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39. Woche - Die Spiralgalaxie NGC 6744 - ein Zwilling unserer Milchstraße ???

| Astrofoto der Woche

Die Spiralgalaxie NGC 6744 befindet sich im Sternbild Pfau (lat.: Pavo), daher nennt man sie auch gern die "Pavo-Galaxie". Kai-Oliver Detken nahm dieses prächtige Deep-Sky-Objekt am 17.07.2023 in Namibia auf, Ort war die Astrofarm Hakos. Dort ist die VdS-Fachgruppe Remote-Sternwarten dabei, eine eigene neue Sternwarte zu errichten. In der Testphase wurde für das AdW als Teleskop ein 12-zölliger Newton-Astrograph (Marke TS) verwendet, mit einem 3-Zoll-Komakorrektor N-AGK3. Bei 1.391 mm Brennweite bedeutet das ein Öffnungsverhältnis von 1:4,56. Die dazugehörige Kamera war eine Lacerta DeepSkyPro2600 (mono). Alles befindet sich auf einer Montierung des Typs 10Micron GM3000. Das Autoguiding erfolgte über ein 70-Sterne-Pointing-Modell. Die verwendeten Filter waren zweizöllige RGB-Filter ("Deep Sky" von Astronomik).

Bei einem Gain von 100 (high-gain-Modus) wurde insgesamt 37 x 5 min belichtet, mit Dithering. Das gezeigte AdW hat ein Gesichtsfeld von 57,8' x 38,8' mit Norden oben und Osten links. Und wieder soll betont werden: Das ist die in der Astronomie gültige, festgelegte Orientierung -  auch für Objekte des südlichen Sternenhimmels.

Was zeigt das AdW? NGC 6744 ist eine grandiose Spiralgalaxie des Typs SAB(r)bc. Sie wird also nicht dem "normalen" Typ SA (balkenfrei) zugerechnet, auch nicht den Balkenspiralen des Typs SB, sondern dem Übergangstyp SAB. Das bc bedeutet: Nach dem klassischen Hubble-Muster handelt es sich bei NGC 6744 um eine Spirale zwischen den Typen Sb und Sc. Ein gelber elliptischer Bulge sitzt im Zentrum der Galaxie, er bildet mit den beiden geraden Fortsätzen zu den Spiralarmen den unverkennbaren Balken. Das eingeschobene (r) soll auf die Ringform hinweisen. Die Spiralarme sind auffällig blau. Hier zeigen sich kompakte Gebiete der Sternentstehung, das bezeugen auch die zahlreichen gefundenen HII-Regionen.

NGC 6744 wird in der Fachastronomie der "Pavo-Gruppe" (engl. Pavo group) zugeordnet. Schaut man sich das Umfeld an, so steht die Galaxie aber recht allein im Feld. In weitem Umkreis von 5° ist keine ähnliche größere Scheibengalaxie zu sehen. Wo sind also die Gruppenmitglieder? Der Begriff (Gruppe) bezieht sich daher wohl auf NGC 6744 im Kreise "ihrer Kinder" - die Begleitgalaxien, auf die wir weiter unten noch kommen. Als Entfernung lässt sich aus der NASA Extragalactic Database anhand von 12 Messwerten aus den Jahren nach 2000 ein Mittelwert von 8,5 Mpc ausrechnen, was rund 28 Mio. Lj gleichkommt.

Das macht neugierig, denn für eine solche Entfernung wirkt NGC 6744 eigentlich ziemlich groß. Im AdW kann man sehr einfach den Winkeldurchmesser der Galaxie bis in ihre schwächsten Außenpartien ermitteln (siehe Zusatzbild 1). Zunächst folgt aus der  Aufnahme selbst ein Bildmaßstab von 1,155"/px. Da der Durchmesser im Bild 1243 px beträgt, ist der Winkeldurchmesser dann 1243 x 1,155" = 24,5'. Und daraus wiederum folgt für die genannte Entfernung der wahre Durchmesser von ~200.000 Lichtjahren. Damit ist NGC ein Riese - doppelt so groß wie die Milchstraße.

NGC 6744 ist eine Besonderheit. Sie ist die nächstgelegene Galaxie mit einer sehr starken Ähnlichkeit zu unserer Milchstraße. Schon 1997 bemerkten Vaceli et al., dass die Kernregion (nucleus) Emissionslinien aussendet, deren Verhältnis zueinander typisch für "Low Ionization Nuclear Emission Regions" ist. NGC 6744 ist also ein LINER. Neuere Untersuchungen von da Silva, Steiner und Menezes aus dem Jahre 2018 richteten sich auf dieses Kerngebiet. Man fand mit dem Weltraumteleskop Hubble heraus, dass der Nucleus eine blaue kompakte Quelle enthält, die einem aktiven galaktischen Kern (AGN) entspricht. Spektrale Untersuchungen am Gemini South Telescope ergaben kinematisch, dass NGC 6744 vor etwa 1 Milliarde Jahren eine Verschmelzung mit einer ähnlich massereichen Galaxie durchgemacht haben kann. Als Beweis dafür wird gesehen, dass im Kerngebiet ein rotierender Gasring gefunden wurde. Dieser rotiert aber entgegengesetzt zu der galaktischen Sternenscheibe. Die zirkumnukleare Emission könnte demnach das "Nachhallen" der damaligen Verschmelzung sein, die mit einer heftigen Sternbildung im Bulge einherging.

NGC 6744 hat fünf bekannte Begleitgalaxien, von denen drei auf dem AdW zu erkennen sind (siehe Zusatzbild 2). Das sind NGC 6744A, LEDA 2815832 und das Objeekt "1". Für diese Zwerggalaxie hat sich der Katalogname WISEA J190722.48-634223.6 etabliert. Die zwei restlichen Begleiter liegen außerhalb des Bildfeldes. IC 4823 auf der östlichen Seite stellt ein Paar interagierender elliptischer Galaxien dar. Frage: Könnte es sich um das Zentrum eines entfernten Galaxienhaufens handeln, der durch zalreiche im Hintergrund sichtbare, etwa gleichgroße Galaxien gebildet wird? Und LEDA 2815833 steht sehr weit im Hintergrund.

Anmerkungen: Die vielen HII-Regionen kommen auf dieser reinen LRGB-Aufnahme leider kaum zur Geltung. Aber sicherlich findet der Bildautor in der Folgezeit noch die Möglichkeit, mit einem H-alpha-Filter nachzulegen.

Einen herzlichen Dank an Kai-Oliver Detken für dieses detaillierte und technisch sehr gute Galaxienbild. Weiterhin auch alles Gute beim Aufbau der Remote-Sternwarte. Natürlich darf unsere Gratulation zum gelungenen Astrofoto der Woche nicht fehlen!

 

Peter Riepe
Bildautor: Kai-Oliver Detken

 

Koordinaten (J2000.0) von NGC 6744:
RA = 19 h 09 min 46.1 s,   Dec = -63° 51' 27"

 

 


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