Alle Themen auf Astronomie.de im Überblick




Ausgedruckte Seite: https://astronomie.de/bibliothek/artikel-und-beitraege/die-sonne/sonnenuhren

Ausdruck vom: Dienstag, der 19.03.2024

Copyright: www.baader-planetarium.com

Zum Hauptinhalt springen
Offcanvas top
...

Sonnenuhren - Dokumente der Zeitmesskunst

von Arnold Zenkert, Potsdam

Zur Geschichte der Sonnenuhren

Hat es im Zeitalter der Computer und Digitaluhren überhaupt einen Sinn, sich mit Sonnenuhren zu befassen? Längst sind wir nicht mehr auf diese altmodischen Zeitanzeiger angewiesen – und außerdem gehen sie falsch, so im Rheinland, wo sie eine halbe Stunde gegenüber unserer Normalzeit (MEZ) nachgehen. - Gehen die Sonnenuhren im Rheinland „falsch", dann gehen sie nämlich richtig – so unsere paradox klingende Antwort! Sonnenuhren zeigen stets den wirklichen Stand der Sonne am Himmel an, nämlich die wahre Ortszeit. Es ist einleuchtend, dass zwischen Görlitz und Essen ein Unterschied in der Ortszeit, der Sonnenuhrenzeit betragen muss, der 32 min beträgt.

Sonnenuhren gehören zu den ältesten wissenschaftlichen Instrumenten und sind Zeugnisse früher menschlicher Beobachtungs- und Erfindungsgabe. Der Mensch hatte es bald gelernt, den Schattenwurf der Sonne zu kennzeichnen und damit eine Beziehung zur Tages- und Jahreszeit herzustellen. Einfache Schattenmessungen nach Richtung und Höhe gehören zu den Grundkenntnissen der Gnomonik, der Wissenschaft von den Sonnenuhren.

Von den Chinesen ist bekannt, dass sie bereits vor 4600 Jahren den Schatten für die Zeitbestimmung nutzten. Wenn es auch anfangs nur ein bescheidener Schattenstab (Gnomon) war, der in die Erde gesteckt wurde, kann man diesen als den Vorläufer der Sonnenuhr sowie als das erste astronomische Instrument bezeichnen.

Verständlich, dass sich in den sonnenreichen Gebieten der Erde wie in Babylonien und Ägypten der Bau von Sonnenuhren entwickelte. Ein „Erfinder" ist nicht bekannt, doch haben sich im Altertum berühmte Mathematiker (Berossos, Vitruvius) um den Sonnenuhrenbau verdient gemacht. Aus der Antike sind uns die Hohlkugeluhren bekannt, die sich wegen ihrer waagerechten oder senkrechten Schattenwerfer (Schattenstäbe) von den heutigen Uhren grundsätzlich unterschieden. Es musste stets das betreffende Datum in die Zeitablesung mit einbezogen werden – eine recht umständliche Prozedur.

Aus der Zeit vor 1500 findet man, besonders im Norden Europas, an Kirchen und Klöstern seltsam gekratzte Linien, die von einem Punkt, oft von einem Loch, ausstrahlen, wo einst der waagerechte Schattenwerfer angebracht war. Diese sogen. mittelalterlichen oder kanonialen Sonnenuhren teilten den lichten Tag einfach in Abschnitte. Fiel der Schatten auf eine bestimmte Linie, wusste man, wann mit einer bestimmten kirchlichen Handlung zu beginnen war, dies ohne Bezug auf eine bestimmte Zeit. Eine Sonnenuhr konnten die „gekratzten" Uhren infolge der unterschiedlichen Sonnenhöhen nicht sein, für die damaligen Zeitbedürfnisse reichten sie aber aus.

Die Menschen verstanden es auch, Geländeformen in die Zeitanzeige einzubeziehen. Aus den Hochgebirgsgegenden sind Bezeichnungen, wie Elferkogel, Zwölferkogel, Mittagsberg, usw. bekannt. Steht die Sonne über einem bestimmten Berggipfel, weiß man ungefähr, wie spät es ist, vorausgesetzt, man beobachtet immer vom gleichen Standpunkt aus.

Auf Campingplätzen oder am Strand kann man oft sehen, wie ein senkrechter Stab in die Erde gesteckt wird und mit Hilfe einer mechanischen Uhr die Stunden gekennzeichnet werden – die „Sonnenuhr" ist fertig. Da aber im Jahresverlauf die Höhe der Sonne wechselt, fällt der Schatten zur gleichen Zeit nicht immer in die gleiche Richtung und es können zeitliche Abweichungen bis zu 2 Stunden eintreten. Die Sonne macht in der gleichen Zeit im Sommer größere „Schritte" als im Winter. Für die Dauer des Urlaubs ist sie ein einigermaßen brauchbarer Zeitanzeiger.

Die Polstabuhr

Kurz vor 1500 kam es zu einer bedeutsamen Neuerung im Sonnenuhrenbau. Als Schattenwerfer diente von nun an ein Stab, der zum Himmelspol (nahe Polarstern) ausgerichtet ist.

Abb. 1: Klapp-Sonnenuhr (Taschenuhr), im 17. u. 18. Jh. beliebt für die Zeitmessung.

Der Winkel des geneigten Polstabes (Polos) entspricht stets der geografischen Breite des betr. Ortes (Essen: 51,5° N). Der zur Erdachse parallel verlaufende Polstab bot eine weitaus bessere Möglichkeit der Zeitablesung, unabhängig vom Datum und der jeweiligen Sonnenhöhe in den Jahreszeiten. Jede Stundenlinie gilt für eine bestimmte Zeit, die Schattenrichtung hängt jetzt nur noch von der Tageszeit ab. Für die Zeitablesung spielt das Datum keine Rolle mehr.

Es ist verständlich, dass sich diese neue und weitaus bequemere Art der Zeitanzeige rasch verbreitete, ein enormer Aufschwung im Bau von Sonnenuhren setzte ein. In den Handelsmetropolen Nürnberg, Augsburg, Paris, Antwerpen u.a. boten sich dafür günstige wirtschaftliche Voraussetzungen. Namhafte Gelehrte und Künstler befassten sich damit, von Albrecht Dürer stammt der klassische Entwurf für die Konstruktion mehrer Arten von Sonnenuhren, der auch noch heute angewendet wird. In dieser Zeit entstanden auch zahlreiche kleine, transportable Sonnenuhren, die zur Ausrichtung einen Kompass benötigten, weshalb die Hersteller als Kompassmacher (Kompasten) bezeichnet wurden.

Viel gefragt waren die klappbaren Taschensonnenuhren, die im Gegensatz zu den mechanischen Taschenuhren weitaus preiswerter waren (Abb. 1). Diese waren auch in verschiedenen geografischen Breiten verwendbar und genügten durchaus den Anforderungen der damaligen Zeit. Von Goethe ist bekannt, dass er bei seinen Italienreisen Klappsonnenuhren bei sich hatte.

Als einen besonderen Gag hatte man sich eine kleine Kanone ausgedacht, die zum Zeitpunkt des wahren Mittags, wenn die Sonne im Süden stand, einen Schuss abgibt. Die in den Museen und Sammlungen befindlichen, seinerzeit begehrten transportablen Sonnenuhren zeugen von großem handwerklichen Geschick und Kunstsinn.

Überall entstanden an Kirchen, Rathäusern und Häusern wohlhabender Bürger vertikale Sonnenuhren, die nicht nur der Zeitanzeige dienten, sondern auch einen Schmuck für das Bauwerk bildeten. Eine Sehenswürdigkeit bildet die historische Sonnenuhr mit dem Solarium und der Arachne von 1550 an der alten Ratsapotheke zu Görlitz. Städte, wie Nürnberg, Ellwangen, Dresden haben wahre Schätze zu bieten.

In zunehmendem Maße findet man neben den geraden Stundenlinien die gekrümmten Tierkreislinien (Datums- oder Deklinationslinien), die eine Vielzahl von Anzeigen ermöglichen, wie Datum, Tages- und Nachtlänge, Höhe und Azimut der Sonne, babylonische und italische Stunden sowie astrologische Angaben (Planetenstunden, Häuser). Die Sonnenuhr wurde so zu einem kalendarischen Kunstwerk.

Von 1500 bis 1800 erlebte der Bau von Sonnenuhren eine Blütezeit und man kann mit Recht von den „drei goldenen Jahrhunderten" der Gnomonik sprechen. Einen Höhepunkt bildete das Zeitalter des Barock. An den Prunkfassaden der Schlösser, Kirchen und Klöster entstanden große und überaus kunstvolle künstlerische Eigenständigkeit und Schönheit. Der Süden Deutschlands sowie Österreich sind reich an Sonnenuhren aus dieser Zeit.

In Gärten und Parkanlagen wurden phantasievolle und plastisch wirkende Kombinationen auf geometrischen Körpern mit zahlreichen kleinen und verschiedenenartigen Sonnenuhren errichtet, wie z.B. die Sonnenuhr mit 55 Zifferblättern auf einem Vielflächner (Polyeder) im Park von Sanssouci.Eine Besonderheit bilden die verhältnismäßig seltenen Kugelsonnenuhren (Abb. 2).

Auch die nachfolgende Zeit hat uns eine Reihe ansprechender Sonnenuhren hinterlassen, so besonders an den städtischen Häusern der Gründerzeit, von denen jedoch viele durch Baumaßnahmen nicht mehr erhalten sind.

Hauswände eignen sich gut für Ecksonnenuhren, Kombinationen zweier vertikaler Sonnenuhren, welche die Funktionsdauer verlängern und sich gut dem Bauwerk anpassen (Abb. 3).

Über dem Friedhofseingang der thüringischen Gemeinde Gorleben erinnert eine Ecksonnenuhr aus dem Jahre 1698 die Vorbeigehenden an den Tod. Als Schattenwerfer der als „Tod von Gorleben" einmaligen Sonnenuhr dienen das Sensenblatt und der Spieß des Sensenmannes.

Sonnenuhren heute

Überflüssig die Frage: Wozu nützen uns die Sonnenuhren und welchen praktischen Wert haben sie heute noch? Man sollte nicht immer nach dem materiellen Wert der Dinge fragen. Sonnenuhren erinnern uns an eine Zeit, als die mechanischen Uhren noch keine Selbstverständlichkeit waren und die Menschen sich mühen mussten, die Zeit zu bestimmen und sie einzuteilen. Geht von den Sonnenuhren nicht eine gewisse Faszination, ein Hauch von Altertümlichkeit aus? Wird hier nicht eine Verbindung zwischen Mensch und Kosmos hergestellt, wenn der Lauf der Sonne über den Schattenwurf in die Geometrie des Zifferblattes mit den Stunden- und Datumslinien übertragen wird?

Sonnenuhren im 3. Jahrtausend sind keineswegs überholt. Einst waren sie gefragte Gebrauchsgegenstände. Im heutigen Baugeschehen haben sie als ansprechende Gestaltungs- und Schmuckelemente für Gebäude und Freiflächen ihren Platz behauptet. Für Steinmetzen, Bildhauer, Metallgestalter und Maler bildet die Herstellung von Sonnenuhren ein weites Betätigungsfeld.

Schmückendes Beiwerk sowie Sinnsprüche, die „Sententiae Solaris" („Weisheiten der Sonnenuhr") verleihen der Sonnenuhr als Kleinkunstwerk eine gewisse Eigenständigkeit. So sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche moderne Sonnenuhren entstanden, die viel Ideenreichtum und Können beweisen.

Eine Sehenswürdigkeit bildet das „Sonnenuhrendorf" Sohland Taubenheim (Oberlausitz) mit etwa 25 Objekten. Mehrere originelle Ecksonnenuhren berichten dort in Bild und Schrift über die Geschichte des Hauses und deren Bewohner. So erfährt man z.B., dass dort der Feuerwehrkommandant „Schenkslieb" wohnte, der gern in der Schenke saß oder dass der einst berüchtigte Räuberhauptmann Karaseck, der „böhmische Hansel", in diesem Haus eine „amouröse Unterkunft" gefunden hatte (Abb.4).

Es ist durchaus gerechtfertigt, wenn man heute von einer Sonnenuhr-Renaissance spricht. Etwa ein Drittel aller Sonnenuhren stammen aus den letzten fünf Jahrzehnten. Doch muss auch kritisch bemerkt werden, dass nicht wenige Objekte fehlerhaft sind und Sachkenntnisse in der Gnomonik vermissen lassen. Leider werden bei Restaurierungsarbeiten Sonnenuhren oder deren Reste oft beseitigt. Es ist unsere Aufgabe, historisch bedeutsame und künstlerisch wertvolle zu schützen und zu erhalten. Darauf sollten Bauämter, Kunst- und Heimatvereine ihr Augenmerk richten.

Die Beschäftigung mit Sonnenuhren vermag neben den mathematisch-astronomisch Aspekten auch zur Lust am Lernen, zum Verstehen anderer Disziplinen, zu einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung und damit zur Persönlichkeitsbildung einen nicht geringen Beitrag leisten. UMBRA DOCET (Der Schatten lehrt) ist mehr als ein oft zitierter Sinnspruch auf Sonnenuhren. In der pädagogischen Arbeit trägt die Beschäftigung mit den Sonnenuhren zum Verständnis wichtiger Sachverhalte aus der Mathematik, Geografie und Astronomie bei.

Die lateinischen Sprüche auf Sonnenuhren bieten im Lateinunterricht viele Anregungen, um sich auf diese Weise mit Sonnenuhren zu befassen. Eine Sonnenuhr ist ein Lehrmittel, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden darf.

Der Arbeitskreis Sonnenuhren in der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie (DGC) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die ortsfesten Sonnenuhren zu erfassen, zu beschreiben und bildlich darzustellen. Für Heimatforscher, Museologen, Denkmalpfleger, Lehrer, Kunstschaffende und alle daran interessierten Bürger kann dies ein interessantes Gebiet sein. Der 1994 erschienene Katalog der Sonnenuhren in Deutschland und der Schweiz wird überarbeitet, zur Zeit sind in der Bundesrepublik über 12000 Objekte bekannt. Zwischen den Sonnenuhrenvereinigungen mehrer Länder besteht ein reger Erfahrungs- und Gedankenaustausch.

Die Vielfalt der Sonnenuhren

Für eine Sonnenuhr eignet sich jede Fläche, sei sie horizontal, vertikal, erdachsenparallel, äquatorial, gewölbt, zylindrisch, kugel- oder kegelförmig. Sonnenuhren sind nicht an eine bestimmte Himmelsrichtung gebunden. So findet man auch an Nordwänden Sonnenuhren, deren Zeitanzeige jedoch stark eingeschränkt wird. Neben den Polstab-Sonnenuhren kann der Schattenwerfer auch horizontal oder senkrecht sein und damit auf dem Prinzip der Höhenmessung beruhen. In diesem Fall muss das Datum in die Zeitablesung einbezogen werden, was die Ablesung etwas kompliziert.

Die einfachste Art stellt die äquatoriale Sonnenuhr mit ebenem Zifferblatt dar. Der zum Himmelspol gerichtete Polstab bildet mit dem Zifferblatt, das in der Ebene des Himmelsäquators liegt, einen rechten Winkel. Die Abb. 5 zeigt das Prinzip des Aufbaus mit dem Polstab und dem zum Himmelsäquator gerichteten Zifferblatt.

Man erkennt, dass die Sonne im Sommerhalbjahr auf das obere Zifferblatt As, im Winterhalbjahr das untere Aw scheint. Zum Frühlings- und Herbstbeginn fällt das Sonnenlicht in die Ebene des Zifferblattes (Streiflicht). Die Abstände zwischen den Stunden betragen einheitlich 15°, die Halbstunden liegen in der Mitte.

Diese einfachste Gestaltung des Zifferblatt gibt es bei keiner anderen Sonnenuhrenart. Durch Drehung des Zifferblattes kann die Ortszeitdifferenz (Essen: 32 min) ausgeglichen sowie die Sommerzeit (MESZ) eingestellt werden. Diese einfachste aller Sonnenuhrenarten ist verhältnismäßig selten.

Alte, ausgediente Wagenräder werfe man nicht weg! Man kann diese zu einer äquatorialen Sonnenuhr umfunktionieren (Abb. 6).

Die ringförmige Äquatorialuhr (Ringkugel) ist eine besondere Form der äquatorialen Uhr. Stellen wir uns vor, das ebene Zifferblatt wird zu einem Halbkreis gebogen.

Man findet sie in Gärten und Parkanlagen, wo sie einen ansprechenden Schmuck bilden. Die Ringkugeluhren erfordern Fertigkeiten in der Metallgestaltung.

Bei allen übrigen Sonnenuhren sind die Winkel für die Stunden nicht einheitlich und müssen berechnet bzw. konstruiert werden. Auf Freiflächen findet man die horizontale Sonnenuhr, die – wie auch die äquatoriale Uhr – als Ganztagsuhr vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang in Funktion ist, falls nicht Gegenstände oder Geländeformen den Sonneneinfall beeinträchtigen.

Man findet sie nicht allzu häufig, da sie im Freigelände oft zerstört werden. Die Horizontaluhr auf Abb. 7 stammt aus Kuba und ist an der geringen Polstabneigung von 22° zu erkennen.

Den Hauptanteil an Sonnenuhren mit ca. 75% bildet die vertikale Sonnenuhr an verschiedenen Wandrichtungen. Am einfachsten ist die vertikale Süduhr, wo die Winkel der Stundenlinien am Vor- und Nachmittag gleich sind. Ist die Wand nach Ost oder West gerichtet, was zumeist der Fall ist, sind die Winkel am Vor- und Nachmittag unterschiedlich und der Schattenwerfer muss anders angebracht werden. Eine vertikale Uhr kann sich auch an einer Nordwand befinden. Eine derartige vertikale Norduhr erhält aber nur zwischen dem 20.3. und 22.9. in den Morgen und Abendstunden Sonne. Bei der Anlage einer vertikalen Uhr ist die Kenntnis der Wandabweichung mit 1° Genauigkeit wichtig, ansonsten treten beachtliche Fehler auf. Das Zifferblatt einer Sonnenuhr kann auch so gestaltet werden, dass man neben der Zeit auch Orte rings um die Erde angibt. Eine derartige Weltmittagsuhr gibt an, wo auf der Erde Mittag ist.

Wie ein aufgeschlagenes Buch wirkt die polare Süduhr, wo das Zifferblatt wie der Schattenwerfer zum Himmelspol weisen. Ihre Anzeige auf dem langen Zifferblatt reicht von 7:30 bis 17:30 Uhr. Polare Sonnenuhren gibt es auch an Wänden, die genau in die Ostrichtung (Vormittagsuhren) oder in die Westrichtung (Nachmittagsuhren) weisen.

Die recht seltenen Kugelsonnenuhren (Abb. 2) ermöglichen nicht nur die Zeitanzeige, sondern auch eine Anzeige der Beleuchtungsverhältnisse auf der Erde. Enthält die Kugel eine Darstellung der Kontinente sowie wichtiger Städte erkennt man, wo die Sonne auf- bzw. untergeht. Die zum Himmelspol ausgerichtete Kugel kann so auch ein Anschauungsmittel für den Geografieunterricht sein.

Sonnenuhren mit senkrechtem Stab können ebenfalls ein durchaus zuverlässiger Zeitanzeiger sein, wenn der Stab nach einem bestimmten Schema versetzt wird. Es handelt sich um die analemmatische Sonnenuhr (Bodensonnenuhr), die keine Stundenlinien, sondern Stundenpunkte aufweist. Der Schattenwerfer wird entlang der mit Datumsangaben versehenen Meridianlinie auf das betreffende Datum gestellt.

Ein besonderer Gag ist, dass man sich selbst auf die Datumsstrecke stellt und so „Sonnenuhr spielen" kann. Es ist verständlich, dass dies bei Schülern beliebt ist. Die Abb. 8 zeigt eine solche „Spielsonnenuhr" an der Comenius-Schule in Potsdam, die dem Prinzip „Lernen durch Spielen – Spielend lernen!" entspricht.

Nicht zuletzt seien noch die Bastelsonnenuhren erwähnt. Es müssen nicht immer die großen, ortsfesten Objekte sein. Mit etwas Material lassen sich kleine und durchaus funktionstüchtige Sonnenuhren herstellen, die man mit einem Kompass in die Nord-Süd-Richtung stellt. Man kann diese wichtige Richtung auch auf der Terrasse oder auf dem Fensterbrett kennzeichnen.

Es gibt auch Bastelhefte und Modellbögen, die den Bau erleichtern und auch komplizierte Sonnenuhrenarten ermöglichen. Abb. 9 zeigt eine Würfelsonnenuhr mit einer Horizontaluhr, Vertikaluhr, Norduhr (hier nicht sichtbar) sowie je einer polaren Ost- und Westuhr (Vormittagsund Nachmittagsuhr).

Von besonderem Reiz sind Sonnenuhren, die sich im Tagesverlauf in ihrer Funktion ablösen, wie Süd-Nord-Uhren oder Ost-West-Uhren. Diese kleinen Uhren tragen auch zum Verständnis der großen Sonnenuhren bei.

Abschließend sei noch die Frage gestellt: Wie genau gehen Sonnenuhren?

Es ist durchaus möglich, Sonnenuhren so groß zu bauen, dass eine Minutengenauigkeit erreicht wird. Diese Genauigkeit entspricht der wahren Ortszeit, der Sonnenuhrenzeit und nicht unserer Normalzeit. Bei der Zeitanzeige spielen zwei „Ungenauigkeiten" eine Rolle, die keineswegs Fehler bedeuten, sondern in der Natur der Gnomonik liegen:

1. Die Ortszeitdifferenz, wie schon eingangs erwähnt. Maßgeblich für unsere Normalzeit (MEZ) ist die sogen. mittlere Ortszeit des 15. Längengrades (Görlitz). Da das gesamte Bundesgebiet westlich von Görlitz liegt, müssen alle Sonnenuhren nachgehen, und zwar pro Längengraddifferenz um 4 min. So bei 13° (Stralsund, Potsdam) um 8 min, bei 10° (Hamburg, Ulm) um 20 min, bei 7° (Essen, Köln) um 32 min. Soweit wäre dies recht einfach, wenn nicht

2. ein „Störenfried" hinzukäme, die Zeitgleichung. Diese bewirkt, dass die Sonnenuhren im Jahresverlauf um max. 16,4 min vorgehen (4.November) und um max. 14,3 min nachgehen (12. Februar). Die Werte für die Zeitgleichung sind einer Tabelle zu entnehmen. Diese sind der für eine bestimmte Länge konstanten Ortszeitdifferenz zu addieren bzw. zu subtrahieren, um die Sonnenuhrenanzeige in die Normalzeit zu verwandeln. So kann es z.B. vorkommen, dass am 12.2. in Aachen (6° östl. Länge) der Unterschied zwischen Sonnenuhrenzeit und Normalzeit 36 min + 14,3 min = 50,3 min. beträgt.

Wenn die positive Zeitgleichung (Sonnenuhr geht vor) der Ortszeitdifferenz entspricht, zeigt die Sonnenuhr die MEZ anzeigt. Dieser Fall kann westlich von 11° Länge (Erfurt, Würzburg) nicht mehr eintreten.

Bei der Sommerzeit ist zur Sonnenuhrenanzeige 1 Stunde hinzufügen, was gewiss kein mathematisches Problem bedeuten dürfte. Man kann ein Zifferblatt für die MEZ und MESZ doppelt beziffern.

Schlussbetrachtung

Schon im 15. Jahrhundert waren die Menschen vom „Zaubergärtlein der Gnomonik" begeistert. Diese Begeisterung für die Schönwetter-Zeitanzeiger gibt es auch heute noch, wie die rege Mitarbeit in den Arbeitskreisen zeigt. Die Beschäftigung mit der Sonnenuhrenwissenschaft führt zwangsläufig zu einer Reihe anderer Wissensgebiete und hat auch etwas universellen Charakter. Lassen Sie sich vom „bacillus gnomonicus" ein wenig infizieren – Sie werden davon fasziniert sein!

Wenn auch die Sonnenuhren nicht mehr zu den lebensnotwendigen Dingen gehören, so tragen sie dazu bei, unsere Umwelt ein wenig schöner und kulturvoller zu gestalten. Die Freude an der Gnomonik sowie ihr Bildungswert rechtfertigen die Beschäftigung mit ihr. Die Sonnenuhr rückt aber auch das Phänomen Zeit stark in unser Bewusstsein. Zeit, die wir nicht vergeuden sondern zum Wohl aller nutzen soll(t)en!

 

DUM HABEMUS TEMPUS, OPEREMUR BONUM

Solange noch Zeit ist, lasst uns Gutes tun!