wechselnde Sternbilder, wenn wir den Blick stets zur selben Nachtzeit zum Himmel richten. Die Größe der Sonnenscheibe jedoch bleibt für unser vergleichendes Auge über den Jahreslauf hinweg unverändert.

Für das Jahr 2003

Art Datum Zeit Mittagshöhe der Sonne für 50° Breite
Frühling 21. März 02:00 39° 25min
Sommer 21. Juni 20:10 62° 40min
Herbst 23.September 11:46 39° 59min
Winter 22. Dezember 08:03 15° 50min

Für das Jahr 2004

Art Datum Zeit Mittagshöhe der Sonne für 50° Breite
Frühling 21. März 07:48 39° 19min
Sommer 21. Juni 01:56 62° 40min
Herbst 22.September 17:29 39° 19min
Winter 21. Dezember 13:33 15° 50min

Wollen wir diese Beobachtungstatsachen auf einfachem Schulniveau messend erfassen, so eignen sich dafür Sonnenstand und Tages- und Nachtlänge. Schnell stößt man dabei auf vier besondere Tage im Jahreslauf: die zwei Tage der Tag- und Nachtgleichen (die Äquinoktien) und die zwei Tage des längsten und des kürzesten Tages (die Solstitien). An diese Tage ist durch historisch gewachsene allgemeine Übereinkunft der Wechsel der Jahreszeiten gebunden. Für 2003 und 2004 sind sie in obiger Tabelle angegeben.

An den Tagen der Tagundnachtgleichen ist die Mittagshöhe (MH) der Sonne: 90 Grad - geographische Breite (φ). An den Sonnenwendtagen ergibt sich die Mittagshöhe durch Addition oder Subtraktion eines zusätzlichen Winkels von 23.5 Grad.

Mittagshöhe bei der Sommersonnenwende = 90 Grad - (φ + 23.5 Grad) Mittägshöhe bei der Wintersonnenwende = 90 Grad + (φ + 23.5 Grad)

Aus den in Tabelle 1 angegebenen Werten ergibt sich eine unterschiedliche Länge für die Jahreszeiten (Tabelle 2).

Für astronomisch Fortgeschrittenere können wir die Formel der Mittagshöhe durch Einführung der Sonnendeklination verallgemeinern. Die Deklination gibt den Winkel an, den ein Gestirn aber oder unterhalb des Himmelsäquators steht. Für die Sonne ist die maximale und minimale Deklination δ = ± 23.5 Grad. Die Sonnendeklination ändert sich von Tag zu Tag (δ hängt von der Zeit T ab: δ (T)) und nur an den genannten vier Tagen werden obige Extrem- und Mittelwerte angenommen.

Wie kommt dies alles zustande?

Die Erde umläuft den Stern Sonne auf einer elliptischen Bahn, deren Ebene gegen den Erdäquator um ε = 23'5 (heutiger genauer Wert 23°439876) geneigt ist. Der kleinste Abstand der Erde von der Sonne beträgt 147.1 x 106 km, der größte Abstand 152.1 >< 106 km; im Jahre 1995 durchlief die Erde den sonnennächsten Bahnpunkt am 4. Januar um 12:00 Uhr, den sonnenfernsten Bahnpunkt am 4. Juli um 3:00 Uhr MEZ.

Die unterschiedliche Erdentfernung zur Sonne (Differenz 3%) ist also nicht der Grund für die Jahreszeiten. Die unterschiedliche Länge der Jahreszeiten hat allerdings ihre Ursache in den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Erde auf ihrer Ellipsenbahn.

Die mittlere Umlaufgeschwindigkeit der Erde beträgt 29.79 km/s. Im sonnennächsten Punkt ist die Geschwindigkeit 30.3 km/s, im sonnenfernsten Punkt 29.3 km/s. Das Winterhalbjahr der Nordhalbkugel ist daher etwa 8 Tage kürzer als das Sommerhalbjahr.

Als Folge der Bewegung der Erde um die Sonne sehen wir die Sonne im Laufe eines Jahres vor der fernen Kulisse der Sternbilder entlangwandern. Diese scheinbare Bahn der Sonne heißt Ekliptik und die von der Ekliptik durchkreuzten Sternbilder die zwölf Tierkreissternbilder. Nach heutiger Einteilung der Sternbilder entlang der Ekliptik kommt ein dreizehntes Sternbild, der Ophiuchus, hinzu.

Die Ekliptik schneidet den Himmelsäquator, oder anders ausgedrückt, die Bahnebene der Erde schneidet den Himmelsäquator an zwei Punkten, dem Frühlings- und dem Herbstpunkt. Äquatorebene und Bahnebene sind um die schon genannten 23°5 gegeneinander verkippt. Dies bedeutet, daß im Sommersolstitium die Sonne 23'5 nördlich des Äquators und im Wintersolstitium 23°5 südlich des Äquators steht.

Wir können es auch so ausdrücken: Die Erdachse (auf der der Erdäquator senkrecht steht) ist gegen die Bahnebene der Erdumlaufbahn um 23°5 geneigt. Die Zeitspanne zwischen zwei Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt heißt 1 Tropisches Jahr; es hat eine Länge von 365.24219879 Tagen.

Die Rotationsgeschwindigkeit der Erde am Äquator von 465.12 m/s macht die Erdkugel zu einem gewaltigen Kreisel mit einem Drehimpuls L = I x ϖ) = 7.27 x 1033 kg m2/s. Das Trägheitsmoment der Erde ist 1 = 1038 kg m2 und ihre Winkelgeschwindigkeit ϖ = 7.27 x 10-5 rad/s.

Der Drehimpuls ist eine Erhaltungsgröße. Greifen zusätzliche Drehmomente an, stellt er sich gleichsinnig parallel ein. Das bedeutet: Der Winkel zwischen Bahnebene und Äquatorebene bleibt erhalten. Die Richtung des Drehimpulsvektors (d. h. die Richtung der Erdachse) ändert sich jedoch im Laufe der Jahrtausende. Heute wird die Richtung durch den Polarstern angezeigt. In 12 000 Jahren wird es der Stern Wega im Sternbild Leier sein.

Die räumliche Lage der Erdachse bleibt also in erster Näherung während eines Bahnumlaufes konstant. In Abb. 1 ist dies für zwei Jahreszeiten (halbjähriger Unterschied in den Bahnpositionen) verdeutlicht. Im Nordsommer ist die Erdachse der Sonne zugeneigt, wir haben am Nordpol Polartag, am Südpol die Polarnacht. Ein halbes Jahr später ist es genau umgekehrt. Durch die Neigung der Erdachse steht also die Sonne einmal höher, das andere Mal tiefer am Himmel.

Ein von der Sonne parallel ausgehendes Strahlenbündel trifft die Erdoberfläche im Laufe eines Jahres unter verschiedenen Winkeln. An einem bestimmten Tage werden die unterschiedlichen geographischen Breiten ebenfalls unter verschiedenen Winkeln beleuchtet. In Abb. 2 ist dies dargestellt. Am Tag der Sommersonnenwende steht die Sonne senkrecht über dem Wendekreis des Krebses, also bei 23°5 nördlicher Breite. Bezogen auf die Zenitrichtung in den unterschiedlichen geographischen Breiten ist der jeweilige Komplementwinkel der Sonnenhöhe angegeben. Am Südpol herrscht Polarnacht, am Nordpol Polartag. Dort steht jetzt die Sonne 23°5 Grad über dem Horizont.

Je senkrechter ein Strahlenbündel (sagen wir von 1 cm2) auf eine Bodenfläche einfällt, desto gebündelter bleibt der Strahlungsfluß (Abb. 3), desto mehr Energie bekommt ein entsprechendes Flächenstück ab. Fassen wir dies mit Hilfe der Abb. 4 in Formeln zusammen. Der Beobachter P habe die geographische Breite φ. MH, die Mittagshöhe der Sonne, ist eine einfache Funktion des Sonnenlaufes. Ist MH bekannt, können wir den Sonnenstand leicht berechnen:

Der Winkel Θ bestimmt die Größe der Fläche, auf die ein Sonnenstrahlbündel verteilt wird. Je größer Θ ist (stets £ ± 90°), umso größer wird die Fläche am Erdboden.

 

Sei die Seite eines quadratischen Bündels b und die Seite der unter dem Winkel 19 beleuchteten Rechteckfläche auf dem Erdboden g, so ist

Ist b = g = 1, so ist Θ = O°, die Sonne steht senkrecht über dem Beobachter. Das geschieht im Laufe eines Jahres nur im Bereich zwischen den Wendekreisen (geographische Breite ± 23°5). Das Verhältnis b:g, das die Sonnenbestrahlung der Bodenfläche bestimmt, ist Funktion der geographischen Breite und der Jahreszeit.

Die Jahreszeiten entstehen also durch die wechselnde Höhe des Sonnenstandes. Der Sonnenstand wiederum ist Folge der Neigung der Erdachse und des gerade von der Erde bei ihrer Bahn um die Sonne eingenommenen Bahnpunkt. Da die Erwärmung oder Abkühlung von Meer, Land und Atmosphäre Zeit braucht, hinkt der für uns spürbare Jahreszeitenwechsel hinter den astronomischen Sonnenstandsdaten her.

Dieser Artikel erschien bereits in "Sterne und Weltraum", 10/1995