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Tag der offenen Tür beim Radioteleskop Effelsberg am 12. 9. 2004

von Günther Bendt

Anreise

Die Sonne schien, der Himmel zeigte ein klares Blau mit weißen Schönwetterwölkchen und es wehte ein angenehmer, leichter Wind. Ideale Bedingungen, um eines der größten Radioteleskope der Erde einmal persönlich aus nächster Nähe zu erleben. Wir - das sind Rainer Kolvenbach, Günther Bendt (der Verfasser dieses Berichtes), Stefan van Ree und Hardy Kirsch - waren gespannt.

Das Radioteleskop gehört dem Max Plank Institut für Radioastronomie (MPIfR). Es steht in einem tief eingeschnittenen Tal in der Gemeinde Effelsberg bei Bad Münstereifel. Schon bei der Anfahrt zum oberhalb gelegenen Parkplatz sahen wir den Rand der Antennenschüssel des Radioteleskops aus dem bewaldeten Tal ragen. Auf dem Fußweg vom Parkplatz hinab ins Tal bot die Antennenschüssel immer wieder einen neuen, beeindruckenden Anblick. Aber die tatsächliche Größe des Gerätes war erst erfassbar, als wir schließlich am Fuß des Radioteleskops standen.

Am Radioteleskop

Strahlend weiß ragte das filigrane, klar gegliederte Tragwerk der gewaltigen Antennenschüssel vor uns in den blauen Spätsommerhimmel. Mit 100 Metern Durchmesser und einer Gesamthöhe von 113 Metern ist das Effelsberger Radioteleskop heute das zweitgrößte, voll bewegliche Radioteleskop der Welt.

Das 3200 Tonnen schwere Gerät ist azimutal montiert und rollt auf vier Radsätzen mit jeweils acht Stahlrädern auf einem einbetonierten ebenen Tragschienenkreis von 64 m Durchmesser. Es kann hierauf in einem Zug um 480° mit maximal 32°/min gedreht werden. Jeweils vier Räder pro Radsatz werden mit geregelten Gleichstrommotoren ruckfrei angetrieben. Mit diesem Verfahren wird bei diesem riesigen Gerät eine Positionierungsgenauigkeit von 0,2 Bogensekunden erreicht. Von so etwas können wir Amateurastronomen bei unseren Montierungen nur träumen. Trotz seiner gewaltigen Größe wirkt das Teleskop wohlproportioniert und elegant.

Im Institutsgebäude

Neben dem Teleskop nehmen sich die an den Berghang gebauten mehrstöckigen Institutsgebäude geradezu winzig aus. Sie enthalten u. a, den Steuerraum des Teleskops, die Einrichtungen zur Durchführung der Messungen und für die Aufzeichnung der Messdaten, Seminar- und Vortragsräume, Laboratorien und eine feinmechanische Werkstatt.

In allen Räumen und Gängen herrschte an diesem Tag ein reger Betrieb. Überall waren die Mitarbeiter des Instituts umlagert von interessierten Besuchern und hatten viele Fragen zu beantworten.

In den Seminarräumen wurden die Arbeitsfelder des Radioteleskops und die dabei erzielten Ergebnisse in verständlichen und gut aufbereiteten Vorträgen präsentiert. Das einzige, was hierbei schließlich als fehlend erkannt wurde war der Sauerstoff im Vortragsraum, bedingt durch die ständige Anwesenheit so vieler interessierter Zuhörer. Aber die gekonnte Befriedigung der Neugier kann fehlenden Sauerstoff offensichtlich ersetzen. Im Steuerraum fand sich zu unserer Überraschung auch ein kleines Newton-Teleskop auf einer Zeiss-Montierung nebst einem Foto, das dieses kleine Gerät im Einsatz beim Venusdurchgang vom 8. Juni zeigte.

Auf dem Teleskop

Vor dem Radioteleskop drängte sich eine anscheinend unerschöpfliche Schlange von Besuchern, die die unterste Plattform des Gerätes besuchen wollten. In Gruppen zu 15 Personen wurden die Besucher mit Schutzhelmen versehen und konnten daraufhin unter der Führung und der Erklärung kompetenter Mitarbeiter des MPLA einen der Radsätze am Radioteleskop in Augenschein nehmen, den mächtigen zentralen Drehzapfen des Teleskops mit den darin geführten Leistungs-, Signal- und Steuerkabeln betrachten und dann mit dem Aufzug 23 m hoch zur untersten Arbeitsplattform hinauffahren.

Der Blick durch das Raster des Gitterbodens dieser Plattform auf den 23 Meter tiefer liegenden Betonboden des Schienenkranzes war zunächst gewöhnungsbedürftig, aber man konnte zum Ausgleich nun die Azimutalstellmotoren des Radioteleskops und den zugehörigen Zahnkranz mit seinem Radius von 28 Metern nun aus nächster Nähe und sogar in Aktion erleben, und das entschädigte für alles. Es war erstaunlich am eigenen Leib zu erleben, dass sich das 3200 Tonnen schwere Radioteleskop völlig ruckfrei drehen, schwenken und anhalten lässt.

Wir erfuhren, dass das Radioteleskop seit 1972 in Betrieb ist und für den Empfang von Radiowellen im bereich von 36 cm bis 3 mm ausgelegt ist. Die Brennweite des Spiegels beträgt 30 m, und das Auflösungsvermögen beträgt bei einer Wellenlänge von 3 mm zehn Bogensekunden. Die Messungen erfolgen in der Regel rund um die Uhr in bis zu 18 verschiedenen Frequenzbändern.

Wird das Gerät mit anderen Radioteleskopen zusammengeschaltet, die auf die gleichen Himmelskoordinaten zielen, lässt sich durch Überlagerung der von den Radioteleskopen zeitsynchron empfangenen Signale mittels Interfereometrie eine Auflösung der Quelle von 10-4 Bogensekunden erzielen.

Einsatzgebiete

Wesentliche Einsatzgebiete des Radioteleskops sind die Messungen der Radiostrahlung unserer Galaxis, um die Struktur der Galaxis und die Verteilung und Zusammensetzung von Molekülwolken und Magnetfeldern zu ermitteln. Hinzu kommt das Aufspüren und Vermessen von Supernovaüberresten, die Erfassung und Untersuchung von Pulsaren und die Messung der Strahlung von aktiven galaktischen Kernen. Zuweilen setzt man das Gerät aber auch ein, um Rechner aufzuspüren, die im Institutsgebäude störende Radiostrahlung produzieren. Schon die schwache Streustrahlung eines gewöhnlichen PCs kann den Empfang von Signalen aus den Fernen des Alls im Radioteleskop empfindlich stören oder sogar völlig unmöglich machen.

Das Radioteleskop steht in einem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Tal, das den "Blick" auf das Zentrum unserer Milchstraße ermöglicht. Das Tal bietet zugleich einen sehr guten Schutz vor störenden irdischen Funkwellen. Wer vom Radioteleskop aus mit dem Handy telefonieren will, hat schlechte Karten: Es gibt hier kein Netz (was ja auch logisch ist!).

Ausblick

In Kürze wird das Radioteleskop einen aktiv gesteuerten Sekundärreflektor erhalten, der den aus dem Öffnungsverhältnis von 1/0,33 resultierenden Restabbildungsfehler des Hauptspiegels korrigieren kann. Damit lässt sich eine weitere Verbesserung des Auflösungsvermögens des Radioteleskops im Sekundärfokus erzielen (siehe "Das Projekt Effelsberg 2004+." Neuer Sekundärspiegel mit aktiver Optik für das 100-m-Radioteleskop, MPIfR Pressemitteilung vom 10. September 2004).

Wann der nächste Tag der offenen Tür am Radioteleskop in Effelsberg stattfinden wird, steht noch nicht fest. Es empfiehlt sich auf jeden Fall gut aufzupassen, wenn der nächste Termin gemeldet wird, um diesen nicht zu verpassen.

von Günther Bendt