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28. Woche - Der Galaxienhaufen ACO S 805 am Südhimmel

Fotografiert von: Stephan Küppers | | Astrofoto der Woche

Im Sternbild Pavo befindet sich etwa 2,5° westnordwestlich der bekannten Spiralgalaxie NGC 6744 der Galaxienhaufen ACO S 805. Diese Bezeichnung stammt aus dem Katalog von Abell, Corwin und Olowin (1989). Andere Haufenbezeichnungen lauten Pavo II oder Sersic 129-01. Im Haufenzentrum sitzt - wie sollte es anders sein - eine elliptische Riesengalaxie namens IC 4765. Ihr scheinbarer Längsdurchmesser wird in der Datenbank SIMBAD mit 2,45' angegeben. Das ist natürlich zu wenig, weil die üblichen Durchmesserbestimmungen sich auf Grenzisophoten von 25 mag pro Quadratbogensekunde beziehen. Das aktuelle AdW ist aber wesentlich tiefer (genaue Werte erst nach Fotometrie) und zeigt um IC 4765 einen ausgedehnten Halo. Damit ergibt sich eine Galaxienausdehnung von 4,2' und ein echter Durchmesser von ca. 240.000 Lj. Verständlich, dass so ein Koloss klare Wechselwirkungen mit seinen direkten Nachbarn aufweist, wir nehmen das als gelbliche Schleier im Zentralbereich wahr. Was die Entfernung von ACO S 805 angeht, so kann man von 200 Millionen Lichtjahren ausgehen (Lucey & Carter 1988). Diese Forscher ermittelten für IC 4765 eine Radialgeschwindigkeit von 4440 km/s. Interessant ist, dass die Geschwindigkeiten der Einzelgalaxien in ACO S 805 sehr stark streuen, zwischen 3600 und 5400 km/s. Das lässt auf ein „dynamisches Durcheinander“ schließen.

Im Bildfeld des AdWs (Feldgröße 54' x 41', Norden oben, Osten links) sind zahlreiche Galaxien verstreut. Wer sich für die einzelnen Galaxien und ihre Katalognamen interessiert, schaue auf das Zusatzbild (hier klicken). Dazu das Zusatzbild herunterladen und wegen der kleinen Schrift hineinzoomen. Auffallend ist, dass sehr viele E- und S0-Typen vorherrschen, weniger Spiralen. Schauen wir uns außer IC 4765 zwei weitere Galaxien an: 11' nordnordöstlich von IC 4765 liegt die SBc-Balkenspirale IC 4769. Immerhin kommt sie im Durchmesser auf 2,1', und das entspricht 120.000 Lichtjahren. Demnach ist sie 20% größer als die Andromedagalaxie! Der nördliche Spiralarm verläuft geradlinig, dazu ist er von Sternentstehungsgebieten durchsetzt. Um das zweite interessante Objekt zu finden, gehe man vom hellsten Stern im Bild aus. Das ist der 7,4 mag helle, blaue Algol-Veränderliche V362 Pavonis. Von ihm aus 6' nordöstlich bemerkt man eine sehr lichtschwache Galaxie mit einem runden, strukturlosen Körper. Bei dieser LSB-Galaxie (low surface brightness = niedrige Flächenhelligkeit) handelt es sich um die Zwerggalaxie [MP89] 415. Sie wurde neben vielen anderen Dwarfs bereits 1989 von Millington und Peach in diesem Galaxienhaufen entdeckt. Wer genau ins AdW schaut, wird noch einige andere schwache Zwerggalaxien finden, denn ein solcher Galaxienhaufen eignet sich dafür hervorragend.

Apropos Sterne: Schön ist, dass der Bildautor die Kalibration und Registrierung mit PixInsight durchgeführt hat, die Farbkalibrierung mit ExCalibrator. Im Vorgriff auf die nachfolgende Bildkommentierung sei hier erwähnt: Dieses spanische Programm verwendet den Prozess „Noligcra“ zur Farberhaltung, so dass auch helle Sterne im Zentrum nicht weiß ausbrennen, sondern ihre physikalische Eigenfarbe möglichst beibehalten. Das fällt im AdW sofort auf. Interessenten können dazu auf der Homepage der Fachgruppe Astrofotografie mehr lesen:
Harald Tomsik/Peter Riepe http://astrofotografie.fg-vds.de/grundsatzartikel.php3

Das Sternbild Pavo wird von schwachen galaktischen Reflexionsnebeln durchzogen. Haben sie eine Filamentstruktur, dann spricht der Astronom vom „galaktischen Zirrus“. Fotografische Schmidtplatten, die noch 2002 am Anglo Australian Observatory auf Kodak Technical Pan gewonnen wurden, zeigen auf 6,5° x 6,5° diese extrem lichtschwachen Nebelwolken, die durch das Licht unserer Milchstraße angeleuchtet werden. So darf es nicht verwundern, dass auch hier der Galaxienhaufen ACO S 805 von schwachen galaktischen Nebeln gestört wird, so dass es schwierig ist, Wechselwirkungsdetails und Zirrus innerhalb des Haufens zu trennen.

Stephan Küppers, Mitglied der FG Astrofotografie und TBG-Mitglied (tief belichtete Galaxien, siehe http://tbg.vds-astro.de/), nahm im Mai 2015 auf der Astrofarm Tivoli dieses interessante und selten gezeigte Motiv auf. Dazu nutzte er einen 30-cm-Astrografen (Marke ASA) von 1076 mm Brennweite. Mit einer CCD-Kamera FLI Microline ML8300 wurde das LRGB-Bild 155:60:60:60 Minuten belichtet, die Einzelbilder jeweils 300 s. Die Himmelsqualität war bei einem SQM-Wert von 21,5 mag pro Quadratbogensekunde recht gut. Als Grenzhelligkeit gibt der Bildautor ca. 22,2 mag an.

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Astronomische Reisen zu Standorten auf der Südhalbkugel der Erde sind heutzutage nichts exotisches mehr. Immer mehr Amateurastronomen nutzen die vorhandenen Infrastrukturen, z.B. der namibischen Astrofarmen, um die Objekte des Südhimmels zu beobachten und zu fotografieren. Die Farm Tivoli am westlichen Rand der Kalahari bietet hierzu ausgezeichnete Bedingungen. Auf etwas über 1300 m Seehöhe und abseits jeder Zivilisation herrschen im südafrikanischen Winter ausgezeichnete Bedingungen, bei extrem trockener Luft und vielen klaren Nächten.

Unter solchen idealen Bedingungen lohnt es sich nicht nur Objekte der südlichen Milchstraße zu fotografieren, sondern auch solche Objekte, die abseits dieser liegen. Galaxien und Galaxienhaufen bieten sich dafür förmlich an. Aber auch der galaktische Zirrus ist ein lohnendes Objekt. Große Gebiete solcher Gas- und Staubansammlungen befinden sich nördlich der Milchstraße in den Sternbildern Schlangenträger, Waage, Wolf und Zentaur, und südlich der Milchstraße in der südlichen Krone, Pfau, Paradiesvogel, Oktant und Chamäleon.

Im Sternbild Pfau liegt nun der Galaxienhaufen Pavo II, der förmlich zugedeckt wird von galaktischem Zirrus. Stephan Küppers hat die langen Winternächte Namibias genutzt um diese lichtschwachen Objekte eindrucksvoll abzulichten. Mit einer Gesamtbelichtungszeit von ca 5,5 Stunden liegt er damit an der Unterkante dessen, was man üblicherweise für solche lichtschwachen Objekte an Belichtungszeit ansetzt. Der extrem dunle Himmel und ein lichtstarker Astrograf haben hier ihre Wirkung gezeigt. Zum Vergleich: Unter sehr guten mitteleuropäischen Bedingungen hätte man gut das Vierfache an Belichtungszeit ansetzen müssen, um ein adäquates Ergebnis zu erhalten.

Die Bildbearbeitung solcher Objekte ist nicht trivial. Um die schwachen Hintergrundgalaxien und den galaktischen Zirrus hervor zu heben, muss man die Tiefen der Aufnahme stark betonen. Dabei blähen sich die Sternhalos in der Regel unschön auf. Abhilfe können da Sternmasken leisten, die ein solches Aufblähen verhindern sollen. Diese Masken funktionieren aber zumeist nicht perfekt, und es entsteht ein relativ weiches Aussehen. Hier ist das Fingerspitzengefühl des Bildbearbeiters gefragt, um den richtigen Kompromiss zu finden. Stephan Küppers ist dies recht gut gelungen.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim und Dr. Stefan Binnewies

Koordinaten J2000.0:
RA = 18 h 47 min 18 s, DE = -63° 19' 52"

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