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Ausdruck vom: Dienstag, der 19.03.2024

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"Wir warten alle sehnsüchtig auf einen Erfolg"

von Dr. Harald Zaun

Interview mit Lutz Richter, dem Konstrukteur des PLUTO-Bohrers (Beagle-Lander/Mars Express), der Ende 2003/Anfang 2004 gezielt nach Spuren von Mars-Mikroben graben soll

Dr. Lutz Richter, der am Institut für Raumsimulation des DLR in Köln-Porz arbeitet und Projektwissenschaftler bei Beagle 2 der "Mars-Express"-Mission ist, hat mit einem Forscherteam den PLUTO-Maulwurf konstruiert und zudem das Konzept dazu mitentwickelt. Hieran beteiligt waren auch russische Forscher vom VNIITransmash in St. Petersburg. Auf welche Weise die weltweit wohl teuerste Bohrmaschine in zirka einem halben Jahr auf dem Mars aktiv werden soll und wie vor allem die ersten außerirdischen Mikroben indirekt nachgewiesen werden sollen, verdeutlicht Lutz Richter in einem Interview.

Seit ihrem Start am 2. Juni 2003 in Baikonur hat sich die europäische Marssonde ´Mars Express' rund 1,7 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Mit an Bord sind die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte "High Resolution Stereo Kamera" (HRSC) sowie der "High-Tech-Maulwurf" PLUTO (Planetary Underground Tool), ein Planetenbohrer zur Probenentnahme.

Dr. Lutz Richter vom Institut für Raumsimulation des DLR in Köln-Porz ist der Projektleiter für das am Beagle-Lander installierte Bohrsystem PLUTO und betreut dasselbige seit dessen Entwicklung. Zuvor befasste sich Richter mit der Fahrzeugentwicklung von kleinen Rover mit wenigen Kilogramm Masse, die für die Planetenerkundung zum Einsatz kommen sollen. Ursprünglich war ein solcher sogar für die ESA-Mars-Express-Mission vorgesehen.

Nunmehr soll es Beagle 2 richten, sofern das Gefährt die Landung am ersten oder zweiten Weihnachtstag dieses Jahres im Süden des alten Einschlagsbeckens Isidis Planitia heil übersteht. Glückt diese - es wäre erst die vierte erfolgreiche Landung eines irdischen Gefährts auf dem Mars -, dann versprechen sich die Forscher von der maximal sechs Monate währenden Oberflächenmission zum einen wertvolle neue Daten zur Geologie, Mineralogie und Marsatmosphäre. Zum anderen aber etwas noch viel Wichtigeres: den Nachweis der ersten außerirdischen Mikroben.

Diesen könnte der 28 Zentimeter lange und 350 Gramm schwere PLUTO in der Tat in die Wege leiten. Denn wenn sich PLUTO Millimeter für Millimeter binnen zwei Stunden eineinhalb Meter tief in den Mars-Sand eingräbt und die ersten Bodenproben zum Beagle-Lander befördert, hängt alles von den folgenden chemischen Analysen ab, die - wie zuletzt bei den Viking-Sonden 1976 - an Ort und Stelle vorgenommen werden.

Um chemische Spuren im Marsgestein oder im Bodenmaterial auszumachen, kommt das "Gas Experiment Package" (GAP) des Landers zum Einsatz. Es erkennt organisches Material wie Kerogen daran, dass Kohlendioxid bei vergleichsweise geringer Temperatur aus der Probe bei deren Oxidation im GAP-Instrument freigesetzt wird. Unterscheiden sich die 12 C/13 C-Verhältnisse aus unterschiedlichen Reservoirs zudem deutlich voneinander, können die Forscher daraus folgern, dass der organische Kohlenstoff durch biologische Prozesse deponiert wurde und nicht von Organika kohlenstoffhaltiger Meteorite stammt, die die Marsoberfläche von außen erreichten. Registriert GAP einen entsprechend hohen Anteil an Kohlenstoff-12 im Marsboden, sind zwei Schlüsse zulässig. Entweder haben auf dem Roten Planeten einmal vor langer oder kurzer Zeit Mikroben eine Nische gefunden oder sie fristen dort immer noch ihr Dasein. Wie diese "Aliens" aufzuspüren sind - hierüber weiß Dr. Lutz Richter Interessantes zu berichten. Aber dies gilt auch für einige andere Aspekte, die in dem folgenden Interview zur Sprache kamen.

H. Zaun: Viele Befürworter einer bemannten Mars-Mission sagen, dass frühere und die jetzigen respektive alle späteren unbemannten Mars-Missionen letztes Endes nur Vorbereitungs-Missionen für die längst überfällige bemannte 'Mission to Mars' sind. Wie sehen Sie das als jemand, der sozusagen von der "anderen Seite" kommt? Wie ist Ihre Haltung zu einer bemannten Mars-Mission und der Notwendigkeit einer solchen?

Dr. Lutz Richter: Ich denke, dass eine bemannte Mars-Mission zwangsläufig kommen wird – ähnlich wie dies früher bei den bemannten Mond-Missionen der Fall gewesen war. Es wird wieder der Wunsch kommen, die bemannte Raumfahrt zu einem konkretem Ziel hinzubringen, zu einem Ort, wo Menschen hinfliegen, vor Ort arbeiten, Proben entnehmen und wieder zur Erde zurückfliegen, so wie man das schon auf dem Mond praktiziert hat. Das wird zwangsläufig wieder geschehen.
Was nunmehr die unbemannten Mars-Missionen angeht, würde ich diese nicht als vorbereitende Missionen für eine bemannte sehen. Vielmehr sind diese in sich selbst schlüssig und begründbar. Derzeit verschwendet ohnehin kein Projektmitglied einer unbemannten Mission einen Gedanken daran, dass die aktuellen Projekte nicht anderes als Vorbereitungsmission für spätere bemannte Reisen sind.
Nein, bei unbemannten Mars-Missionen lernen wir sehr viel über den Planeten und über dessen Umgebungsbedingungen. Diese Daten sind durchaus hilfreich. So gesehen ist auch 'Mars Express' keine konkrete Vorläufer-Mission für eine 'Mission to Mars', so wie das in den sechziger Jahren bei den 'Ranger'-, 'Surveyor'- und 'Lunar' Orbiter-Sonden der USA gewesen war, die in der Tat Vorbereitungsmissionen für 'Apollo' waren.

H. Zaun: Ein wichtiger Movens für die bemannte Raumfahrt ist doch die Suche nach Leben im All. Aber würde nicht ein starkes Motiv für eine bemannte Mission zum Roten Planeten wegfallen, wenn bereits im Rahmen einer unbemannten Mars-Mission - vielleicht sogar schon mit 'Mars-Express'/Beagle-2 - marsianes Leben nachgewiesen würde?

Dr. Lutz Richter: Ich denke, dass eher das Umgekehrte eintrifft. Detektierten wir mit einer unbemannten Mission Leben auf dem Mars, würde dies die ganze Sache fraglos beschleunigen. Sicherlich würden wir dann noch schneller zum Mars fliegen, vor allem deshalb, um die Verhältnisse vor Ort detailliert zu charakterisieren. Fände Beagle-2 im günstigsten Fall einen starken Hinweis auf früheres Leben, dann wäre dies gleichwohl nur eine Messung eines bestimmten Isotopenverhältnisses von Kohlenstoff, das charakteristisch für gegenwärtige oder frühere Biologie ist. Oder vielleicht findet man sogar Methan in der Atmosphäre – danach wird ja auch gesucht. Dies wäre wiederum ein Hinweis auf heutiges Leben; aber das war es dann auch. Mehr lässt sich mit der 'Mars-Express'-Instrumentierung nicht feststellen. Wollen wir aber früheres oder heutiges Leben wirklich analysieren, müssen wir eine Crew zu Mars schicken, eine, die gezielt Proben nimmt und diese wieder zur Erde zurück bringt.

H. Zaun: Aus dem, was Sie sagen, ist zu entnehmen, dass es keinen künstlich hochstilisierten Antagonismus mehr zwischen unbemannter und bemannter Raumfahrt gibt. Es scheint jetzt alles Hand in Hand zu gehen, so wie bei der Reparatur des Hubble-Teleskops.

Dr. Lutz Richter: Dies würde ich auch so sehen. In der Vergangenheit ist es doch so gewesen, dass die klassische Planeten-Community, also die Wissenschaftler, die sich unbemannten Planetenmissionen verschrieben haben, Befürchtungen äußerten - dies zum Teil immer noch - , dass die zur Verfügung stehenden Finanzmittel auf Kosten der unbemannten Raumfahrt von Programmen wie etwa die ISS aufgezehrt würden. Aber rein sachlich-inhaltlich gibt es da überhaupt keinen Gegensatz, keine Konkurrenz.

H. Zaun: Raumfahrt-Kritiker sagen, die erste europäische interplanetare Orbiter und Lander-Mission sei mit 330 Millionen Euro Kosten schlichtweg zu teuer!

Dr. Lutz Richter: Es gibt aber noch die 'Cassini-Huygens'-Mission, die ähnlich kostenintensiv war. Dann gab es sogar andere unbemannte europäische Raumfahrtzeuge wie 'ENVISAT', die sich ungefähr auf zwei bis drei Milliarden EUR beläuft und 'Eureka' mit 800 Millionen EUR. Daran gemessen ist 'Mars-Express', die erste europäische Planetenmission, sehr kostengünstig, vor allem wenn man dies mit amerikanischen Planetenmissionen vergleicht.

H. Zaun: Wie lässt sich dennoch eine solche Mission angesichts der Tatsache rechtfertigen, dass die CNES, das DLR und nicht zuletzt die ESA jüngst viele Projekte gestrichen - wie zum Beispiel NETLANDER - oder Starts ganz verschoben hat: Stichwort 'Rosetta'. Selbst das Ariane-Programm stand bis vor kurzem zur Disposition. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. 'Mars Express' wäre vom jetzigen Status quo aus gesehen nicht finanzierbar gewesen.

Dr. Lutz Richter: Deswegen ist es gerade wichtig, dass 'Mars Express' zu einem Erfolg wird. Nach der Start-Verschiebung von 'Rosetta' und den Engpässen im Wissenschaftsprogramm der ESA warten wir alle sehnsüchtig auf einen Erfolg.

H. Zaun: Wie groß ist Ihr Team?

Dr. Lutz Richter: An der Entwicklung des Bohrers, wofür unser Team im Rahmen der 'Mars-Express'-Mission zuständig war, waren oder sind von unserem Institut insgesamt vier bis fünf Personen beteiligt, abgesehen von unserem Partner in Russland, die PLUTO mit uns zusammen konzipiert und realisiert haben. Dort haben auch vier Leute gearbeitet.

H. Zaun: Wie viele Jahre Projektarbeit liegen hinter Ihnen?

Dr. Lutz Richter: 'Mars Express' und Beagle-2 wurden im Mai 1997 von ESA, also vor genau sechs Jahren vorgeschlagen. Hinsichtlich des Bohrers hatten wir aber schon zuvor technologische Vorarbeit geleistet, insbesondere zum Maulwurf-Eindring-Prinzip ohne Probennahme. Dies begann Ende 1995, ohne dass es zu diesem Zeitpunkt eine Missionsanwendung gab. Als Beagle-2 konkret war, begannen wir gezielt mit der Entwicklung dieses Systems für den Einsatz als Probennehmer.

H. Zaun: Nach 1962 sind von 24 Missionen zum Roten Planeten insgesamt 16 gescheitert - aus verschiedenen Gründen. Wo sehen Sie denn die kritischste Missions-Phase bei 'Mars Express'?

Dr. Lutz Richter: Abgesehen vom Start, der für jede Mission immer kritisch ist, der aber für 'Mars-Express' gottlob bilderbuchmäßig war, ist der ganze Landevorgang von Beagle-2 sehr sensibel, weil alles binnen vier Minuten einwandfrei funktionieren muss – ohne Probleme und autonom. Dabei können sowohl Software-Fehler oder irgendwo mechanische Fehler auftreten. Irgendwas klemmt und lässt sich nicht mehr abtrennen. Während der Landevorgang also sehr kritisch ist, ist beim Orbiter vom 'Mars Express' indes das Risiko vergleichsweise gering, zumal auf so komplexe Manöver wie Aerobraking bewusst verzichtet wurde.

H. Zaun: Ist der 'Mars-Express'-Orbiter den NASA-Sonden 'Mars Global Surveyor' oder 'Mars Odyssee' in punkto Sensibilität überlegen?

Dr. Lutz Richter: Wir arbeiten mit anderen Messtechniken. 'Mars Odyssee' etwa hat einen Neutronenspektrometer und kann deshalb Wasserstoff im bodennahen Material nachweisen und damit auch indirekt Wasser. Aber diese Information bezieht sich aufgrund dieser Messtechnik nur maximal bis in ein Meter Tiefe. 'Mars Express' kann mit seinem Mess-System "MARSIS" weitaus tiefer in den Boden vordringen. Zwar kann es über den bodennahen Bereich überhaupt nichts aussagen, dafür aber über jenen in dreihundert Meter und fünf Kilometern Tiefe. Hier bekommen wir konkrete Informationen über die Eis- und Wasserkonzentration – tief im Boden. Eine weitere wichtige Aufgabe von 'Mars Express' ist die Suche nach Mineralien, die durch Wassereinwirkung entstanden sind; hierbei kommt "Omega" zum Einsatz. "Omega" ist ein hervorragendes Infrarotspektrometer, das noch effektiver arbeitet als das TES-Instrument auf 'Mars Global Surveyor', schlichtweg deshalb, weil es eine noch größere räumliche Auflösung hat. Daher ist bei uns die Hoffnung groß, dass wir Sedimentgestein wie Karbonate zweifelsfrei nachweisen können. Dies ist bisher noch nicht gelungen.

H. Zaun: Im Gegensatz zu den NASA-Viking-Sonden, die 1976 im Mars-Boden direkt nach Lebensspuren gegraben haben, fokussiert sich Beagle-2 auf die Konzentration von Kohlenstoff-12-Isotopen im Marsboden, das sozusagen als Abfallprodukt von Leben, wie wir es kennen, zurückbleibt. Gibt es bei diesem Analyseverfahren einen Schwachpunkt? Gibt es da eine einkalkulierte Fehlerquote? Wenn ja, wie hoch wäre diese?

Dr. Lutz Richter: Es hängt davon ab, ob man Kohlenstoff in Proben von verschiedener Herkunft analysiert. Man müsste die Proben vor Ort nehmen – diesbezüglich sind es 10 bis 12 Proben, weil im Lander nur so viele Öfen zur Verfügung stehen.

H. Zaun: PLUTO wird 12 Proben nehmen?

Dr. Lutz Richter: Nicht nur PLUTO; es gibt noch einen zweiten Probennehmer, der aus Steinen an der Oberfläche Material herausholt. Diese zwei teilen sich die zwölf Öfen, die im Lander zur Verfügung stehen. Wir sind darauf angewiesen, Kohlenstoff aus verschiedenen Regimen zu finden.
Einerseits müssen wir Kohlenstoff in organischen Regimen, also organischen Molekülen finden, andererseits das Kohlenstoff über mehrere Proben nachweisen, das aus Karbonatgestein kommt. Dann können wir aus diesen zwei Proben Vergleiche zwischen den C-12-Isotopenverhältnisse ziehen.
Kommt es zu einer Verschiebung im Verhältnis C-12 zu C-13 zwischen besagten Proben verschiedener Herkunft, dann lässt sich sagen, dass in diesem Fall wahrscheinlich Biologie im Spiel war, bei dem anderen hingegen nicht, wobei dies dann aber immer noch nicht restlos geklärt wäre. Denn misst man nur die Isotopenverhältnisse, sagt dies allenfalls etwas über die Fraktionierung von Isotopen aus, was auch durch nichtbiologische Prozesse eintreten kann.

Hier ist eine Grauzone. Man hat zwar die Daten; aber die Interpretation ist nicht leicht.

H. Zaun: Demzufolge wäre der Nachweis von C-12-Isotopen im Marsboden kein direkter Beweis für marsianes Leben?

Dr. Lutz Richter: C-12 wird auf jeden Fall vorhanden sein. Es geht immer nur um das Verhältnis von C-12 zu C-13. Wenn man jetzt Kohlenstoff analysiert von Molekülen, die biologisch generiert wurden, müsste dieser Wert größer sein als das Verhältnis von C-12 zu C-13 aus Karbonatgestein zum Beispiel. Wenn man diese unterschiedlichen Verhältnisse vor Ort aus verschiedenen Proben misst: Ist in einer Probe die C-12-Konzentration größer als die C-13-Konzentration, ist dies ein starker Hinweis, dass Biologie einmal im Spiel war.

H. Zaun: Aber doch immer nur retrospektiv gesehen. Mittels der C-12-Detektionsmethode lassen sich doch nur Indizien sammeln, dass in der Vergangenheit auf dem Mars einmal Leben existiert hat. Ob derzeit auf Mars etwa Mikroben ihr Dasein fristen, lässt sich dann wohl nur schwer behaupten, obwohl dies dennoch der Fall sein könnte!

Dr. Lutz Richter: Könnte dennoch sein. Man kann eben nur die Kohlenstoff-Untersuchung durchführen. Aber die Moleküle können aber auch durch jetzt vorhandene Mikroben entstanden worden sein. Ob heute oder früher – dazu kann man momentan halt nichts Genaues sagen. Der Lander kann aber auch nach Methan in der Atmosphäre suchen, dieses sogar mit hoher Empfindlichkeit nachweisen. Und Methan ist ja ein Molekül, das normalerweise instabil ist, es sei denn, es wird beispielsweise unterhalb der Oberfläche nachgeliefert – so wie auf der Erde, wo Methan hauptsächlich durch biologische Vorgänge an die Atmosphäre nachgeliefert wird.
Würde man also Methan in der Mars-Atmosphäre nachweisen, wäre dies ein starker Hinweis auf heutiges Leben, das sich irgendwo auf dem Mars angesiedelt hat. Wo und wie tief im Boden dieses vorzufinden ist, lässt sich damit aber nicht ermitteln.

H. Zaun: Während die Viking-Sonden 1976 auf der Suche nach Leben gerade mal an der Mars-Oberfläche kratzten, besteht das Novum bei der Mars-Express-Mission darin, dass Beagle-2 mithilfe des PLUTO-Greifarms erstmals tiefer in den Boden vordringt!

Dr. Lutz Richter: Richtig. Das Novum ist wirklich der Zugang zur Tiefe – unterhalb der Oberfläche. Wichtig ist natürlich auch das Analyse-Instrument 'Gas Analysis Package' (GAP) auf dem Lander, das die Proben untersucht. Es kommt nicht von uns, sondern von der 'Open University' in Großbritannien. Und die Leute dort haben immer mit Mars-Meteoriten gearbeitet und gleichartige Analysen im Labor mit größeren Instrumenten auf der Erde gemacht, haben aber diese Messtechnik eben miniaturisiert und zum GAP weiterentwickelt, das eben ein zentraler Bestandteil von Beagle-2 ist.

H. Zaun: PLUTO soll sukzessive ganz langsam in den Boden eindringen. Mit welchem Tempo vollzieht sich das Ganze?

Dr. Lutz Richter: Pro Schlag einige Millimeter. Das nimmt gleichwohl mit der Tiefe ab, denn der 'Eindringwiderstand' nimmt zu, je tiefer man kommt, so dass man sagen kann, dass man etwa 2 Stunden braucht, um in eine Tiefe von einen bis eineinhalb Meter vorzudringen – bei dem Bodenmaterial, was wir erwarten.

H. Zaun: Und wie sieht das Bohrprinzip aus?

Dr. Lutz Richter: Für uns kam kein konventioneller Bohrer in Frage, dessen Gestänge mindestens anderthalb Meter lang gewesen wäre. Stattdessen setzen wir bei PLUTO ein Verdrängungsprinzip ein, bei dem ein 28 Zentimeter langer zylindrischer Eindringkörper mit Kegelspitze mittels eines internen, von einem Elektromotor getriebenen Schlagmechanismus in granulare Böden bis auf ein Mehrfaches seiner Eigenlänge vordringt und nur über ein Kabel mit Elementen an der Oberfläche verbunden ist.

H. Zaun: Wie verhält es sich mit dem Daten-Transfer? Werden die Daten unverzüglich zum Orbiter und dann zur Erde weitergeleitet?

Dr. Lutz Richter: Der Datentransfer ist in der Tat nicht direkt. Zunächst einmal gehen die Daten zum Orbiter, wobei dieser das Landegebiet nicht oft überfliegt – 'Mars Express' nur einmal alle vier Tage, während der NASA-Orbiter 'Mars Odyssee' das Landegebiet jeden Tag einmal überfliegt. Und diesen haben wir für die ersten drei Wochen zur Verfügung, um mit Beagle-2 zu kommunizieren. In der Anfangsphase einmal jeden Tag. Mit anderen Worten: Nur zu dem Zeitpunkt, an dem der Orbiter das Landegebiet überfliegt, lassen sich Daten austauschen. Zuerst werden diese im Lander zwischengespeichert und dann zum Orbiter übertragen, der diese wiederum zur Erde funkt.

H. Zaun: Trotz des Wettlaufs um den Mars zwischen der ESA und der NASA gibt es also eine Kooperation!

Dr. Lutz Richter: Ja, und die ist sehr wichtig.

H. Zaun: Frau Dr. Gerda Horneck, die sich seit vielen Jahren als Leiterin des Arbeitsschwerpunktes Strahlenbiologie am Kölner Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR intensiv mit exobiologischen Fragen auseinandersetzt, hat einmal gesagt: "Es gibt plausible Gründe dafür, dass Lebensspuren auf dem Mars existieren könnten. Sollten wir tatsächlich welche finden, so wäre klar: Leben gehört zum kosmischen Standard." Angenommen Beagle-2 fände Leben auf dem Mars: Glauben Sie, dass Leben im All ein weitverbreitetes Phänomen ist?

Dr. Lutz Richter: Ich denke, dass Leben ein weitverbreitetes Phänomen ist – zumindest einfaches mikrobiologisches Leben. Ob es sich zu mehrzelligen Organismen weiterentwickelt, hängt eben davon ab, wie lange die lebensfreundlichen Bedingungen auf dem Planeten vorhanden sind. Bei der Erde waren diese Bedingungen für mehrere Milliarden Jahre gegeben – auf dem Mars jedoch nicht. Da ist das flüssige Wasser vermutlich frühzeitig wieder verschwunden. Es ist durchaus möglich, dass sich damals dort Leben gebildet hat. Aber entweder hat es sich aber dorthin zurückgezogen, wo heute noch Wasser in flüssiger Form existiert – zum Beispiel einige Kilometer tief im Boden – oder es ist wieder völlig verschwunden.

H. Zaun: Glauben Sie, dass neben uns in den Tiefen des Kosmos noch andere komplexere Lebensformen mit Bewusstsein und Intelligenz existieren?

Dr. Lutz Richter: Intelligentes Leben halte ich im All für ein sehr seltenes Phänomen, eben weil gewährleistet sein muss, dass lebensfreundliche Lebensbedingungen mindestens über viele Millionen Jahren, wenn nicht sogar einige Milliarden Jahre auf dem Planeten vorgeherrscht haben müssen. Auch andere Bedingungen müssen erfüllt sein, damit sich höherentwickelte Lebewesen auch dergestalt weiter entwickeln, dass sie Intelligenz ausbilden, was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Auf der Erde ist dies ja auch erst sehr spät geschehen. Und dann ist natürlich die Frage: Wie lange bleibt eine solche Lebensform existent. Das wissen wir noch nicht.

H. Zaun: Die SETI-Forscher, also die Radioastronomen, die nach außerirdischen Funksignalen Ausschau halten, legen in dieser Hinsicht einen großen Optimismus an den Tag. Für diese ist die Ausbildung von intelligentem Leben ein kosmische Notwendigkeit.

Dr. Lutz Richter: Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die SETI-Forscher jemals irgendwann überhaupt einmal ein Signal auffangen. Zunächst einmal wegen der Signallaufzeit und auch deshalb, weil außerirdische Zivilisationen vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt senden. Es kann doch durchaus sein, dass wir uns zeitlich verpassen, weil wir einfach nicht mehr sind, wenn ein Signal ankommt – oder das dies schon in grauer Vorzeit passiert ist, als wir technisch noch nicht so weit waren, Radiosignale zu detektieren. Ich halte es für beliebig schwierig, dass man da aus unserer Milchstrasse, geschweige denn einer anderen Galaxie Signale empfängt.

H. Zaun: Halten Sie eine interstellare Raumfahrt, wenn nicht sogar eine bemannte für realisierbar?

Dr. Lutz Richter: Es ist schwierig vorherzusehen, was in Zukunft für Durchbrüche in der Physik zu erwarten sind. Mit unseren heutigen Modellen und Vorstellungen ist eine interstellare Reise mit lichtnaher Geschwindigkeit mit Raumfahrzeugen natürlich nicht möglich. Trotzdem könnte man interstellar zu den nächsten Fixsternen innerhalb einiger Tausend Jahren schon fliegen, indem man die Crew in Anlehnung an Science-Fiction irgendwie konserviert. Lichtnahe Geschwindigkeit ist heute noch nicht absehbar. Da müssen sich noch einige physikalische Durchbrüche ereignen.

H. Zaun: Charles Darwin, der seinerzeit mit seinem Forschungsschiff HMS Beagle zu den Galapagos-Insel segelte, hätte es damals aber ebenso für undenkbar gehalten, dass sein Nachfolger-Schiff Beagle-2 dereinst im kosmisch-maritimen Ozean driften und auf dem Marsboden aufsetzen würde.

Dr. Lutz Richter: Es ist natürlich zu hoffen, dass wir eines Tages den interstellaren Flug beherrschen. Aber ich wäre schon zufrieden, wenn man innerhalb der nächsten fünfzig Jahren wieder bemannte Raumflüge unternähme, wie zum Beispiel zum Mond, zum Mars oder einigen Monden der äußeren Planeten. Es wäre schon begrüßenswert, wenn wir uns in unserem Sonnensystem ausbreiten und Exploration betreiben.

H. Zaun: Hätten Sie die Gelegenheit, in absehbarer Zeit an einer bemannten Mars-Mission als Wissenschaftsastronaut teilzunehmen – würden Sie den Weg zum Roten Planeten antreten?

Dr. Lutz Richter: Spontan würde ich nicht ja sagen. Wenn es nämlich die ersten bemannten Flüge beträfe, würde das Risiko sehr hoch sein. Würde mir hingegen jemand eine Mond-Mission offerieren, würde ich sofort zusagen. Da ist die Flugzeit kurz und überschaubar. Wie gesagt, beim Mars eben nicht.

Tolle Bilder und Animationen: www.space4case.com/mmw/

Dieses Interview erschien auch in Telepolis (Grimme Online Award 2002) - www.telepolis.de

Der Autor Dr. Harald Zaun

Harald Zaun (geb. 1962) ist promovierter Historiker und studierter Philosoph mit naturwissenschaftlichem Hintergrund (Universität Köln). Er arbeitet in Köln als freiberuflicher Wissenschaftsautor und Wissenschaftshistoriker und publiziert regelmäßig mit Prof. Dr. Harald Lesch. Der zweifache internationale Bestseller-Autor hat u.a. für die WELT, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Telepolis (Heise-Verlag) u.v.a. geschrieben. Schwerpunkte: Kosmologie, Astrophysik, Raumfahrt, Wissenschaftsgeschichte und primär Astrobiologie-SETI. Sein 2010 erschienenes Buch SETI – Die wissenschaftliche Suche nach außerirdischen Zivilisationen (Heise) wurde von der Max-Planck-Gesellschaft zur Lektüre empfohlen. Sein aktuelles E-Book trägt den Titel First Contact – Spurensuche nach kosmischer Intelligenz und die Gefahren (Heise, 2013). Mitglied der Deutschen Astrobiologische Gesellschaft (DAbG). Sein neues Werk mit Prof. Lesch erscheint 2019 im Bertelsmann-Verlag.

Unser Autor würde sich über einen Besuch seiner privaten Seiten unter www.haraldzaun.de freuen!

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