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Astronomie in Südtirol zur Zeit des Ötzi (3350-3100 v. Chr.)

Die Schalensteine am Pfitscher Sattel

Die Schalensteine am Pfitscher-Sattel sind „die eindrucksvollsten Steindenkmäler Südtirols“ (Hanspaul Menara), die zahlreiche astronomische Beobachtungen und Erkenntnisse der Menschen der Jungsteinzeit enthalten (Aribert Egen). Über dieses frühe Wissen wird im Folgenden berichtet. Dabei wird auf den Forschungsergebnissen von  Dr. Aribert Egen aufgebaut und durch eigene Forschungen, die im Laufe von 10 Jahren vor Ort erfolgten, weiter geführt.

Fast 2000 Meter oberhalb von Meran liegt in der Texelgruppe   auf  2130 Meter Höhe der Pfitscher Sattel, auch Pfitscher jöchl genannt. Er  ist im unteren Bereich der Spronser Seenplatte, einer Ansammlung von zehn einsamen Gebirgsseen. Von dort bietet sich ein prächtiger Ausblick nach Osten auf die Gipfel der Sarntaler Alpen und der Dolomiten. 

Die Umfassungsmauer

Am Sattel, einem flachen Gelände zwischen Fischbühel und den Ausläufern der Spronser Rötelspitz, fallen sofort Mauerreste aus geschichteten Glimmerschieferplatten auf. In der SO-Ecke einer Umfassungsmauer sind zwei Kammern zu erkennen, die durch einen großen Block geteilt werden. Eine kleinere Kammer ist noch in der NW-Ecke auszumachen.

Während die Mauer an der W-N-O-Seite bis zu etwa 1,50 m Höhe deutlich erkennbar ist, sind auf der S-Seite durch Bergstürze die Reste oft nur zu erahnen. Der umfriedete Bereich beträgt in OW-Richtung 53,5 m und in NS-Richtung 41,8 m und umfasst eine Fläche von etwa 1600 m². In Google Earth kann man die Mauer in den Koordinaten 46°43´37,89´´ N und 11°06´14,35´´ finden.

Was ist nun das Besondere an der Mauer?

Manche Experten glauben, dass sie eine neuzeitliche Umfassung eines Viehpferches ist. Wir, d.h. Dr. Egen und ich sind überzeugt, dass die ursprüngliche Anlage sehr viel älter ist. – Aber, wie weist man dieses nach?

Nach Prof. Alexander Thom, der in England mehr als 300 Steinsetzungen vermessen hat, gibt es einige Regeln die vielen dieser Anlagen gemeinsam sind. So wurden diese nach einem vorbestimmten Plan errichtet, sie enthalten oft astronomische Ausrichtungen und wurden durch geometrische Figuren (z.B. rechtwinkelige Dreiecke, Trapeze, Kreise und Ellipsen) konstruiert. Dabei sind Strecken und Umfänge meist in einem ganzzahligen Einheitsmaß ausgeführt. Einige dieser Regeln konnten z.B. schon bei Ausgrabungen in Lepinski Vir am Donauknie für die Zeit vor 7000 Jahren nachgewiesen werden.

Die  Umfassungsmauer  bildet ein unregelmäßiges Sechseck.

Die Verbindung  der Eckpunkte 1 und 2 weist zum Aufgangspunkt von Alcyone in den Plejaden in früherer Zeit, die Verbindung vom Eckpunkt 1 zum Eckpunkt 5 zeigt zur Wintersonnenwende, und die Verbindung vom Eckpunkt 5 zur markanten Felskante am großen Block zwischen den Kammern ergibt genau die  Nord-Süd-Richtung.

Damit sind schon einmal drei astronomische Aussagen gefunden.

Mit Hilfe von weiteren Verbindungslinien und 12 rechtwinkeligen Dreiecken kann in 13 Schritten das Sechseck konstruiert werden. Von den 12 Dreiecken sind zwei pythagoreisch  (1 – 4 – A und 1 – C - 5) und vier fast pythagoreisch mit einer Abweichung der Hypotenuse von weniger als 1% zur Ganzzahligkeit. Fünf Dreiecke haben jeweils zwei ganzzahlige Seiten und ein Dreieck (4 -2- 5), das  jedoch  nicht zwingend zur Konstruktion notwendig ist, hat keine ganzzahlige Seite.

Die Ganzzahligkeit der Strecken ergibt sich jedoch nur, wenn diese in Megalithischen Ellen gemessen werden. Aribert Egen hat anhand von 20 sorgfältig vermessenen Strecken ein Einheitsmaß von 0,836 m gefunden. Es weicht vom megalithischen Yard nach Thom um 7 mm (= 0,8%) ab, entspricht aber fast z.B.  der bayerischen Elle.

Die Hinweise auf einen nach den Regeln jener Epoche vorbedachten Bauplan sind so stark ausgeprägt, dass man mit großer Wahrscheinlichkeit  auf einen megalithischen Ursprung, also etwa auf 3500 bis 2000 v.Chr.,  schließen kann.

Vor einer weiteren Suche nach astronomischen Hinweisen, sollte geklärt werden, ob in dieser frühen Zeit Menschen im Hochgebirge und speziell am Pfitscher Sattel waren.

Mit dem Fund des 5300 Jahre alten  „Ötzi“ und den 1500 Jahre älteren Funden am Schnidejoch im Berner Oberland ist diese Frage heute eindeutig geklärt.

Auch die nähere Umgebung bietet Hinweise auf eine frühe Anwesenheit von Menschen. Ein mittelsteinzeitlicher Jägerrastplatz, einige 100 Meter vom Sattel entfernt, wurde durch Silexabschläge nachgewiesen. Und ein urzeitlicher Brandopferplatz, direkt neben der Archivplatte, ist für 1200 v.Chr. archäologisch dokumentiert. Das Bild zeigt die Ausgrabungen 1990 von Paul Gleirscher mit dem Brandopferplatz. Der Fund einer Lanzenspitze, eine spätbronzezeitliche Siedlung und eine römischen Fibel zeigen, dass immer wieder Menschen schon in früher Zeit in der Nähe des Pfitscher Sattels waren.

Die Schalensteine

Im Bereich des Pfitscher Sattels findet man zahlreiche Schalensteine.

Schalensteine sind Felsen mit Vertiefungen, den Schalen. Diese haben unterschiedliche Formen (meist rund), Tiefe und Größe. Die Anzahl der Schalen auf den Felsen reicht von einigen wenigen bis weit über hundert Schalen. Schalensteine kommen weltweit vor, vor allem in Nordeuropa und im gesamten Alpenbogen. Es gibt Felsen nur mit Schalen, sowie Felsen mit mehr oder weniger konkreten Felszeichnungen gemischt mit Schalen. Nach bisherigen Erkenntnissen sind die Schalen älter als die Zeichnungen.

Über die Schalensteine in Südtirol hat vor allem der Meraner Arzt Dr. Franz Haller geforscht und publiziert. In der Monatszeitschrift „Schlern“ werden auch heute noch von verschiedenen Autoren bekannte und neu entdeckte Schalensteine beschrieben.

Entstehung und Bedeutung der Schalen

Über die Entstehung der Schalen gibt es seit vielen Jahren Streit in der Literatur. Als Möglichkeiten werden z.B. diskutiert:

1. Ein natürlicher Ursprung bei der Gesteinsbildung oder durch Verwitterung
2. Ein Zeitvertreib gelangweilter Hirten
3. Künstliche Erzeugung der Schalen für kultische Zwecke durch bohren, schaben oder klopfen.

Vieles spricht dafür, dass die Schalen künstlich erzeugt wurden, sehr alt sind und kultischen Zwecken gedient haben. Dabei ist natürlich nicht auszuschließen, dass in einzelnen Fällen auch der natürliche Ursprung bzw. der Spieltrieb von Hirten oder Wanderern zur Entstehung beitrugen.

Akzeptiert man die Interpretation der künstlichen Erzeugung, dann stellt sich sofort die Frage nach der Bedeutung der Schalen. Als Möglichkeit werden z.B. genannt:

1. eine „Urschrift“ zur Kennzeichnung von Wegen und Grenzen
2. eine Darstellung von Sternbildern oder eine Kalenderfunktion
3. die Erzeugung von Steinstaub für kultische Zwecke oder ...
4. die Schalen dienten als Lichtträger bzw. Totenlichter oder für Flüssigkeiten

zu 1.Von einigen Forschern  wurden verschiedene Schalensteine identifiziert, in eine „Urschrift“ transkribiert und in eine „Ursprache“ übersetzt.

zu 2. Als nach dem Fund der Himmelsscheibe von Nebra Überlegungen zur Interpretation der Scheibe vorgelegt wurden, gingen diese aufgrund der Sonnen- und Sichelform sowie der kleinen Punkte als Sterne, ausschließlich in eine astronomische Richtung. Es liegt nahe, die Schalen auf den Felsen ebenfalls  als astronomische Aussagen zu interpretieren.

zu 3. Bis in neuerer Zeit kann man an manchen Wallfahrtskirchen den Brauch der Steinstaubentnahme beobachten, um vom Ort der Verehrung etwas mitnehmen zu können. Dabei entstehen Vertiefungen, die z.B. auch Schalenform haben können.

Zu 4. Die Bedeutung als Totenlichter ist beim Pfitscher Sattel deshalb naheliegend, da jahrhundertlang die Toten über das Spronser-Joch von Pfelders nach St. Peter beim Dorf Tirol getragen wurden und eine Rast am Pfitschersattel wahrscheinlich war. Die vorgeschlagene Aufnahme von Flüssigkeiten ist jedoch nur bei Schalen auf ebenen Felsplatten möglich, was bei vielen Schalen nicht zutrifft.

Neben einigen weiteren „exotischen“ Vorschlägen für die Bedeutung der Schalen bin ich mit Anderen nach langjähriger Forschungsarbeit überzeugt – ohne einen endgültigen Beweis vorlegen zu können – dass die Schalen verschiedene Symbole und Hinweise auf  Kulthandlungen darstellen und nicht nur eine einzige Bedeutung haben.

Zumindest für einige der Schalensteine am Pfitscher Sattel können jedoch eindeutig as­tronomische Informationen nachgewiesen werden. Darüber hinaus konnten an einem der Schalensteine am Sattel und an einigen am Weg dorthin eine „schriftliche“ Nach­richt gefunden werden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass noch weitere Informationen durch die Schalen verschlüsselt sind.

Die Schalensteine am Pfitscher Sattel

Innerhalb der Umfassungsmauer liegen zahlreiche Steinplatten aus Glimmerschiefer in einer weitgehend ebenen Wiese. Auf  29 Felsplatten (im Plan rot markiert) sind Schalen, sichtbar. Davon liegen 21 Schalensteine innerhalb der Mauer. Besonders bei flachem Lichteinfall am frühen Morgen sind die Schalen gut zu erkennen. Auf einigen der Platten sind mäanderförmige Linien und weitere Zeichnungen auffällig.

Ein direkter Zusammenhang zwischen der Umfassungsmauer und den Schalensteinen ist nicht zwangsläufig, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr groß.

Die Anlage ist zumindest für Südtirol einzigartig.

Die Anzahl der Schalen auf den jeweiligen Felsplatten ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von einigen wenigen, sehr flachen, Schalen bis zu besonders reichhaltigen Schalensteinen mit bis zu 186 z.T. größeren und tiefen Schalen. 

Drei besonders reichhaltige Platten haben moderne Namen:

Die Archiv- oder Kultplatte (Nr.38)

Sie liegt direkt am Wanderweg und meist der einzige Schalenstein, der von einigen Wanderern entdeckt wird. Sie ist eine ebene ca. 2x 2m große Platte, mit 169 halbmond- und kreisförmigen Schalen, die teilweise durch Rinnen verbunden sind. Von einer T-förmigen, nach Norden ausgerichteten Vertiefung liegen vier Schalen auf einer Linie und bilden mit 0,5 - 1 - 1,5  - 2 megalithischen Ellen Abstand einen frühen Längen ­Maßstab. Vielleicht nur ein Zufall? Die Bedeutung der Nordrichtung wird später noch genauer betrachtet.  In Bild sind vor allem die großen mit Wasser gefüllten Schalen zu erkennen. 

Die Sonnenplatte (Nr.4)

Ein Felsen mit insgesamt 186 kleinen Schalen, der bei günstigem Sonnenstand am Morgen besonders auffallend glänzt. Bemerkenswert sind die konzentrischen Kreise, die in frühen Kulturen häufig der Sonne zugeschrieben wurden. Einige Halbschalen am Rande des Felsens sind ebenfalls ungewöhnlich.

Direkt neben der Sonnenplatte liegt ein weiterer Schalenstein mit 158 Schalen. Beide Felsplatten gehören zu einer ellipsenförmigen Ansammlung von Steinen, von denen weitere drei Schalen enthalten.

Leider ist eine zuverlässige Interpretation dieser Schalensteine – wie auch für die meisten anderen am Pfitscher Sattel - z.Zt. noch nicht möglich.

Die Sternplatte oder der Schalenstein West (Nr. 37)

Die Sternplatte ist der westliche Eckpunkt der Umfassungsmauer mit vielen Schalen und mäanderförmigen Linien und nach den bisherigen Erkenntnissen der wichtigste Schalenstein, wie im Folgenden noch ausführlich gezeigt wird.

Astronomische Peilungen

Aus den verschiedenen Schalenformen lassen sich – falls man eine astronomische Bedeutung in Betracht zieht – für Sonne, Mond und Sterne unterschiedliche Symbole deuten.  Die kleine Tabelle zeigt mögliche Interpretationen.

Dabei könnten mit den jeweiligen Symbolen für Sonne, Mond und Sterne eine konkrete Himmelskarte dargestellt oder eine Peilung zum Horizont nach Sonnen-, Mond- und Sternaufgängen dokumentiert werden. Denkbar ist auch eine mehrfache Bedeutung (Sternkarte und Peilung) – was eine Interpretation natürlich nicht einfacher macht.

Bei frühzeitlichen Sonnenobservatorien, wie z.B. Goseck in Sachsen Anhalt oder New­grange in Irland, wurden durch bauliche Maßnahmen eine Ausrichtung zu bestimmten Sonnenereignissen, z.B. zum Sonnenaufgang zur Wintersonnenwende, erreicht.

Franz Haller u.a. führen als Beweis für eine Sonnenkultstätte am Pfitscher Sattel Peilungen zu Sonnenaufgängen zur Zeit ihres Stillstandes (Solstitium) an, d.h. zur Sommer- oder Wintersonnenwende. Allerdings enthielten die meist theoretischen Ergebnisse am Schreibtisch systematische Fehler, da die verwendeten Solstitialwinkel z.T. falsch waren bzw. nur für einen ebenen Horizont gerechnet wurden. Diese Messfehler machten die großen Verdienste von Haller bei der Dokumentation der Südtiroler Schalensteine bei deren Interpretation anfechtbar. Sie führten auch dazu, dass verbesserte Erkenntnisse späterer Forscher von verschiedenen Facharchäologen, aufgrund fehlender Kenntnisse der astronomischen Zusammenhänge, ohne weitere Überprüfungen abgelehnt wurden.

Auf der Sternplatte ergeben jedoch spezielle Schalen und Gravierungen Hinweise auf entsprechende Peilungen zu markanten Sonnen- und Mondaufgängen (die Beobachtung der Untergänge sind aufgrund der hohen Berge im Westen nicht sinnvoll). Über ein Schalenpaar konnte eine bestimmte Stelle am Horizont anvisiert werden und so der „Merkpunkt“ für eine bestimmte Auf- oder Untergangsposition eines Himmelsobjektes sein.

Diese „Methode“ ist vergleichbar mit Panoramatafeln auf Aussichtspunkten, die die Richtung zu bestimmten Gipfeln oder Sehenswürdigkeiten zeigen. Als Beispiel das Bild eines besonders schönen Exemplars einer Panoramatafel aus Nizza. Neben der Richtung findet die Erklärung des Ziels durch die Nachbildung der Bergformen und die Angabe des Bergnamens statt. Es sind also mindestens zwei Angaben erforderlich: Richtung und Beschreibung des Ziels.

Durch eine Peilung mit Lot oder Stab über zwei Schalen könnte die praktische Anwendung erfolgt sein. Am Horizont musste man sich die für ein bestimmtes Ereignis, z.B. die Sommersonnenwende, zutreffende Geländeformation merken und konnte dort den Aufgang des entsprechenden Himmelsobjektes beobachten. Da mehrere Peilungen auf der Platte vorhanden sind, müssen diese durch geeignete Hinweise (siehe Vergleich mit der Panoramatafel) kenntlich gemacht werden.

Auf der Sternplatte sind Sonnen- und Mondpeilungen, die alle in einem Punkt zusammenlaufen, durch entsprechende Schalen gekennzeichnet. Die Peilungen betreffen die Sommer- und Wintersonnenwende und die Tag- und Nachtgleiche im Frühling und Herbst. Da der Mond etwa 5 Grad gegen die Erdbahn geneigt ist, kann der Horizontbogen um 5 Grad größer oder 5 Grad kleiner sein. Man spricht dann von der Großen oder Kleinen nördlichen oder südlichen Mondwende.

Am realen Horizont konnte man dann die speziellen Aufgänge von Sonne und Mond beobachten und mit entsprechenden Erfahrungswerten, z.B. Beginn des Frühlings, verknüpfen. Besonders spektakulär ist die Beobachtung der großen südlichen Mondwende am Pfitscher Sattel, die alle 18,6 Jahre stattfindet, wenn der Mond etwa eine Stunde lang knapp über dem südöstlichen Horizont bis zur Taufenscharte wandert.

Die Sternpeilungen

Da noch viele weitere Schalen auf der Sternplatte sind, liegt es nahe, diese nach Sternpeilungen zu überprüfen.  Während für Sonne und Mond die Auf- und Untergangspunkte am Horizont im Laufe der Jahrtausende nur relativ geringen Schwankungen unterlagen, ist dies bei den Sternen nicht der Fall. Aufgrund der Präzession der Erde ändern sich Azimut und Deklination der Sterne, d.h. je nach betrachtetem Zeitpunkt gehen die Sterne an unterschiedlichen Orten auf  bzw. unter. Eine ermittelte Sternpeilung ist also nur für einen bestimmten Zeitpunkt genau gültig.

Damit kommt das Alter der Schalen auf den Felsen ins Blickfeld. Durch übliche archäologische Methoden ist eine Altersbestimmung bisher nicht gelungen.

Aribert Egen hat die Aufgänge der 18 hellsten Sterne für die Epochen zwischen –1000 und –4000 am realen Horizont berechnet und mit den Peilungen auf der Sternplatte  verglichen. Für –2500 (in der Abb. rot unterlegt) ergibt sich die größte Übereinstimmung mit den meisten Treffern.

Eine genauere Betrachtung einzelner Sterne  ergibt -2450 als wahrscheinlichen Zeitpunkt der Entstehung der Sternpeilungen und damit der Schalen auf den Platten. Diese Zeit entspricht in etwa auch den Angaben die Dr. Raimo Lunz für einige Schalensteine des Pfitscher Sattels annimmt.

Die Berechnungen Egens konnten mit Hilfe des Astronomie-Programmes Stellarium, in das ein realistischer 360-Grad-Horizont eingefügt wurde, unabhängig überprüft und im Rahmen der Fehlertoleranz für alle 18 betrachteten Sterne bestätigt werden. Dabei wurden auch die atmosphärisch bedingten Störungen durch die Refraktion und Extinktion bei den Sternaufgängen berücksichtigt.

Die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Übereinstimmung aller 18 ermittelten Peilungen mit den tatsächlichen Sternaufgängen ergibt sich aus: p(18) = (Zielkreisdurchmesser / Deklinationsbereich)18 = (2/80) 18 =  ca. 10-29. Der Zufall kann daher ausgeschlossen werden.

Die Abbildung der Sternplatte zeigt die Peilungen für 18 der hellsten Sterne am Nord-himmel – erkennbar am α- oder β-Zeichen vor dem lateinischen Kürzel des Sternbildes, von Arctur (αBootes) bis Rigel (βOrion). Alleine die Tatsache, dass man die hellsten Sterne anpeilte und nicht einfach beliebige Sterne, sprechen bereits für eine systematische Beobachtung. Und weitere konkrete Nachweise folgen.

Konkrete Sternbilder

Beim erwähnten Beispiel der Panoramascheibe war neben der Peilrichtung auch eine Erklärung des Peilzieles wichtig. Bezogen auf die Peilsterne war die plausibelste Lösung  die Darstellung von Sternbildern durch Schalen, wie auf einer Sternkarte. Auf diesen naheliegenden Gedanken kam ich jedoch erst nach einigen Umwegen. Durch die Überlagerung  eines Sternbildes aus einem Sternatlas und Fixierung auf den jeweiligen Peilstern, wobei nur Größe und Richtung der Zeichnung verändert werden durfte, konnten die jeweiligen Schalen identifiziert werden. Und es war eine spannende Erkenntnis, als ich der Reihe nach für alle Peilsterne auch die zugehörigen  Sternbilder fand. Dass sich diese – bis auf einen Fall – nicht überschnitten, und deren Ausrichtung auf der Stern­platte recht genau auch der tatsächlichen Ausrichtung am Horizont entsprachen, waren dann noch die Sahnehäubchen und eindeutige Nachweise, die die astronomischen Thesen eindrucksvoll unterstützen.

Eine weitere Überprüfung auf Plausibilität der gefundenen Sternbilder zeigt die Tabelle „Helligkeitsüberprüfung“. Falls die Sternbild-Überlegung richtig ist, sollten vor allem die helleren Sterne eines jeweiligen Sternbildes durch Schalen dargestellt werden. Die Zahlen in der Tabelle geben die scheinbare Helligkeit eines Sterns in Größenklassen an.  Dabei ist z.B. ein Stern 1. Größe um den Faktor 2,5 heller als ein Stern 2. Größe, d.h. je kleiner die Zahl umso heller der Stern. Aus der Tabelle erkennt man, dass für alle betrachteten Sternbilder mindestens die beiden hellsten Sterne durch Schalen dargestellt sind. Je größer die Helligkeit weiterer Sterne im jeweiligen Sternbild ist, umso wahrscheinlicher sind dafür Schalen vorhanden. Besonders schöne Beispiele sind hier Löwe, Jungfrau, Orion und Skorpion, vor allem aber auch der Große und Kleine Wagen. Mit diesen beiden Sternbildern, die nicht zu den Peilsternbildern zählen werden wir uns noch näher befassen.

Zu beachten ist, dass die Sternbilder auf der Sternplatte kein Teil einer Sternkarte sind sondern lediglich eine bildhafte Beschreibungen für die Peilrichtungen. Trotzdem ist die Darstellung von 15 konkreten Sternbildern in dieser frühen Zeit weltweit einmalig. Alles was hier aus Babylon, Ägypten und China bekannt ist, ist mehr als 1000 Jahre jünger.

Aber wurden die Sternbilder von den Menschen am Pfitscher Sattel genauso gesehen? Dazu muss man den inneren Aufbau des Auges betrachten. Obwohl ein gesundes Augenpaar fast 180 Grad Sehwinkel hat, sieht es aufgrund der Verteilung der lichtempfindlichen Zäpfchen nur im Zentrum der Netzhaut etwa 20-30 Grad scharf. Es fällt nun auf, dass der überwiegende Teil der alten Sternbilder etwa diese Ausdehnung am Himmel haben und „auf einen Blick“ erkannt werden können. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass bei einem Blick zum Himmel die gleichen helleren Sterne wie heute zu einem Sternbild verknüpft werden. Die Mustererkennung im Gehirn spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

Dabei sind natürlich die Verbindungslinien und die Namen der Sternbilder je nach Kulturkreis unterschiedlich. Ein besonders bekanntes Beispiel ist der Große Wagen von dem man z.B. in Ägypten, China und bei den Indianern Nordamerikas, bei Verwendung der gleichen Sterne, völlig unterschiedliche Figuren „gesehen“ hat.

Welche Bedeutung die Beobachtung der Sterne und deren Aufgangspunkte gehabt haben, entzieht sich unserer Kenntnis. Auch wenn Zeit und die klimatischen Verhältnisse  von Griechenland nicht für den Pfitscher Sattel zutreffen, lohnt es doch, sich einen Auszug aus Hesiods, „Werke und Tage“ (um 700 v.Chr.)  als Beispiel für die Einbeziehung von Sternen für die Feldarbeit zu betrachten. In diesem kurzen Abschnitt werden acht der achtzehn auf der Sternplatte angepeilten  Sterne direkt oder indirekt angesprochen. 

Durch Capella (aAur) und Spica (aVir), deren heliakische Aufgänge – das ist die erste Sichtbarkeit nach längerer Unsichtbarkeit - Anfang März und Ende August stattfanden, könnten z.B. Aussaat und Ernte angezeigt worden sein und so einen Bauernkalender darstellen. Vielleicht kann damit auch die besonders große Schale bei Spica als Opferschale zum „Erntedank“ erklärt werden.

Trotz der konkreten Sternpeilungen wissen wir nur wenig über den Zweck früher Sternbeobachtungen. Die Astronomie, die als älteste Wissenschaft gilt, war mit dem Glauben und der Mythologie der damaligen Menschen verbunden. Selbst von den Babyloniern – die allgemein als die ältesten Astronomen gelten - sind erst spätere Beobachtungen bekannt. Es ist daher schon eine Besonderheit der Kultstätte auf dem Pfit­scher­ Sattel, dass es so früh so viele astronomische Hinweise gibt.

Und die Beweisführung ist immer noch nicht am Ende.

Nicht alle Sternbilder sind das ganze Jahr sichtbar. So gibt es z.B. typische Winter- und Sommersternbilder. Da die Zugänglichkeit des Sattels etwa zwischen Mai bis Mitte Oktober liegt, musste auch überprüft werden, ob die ermittelten Sternpeilungen in der angegebenen Zeit überhaupt beobacht­bar waren. Die klimatischen Kalt- und Warmzeiten, die eine längere oder kürzere Zugänglichkeit des Pfitscher Sattels beeinflusst haben könnten, wurden nicht berücksichtigt.

Da geländebedingt vermutlich nur die Aufgänge der Sterne beobachtet wurden, wurden jeweils zwei markante Aufgangszeiten betrachtet: den heliakischen Aufgang (erste Morgensichtbarkeit) und den akronychischen Aufgang (Aufgang bei Sonnen­untergang). 

Die Grafik zeigt die Tag- und Nachtsituation für den Pfitscher Sattel und exemplarisch für einige Peilsterne die am realen Horizont ermittelten Aufgangszeiten. Dabei wurde auch die Sternhelligkeit bei verschiedenen Dämmerungsphasen beachtet.

Ergebnis: Alle betrachteten 18 Sterne konnten während der vermuteten Zugangszeit beobachtet werden, wobei jeweils zumindest ein ausgezeichneter Aufgang, heliakisch oder akronychisch, beobachtbar war, eine wesentliche Voraussetzung für die astronomischen Thesen.

Es ist verwunderlich, dass die Peilungen nur über eine kurze Strecke auf der Sternplatte erfolgten. Ein Versuch diese Peilungen über den ganzen Kultplatz zu legen ergab, dass einige Peilungen über mehrere Schalensteine gingen. So berührt z.B. die Peilung zu Sirius insgesamt noch drei weitere Schalensteine. Oder die Peilung zu Alcyone in den Plejaden berührt die Platte 21, geht über die Archivplatte 38 und die außerhalb der Mauer liegenden Steine 33 und 34. Hier lädt ein bemerkenswertes Detail auf der Archivplatte zur Spekulation ein: Eine Ansammlung von mehreren Schalen könnten die Plejaden darstellen. Zumindest ist hier die Anordnung der Schalen deutlich konkreter als bei der „sicheren“ Interpretation der Plejaden auf der Himmelsscheibe von Nebra.

Eine abschließende Untersuchung zu diesen verlängerten Peilungen steht noch aus.

Der Blick nach Norden

Die Abbildung „Peilungen auf der  Sternplatte“ zeigt zu den bisher behandelten Sternbildern noch den Großen und Kleinen Wagen. Die beiden nach Norden ausgerichteten Sternbilder gehören nicht zu den Peilsternbildern. Sie führen uns jedoch zu einer weiteren überraschenden astronomischen Interpretation. 

Bevor ich jedoch darauf zu sprechen komme, möchte ich eine Entdeckung im Jahr 2014 erwähnen. Bei meinen Forschungen am Pfitscher Sattel in den letzten neun Jahren war ich immer bestrebt, keine Spuren zu hinterlassen. Selbst die übliche Kreide zur Kennzeichnung der Schalen wurde  äußerst selten verwendet. Die inzwi­schen von mir verwendeten farbigen Kugeln sind (meist) ein wesentlich besserer Ersatz. Da die zentrale Peilschale auf der Sternplatte von Jahr zu Jahr immer zugewachsen war, habe ich 2014 vorsichtig die Grasnarbe entfernt und zu meiner Überraschung vier weitere Schalen gefunden. Besonders faszinierend war aber der kleine Felsabsatz der mitten durch die zentrale Peilschale geht und genau nach Norden ausgerichtet war. (siehe Abb. Schrift auf der Sternplatte)

Die neuen Schalen werden uns noch beschäftigen. Zunächst betrachten wir jedoch die Hinweise auf den Nordpunkt. Neben dem nach Norden ausgerichteten Längenkomparator auf der Archivplatte, der nach Norden zeigenden Verbindungslinie Eckpunkt 5 zum großen Kultstein und die nach Norden zeigenden Sternbilder Großer und Kleiner Wagen gibt es nun einen weiteren Hinweis auf den Nordpunkt am Himmel.

Der ruhende Himmelspol galt in der Mythologie vieler alter Kulturen als besonders bedeutungsvoll und heilig, da alle Sterne nördlich des Äquators um ihn kreisten. Und die ständig sichtbaren Zirkumpolarsterne symbolisierten Unsterblichkeit und der Himmelspol war z.B. in China der symbolische Sitz des Kaisers. Die Zirkumpolarsterne wurden seit frühester Zeit zur nächtlichen Zeitmessung und zur Beobachtung der Jahreszeiten verwendet. Sie wurden daher besonders beobachtet. Warum nicht auch am Pfitscher Sattel?

Präzession vor 4500 Jahren erkannt?

Ein Blick von der Sternplatte nach Norden zeigt den scheinbar höchsten Gipfel, einen unbedeutenden Vorgipfel des Schwarzkopfes, der rechts als niedrigere Erhebung sichtbar ist. In der Mitte des nach rechts ziehenden Grates ist genau Norden, wie man am darüber stehenden Polarstern erkennt.

Um 2000 ist an dem blau unterlegten Kreis deutlich erkennbar, dass der Große Wagen in der tiefsten Stellung, der unteren Kulmination, ganz hinter den Bergen verschwindet.

Betrachtet man die Verhältnisse um 3200 v.Chr. Aufgrund der Präzession der Erde war damals der Himmelspol der Stern Thuban im Drachen (α Dra). Durch diese Verschiebung war der Große Wagen gerade zirkumpolar, d.h der untere Kastenstern Merak (β Uma)  streifte gerade über den Schwarzkopf und den Vorgipfel und wurde kurzzeitig bedeckt. Für einen möglichen Beobachter war diese Bedeckung  sicher auffallend.

Um 2400 v. Chr. wurde unser heutiger Polarstern (α Umi) so an den Rand des Zir­kum­polar­kreises gedrängt, dass dieser ebenfalls kurzzeitig hinter den Bergspitzen verschwand.

Wir wissen nicht, ob die Beobachter der Frühzeit diese Veränderung durch die Präzession der Erde wirklich auch beobachtet und registriert haben. Die beiden Sternbilder Großer und Kleiner Wagen auf der Sternplatte lassen es zumindest denkbar erscheinen. Und eine doppelte Peillinie zu Sirius auf der Sternplatte (s. Abb. Peilungen der Sternplatte), die möglicherweise die Verschiebung des Siriusaufganges am Horizont dokumentiert, könnte ein weiterer Beweis dafür sein, dass möglicherweise Hipparch mit der Entdeckung der Präzession  2500 Jahre zu spät kam.

Das würde jedoch bedeuten, dass die Beobachtungen mindestens schon um etwa 3200 v. Chr. begonnen haben. Damit sind wir recht genau in der Zeit von „Ötzi“ (um -3350 bis -3100), der in einer Entfernung von 11 km Luftlinie 1991 am Tisensjoch gefunden wurde.

Alle bisher vorgetragenen Erkenntnisse sind Fakten, die jederzeit nachmessbar bzw. nachprüfbar sind, falls ein geeignetes Astronomie-Programm für die frühen Zeiten mit realem Horizont zur Verfügung steht. Ob und vor allem warum die frühen „Südtiroler“ diese astronomischen Beobachtungen am Pfitscher Sattel gemacht haben steht im wahrsten Sinn des Wortes „in den Sternen“.

Die Erkenntnisse des folgenden Abschnittes sind nicht messbar und erfordern etwas Fantasie, wenngleich ich die bisherigen Ergebnisse durchaus für plausibel halte.

Urschrift auf den Schalensteien

Bei der Beschreibung der Bedeutung der Schalen wurde erwähnt, dass sich hinter den Schalen auch eine einfache „Urschrift“ verbergen könnte.

Die grundsätzliche Frage ob durch Schalen eine „Schrift“ darstellbar ist, ist im Zeitalter der Digitaltechnik sehr schnell beantwortet. Blindenschrift, Fernschreibcode oder Barcode beantworten diese Frage eindeutig positiv.

Verschiedene Forscher  haben in der Tifinagh-Schrift, die heute noch in Nordafrika zu finden ist, eine mögliche „Urschrift“ gefunden und nachgewiesen. Diese wurde bereits in der Bronzezeit von den „Nordmeerleuten“ oder „Seevölkern“ nach Nordafrika und bis nach Nordamerika verbreitet. Diese „Urschrift“ ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf einigen Schalensteinen – neben den astronomischen Informationen – identifiziert und in eine „Ursprache“ übersetzt worden. Eine genauere Erklärung der Transkription und Übersetzung kann in den Büchern von Dietrich Knauer und Herbert Kirnbauer nachgelesen werden. Nicht alles ist für mich nachvollziehbar, aber viele Erkenntnisse sind doch recht verblüffend.

Für die bisher betrachteten Schalensteine in der Texelgruppe konnte Herbert Kirnbauer, dem ich an dieser Stelle recht herzlich danke, einige plausible Interpretationen liefern.

Auf der Sternplatte konnten im bisher noch nicht identifizierten Bereich der Mäander unter Einbeziehung der neu gefundenen Schalen zwei Texte identifiziert werden:

Text A:  L(A) WAGH A = Da (geht) Weg hin

Text B: A WAGH AL AQUWA = Da Weg hin zum Wasser

Ob mit dem „Wasser“ die nahe Pfitscher Lacke oder einer der anderen höher gelegenen Seen gemeint ist oder z.B. der Wasserfall nahe der Oberkaseralm ist nicht zu klären.

Mit dem Hinweis auf Wasser sind möglicherweise auch die mäanderförmigen Linien auf der Sternplatte erklärbar, da vergleichbare Linien z.B. als „Makkaroni-Malereien“ in der jungpaläontologischen Höhlenkunst oft mit Wasser in Verbindung gebracht werden.

Ein weiteres Beispiel vom Hochganghaus, das am südlichen Weg zu den Spronser Seen liegt. Dort wurde beim Umbau vor einigen Jahren ein Schalenstein gefunden. Er wurde erfreulicherweise nicht zerstört sondern deutlich sichtbar neben der Eingangstüre mit einem Hinweisschild präsentiert. Auch diese Schalen konnte Herbert Kirnbauer übersetzen: Habe dahin einen Weg zum Seepfad. Der Fußabdruck weist hinauf zu den Spronser Seen, wobei einige Schalen vielleicht auch die verschiedenen Seen symbolisieren sollen.

Auf dem östlichen Zugang zum Pfitscher Sattel konnte beim Unge­richthof  in Kuens ein Schalenstein mit einem Hinweis  auf den Weg zum „Heiligtum“ übersetzt werden. Mit diesem, etwas abseits gelegenen Schalenstein soll daran erinnert werden, dass die Kultstätte am Pfitscher Sattel nicht isoliert betrachtet werden darf. Schalensteine sind an den Zugängen als Wächter oder Wegweiser zum Kultplatz und werden ergänzt durch zahlreiche  noch nicht entschlüsselte Schalensteine in den tieferen Lagen am Fuß der Texelgruppe.

Hier sind noch viele Fragen offen und bedürfen weiterer ernsthafter Forschungen.

Bilanz für die Kultstätte am Pfitscher-Sattel

  • Das Alter der Schalensteine beträgt ca. 4500 Jahre
  • Der Kultplatz im Hochgebirge ist astronomisch ausgerichtet
  • Die Kardinalrichtungen (NOSW), Sonnen- und Mondwenden sind bekannt
  • Beobachtung der Aufgänge von Sonne, Mond und Sternen durch Peilungen
  • einige Sternbilder sind bekannt und durch Schalen dargestellt
  • Es gibt eine Symbol-”Schrift” durch Schalen dargestellt
  • Beobachtung der Auswirkung der Präzession über längeren Zeitraum

Offene Fragen

  • Warum betrieb man in einer so unwirtlichen Gegend Astronomie?
  • Welche Bedeutung haben die verschiedenen Sternpeilungen im täglichen Leben?
  • Wurden die Planeten beobachtet? Gibt es Hinweise darauf?
  • Welche Bedeutung haben die mäanderförmigen Linien und Zeichen?
  • Welche Bedeutung haben die Schalen auf den anderen Schalensteinen?
  • Gibt es weitere astronomische Beobachtungen an anderen Schalensteinen?

Auch wenn vielleicht die eine oder andere Aussage überinterpretiert ist, bleiben zahlreiche astronomische Hinweise auf den Schalensteinen. Möglicherweise haben wir am Pfitschersattel die älteste Sternwarte der Welt in situ, von der eine Fülle von astronomischen Beobachtungen dokumentiert sind?

Dank an Dr. Aribert Egen

Dieser Beitrag hätte ohne die sorgfältigen Messungen und die scharfsinnigen Schlussfolgerungen des Geometers Dr. Aribert Egen aus Bremen nicht erstellt werden können. Herr Dr. Egen hat von 1983 bis 1989 noch als 80-jähriger die Schalensteine am Pfitschersattel vermessen und mit großer Sorgfalt und Akribie ausgewertet. Nur wer selbst einmal mit schwerem Rucksack zum Pfitschersattel hinauf gewandert ist und vor Ort Messungen und Zeichnungen durchgeführt hat, kann die Leistung würdigen und bewundern.

Herr Dr. Egen starb am 11. Oktober 2002 mit 93 Jahren. Leider konnte ich ihn nicht mehr kennen lernen. Seit mehreren Jahren versuche ich durch Beobachtungen am Pfitscher Sattel seine Überlegungen weiter zu entwickeln und verantwortliche Stellen dafür zu sensibilisieren und einem breiteren Publikum vorzustellen, um die überaus verdienstvolle Arbeit von Herrn Dr. Egen vor dem Vergessen zu bewahren.

Herrn Prof. Peter Richter danke ich herzlich für die Genehmigung Abbildungen aus dem Buch „Sterne, Mond, Kometen. Bremen und die Astronomie“ verwenden zu dürfen.

Über den Autor Roland Gröber

Roland Gröber ist Jahrgang 1941, Diplomingenieur für Nachrichtentechnik. Er arbeitete 35 Jahre in einem großen Chemieunternehmen und ist seit 2001 im Ruhestand.

Bereits als kleines Kind schmökerte er im dicken Astronomiebuch Littrow, Wunder des Himmels, aus der Bibliothek seines Großvaters. Erste praktische astronomische Beobachtung war die fast totale Sonnenfinsternis am 15.2.1961 mit einer Lochkamera. Zu einem eigenen Fernrohr reichte es erst Jahrzehnte später. Das Interesse für die Archäologie wurde durch die aktive Teilnahme an diversen Grabungen und Reisen zu archäologischen Highlights in Europa, Mittel- und Südamerika gefördert. Durch die Diskussion zur Bedeutung der Himmelsscheibe von Nebra wurden die beiden Interessengebiete Archäologie und Astronomie zu seinem neuen Interessenschwerpunkt: Archäoastronomie. Seit mehr als 10 Jahren versucht er die Geheimnisse der Schalensteine in Südtirol zu lösen. Speziell am Pfitscher Sattel bei Meran vermutet er eine frühzeitliche astronomische Beobachtungsstätte.

Er ist u.a. Mitglied bei der Gesellschaft für Archäoastronomie und bei den Sternfreunden Köln.

Über seine Interessengebiete hat er in zahlreichen Vorträgen und Publikationen berichtet. Eine umfangreiche Bibliothek unterstützt ihn dabei.

Buch zum Thema

Das Bergheiligtum am Pfitscher Sattel bei Meran

Schalensteine und astronomische Beobachtungen in der Kupferzeit (ca. 3200 v.Chr.)
von Roland Gröber

Im Buch werden Forschungsergebnisse am Pfitscher Sattel in der Texelgruppe über mehr als 20 Jahre mit zahlreichen Bildern und ausführlichen Texten vorgestellt. Die oft kontroversen Diskussionen zur Bedeutung der Schalensteine konnte für diese Örtlichkeit mit eindeutig nachprüfbaren Argumenten geklärt werden. Neben astronomischen Beweisen, die eine Datierung einiger Schalen ermöglichte, werden auch Hinweise auf eine „Urschrift“ belegt und vorgestellt.

Das Bergheiligtum am Pfitscher Sattel ist möglicherweise die älteste Sternwarte der Welt „in situ“.

Herausgeber: Eigenverlag Roland Gröber
Umfang: 128 Seiten, 182 Abbildungen,
Format: DIN A5 (14,8 cm x 21 cm) broschiert.

Vk-Preis: 8 €

Bezugsquelle:rgroeber@gmx.de

Literatur

Biedermann, Hans: Höhlenkunst der Eiszeit – Wege zur Sinndeutung der ältesten Kunst Europas. Dumont Buchverlag Köln, 1984, dumont Taschenbuch  154

Egen, Aribert: Das Spronser Bergheiligtum bei Meran. Die älteste Sternwarte der Menschheit in situ? in: Richter, Peter (Hsg.): Sterne, Mond, Kometen. Bremen und die Astronomie. Hauschild. Bremen, 1995.

Fell, Barry: Bronze Age in America, Toronto 1982.

Gleirscher, Paul: Ein urzeitliches Bergheiligtum am Pfitscher Jöchl über Dorf Tirol? In: Der Schlern 67 Heft 6/ 1993 Seite 407 - 435. Athesia, Bozen.

Haller, Franz: Die Welt der Felsbilder in Südtirol. Schalen- und Zeichensteine. Hornung Verlag Viktor Lang, München, 1978. Darin: Die Sonnenkultstätte am Pfitschersattel nördlich Meran, Seite 94 - 106.

Kirnbauer, Herbert: Steinzeit-Code. Die Schalenstein-Schrift. Freya 2012

Knauer, Dietrich: Die Rätsel der Felsbilder und Schalensteine – Die älteste Sprache und Schrift Europas. M. Damböck, A-3321 Ardagger 1987.

Krupp, Edwin C.: Astronomen, Priester, Pyramiden. Das Abenteuer Archäoastronomie. C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1980. Darin u.a.: Alexander Thom und Archibald Stevenson Thom: Geometrie und Astronomie der Jungsteinzeit (S. 45 ff)

Leist, Philip: Schalensteine auf der Langseeplatte. In: Der Schlern 69/ Heft 5/ 1995. Seite 304 - 306. Athesia, Bozen.

Lunz, Reimo: Archäologische Streifzüge durch Südtirol (2 Bände). Verlagsanstalt Athesia, Bozen. 2006

Menara, Hanspaul: Südtiroler Urwege. Athesia. Bozen 1984. Darin: Die Bildsteine von Sprons bei Meran. Die eindrucksvollsten Steindenkmäler in Südtirols Hochgebirge, Seite 40-46.

Niederwanger, Günther: Ein bedeutender Höhenfund in der Texelgruppe. In: Der Schlern 63/ 1989 Heft 7/8, Seite 403 - 406. Athesia, Bozen.

Schönberger, Otto: Hesiod. Werke und Tage. Philip Reclam jun. Stuttgart 2007. Heft 9445

Tscholl, Josef: Zum Rätsel der Schalensteine. In: Der Schlern 14/1933 Seite 440

Wallnöfer, O.: Das Burggrafenamt in Sage und Urgeschichte. Poetzelberger, Meran. 1977