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43. Woche - Leuchtende Nachtwolken über Rügen

Fotografiert von: Endriko Siegismund | | Astrofoto der Woche

Eigentlich ist das neue AdW gar kein "Astrofoto" im eigentlichen Sinn. Das aufgenommene Motiv zeigt ein Phänomen aus der irdischen Hochatmosphäre: die "Leuchtenden Nachtwolken" (LNW). Diese Leuchterscheinung tritt statistisch öfter in höheren Breiten auf und hat ihre größte Häufigkeit in der geografischen Breite um das nördliche Dänemark. Dabei spielt auch die Jahreszeit eine wesentliche Rolle. Der Zeitraum zwischen dem späten Frühjahr bis zum Sommer ist eindeutig bevorzugt. Schaut man in dieser Zeit vom nördlichen Deutschland aus bei klarem Himmel in Richtung der späten Dämmerung, so kann man die LNW mehrmals im Jahr sichten. Während des Sommers herrscht im Norden die Mitternachtsdämmerung, d.h. die Sonne sinkt nicht bis jenseits von 18° unter den Horizont. So bleibt der Nachthimmel gerade in nördlichen Richtungen aufgehellt. Beobachtungen der LNW aus Schleswig-Holstein werden bekanntlich des öfteren im Internet gezeigt.

 

Um was handelt es sich dabei? Zunächst einmal ist der Begriff des Leuchtens nicht ganz korrekt. LNW sind keine atmosphärischen Leuchterscheinungen wie Polarlicht oder Airglow, die ja aus sich heraus Licht emittieren. Die LNW stellen Eiswolken in großen Höhen um 85 km dar. Sie werden also noch voll von der Sonne beschienen und reflektieren ihr Licht, wenn die Sonne für den Betrachter schon deutlich unter dem Horizont steht und wenn es allmählich dunkel wird. Oft treten LNW nach Kaltlufteinbrüchen auf. Die Wolkenformen werden durch streifige oder girlandenartige Muster gekennzeichnet, in der Regel sind auch wellenförmige Bewegungen im Ablauf zu registrieren. Insofern wäre ein Videofilm noch informativer als ein Bild.

 

Endriko Siegismund verbrachte seinen siebten Sommerurlaub auf Rügen. Am 22.07.2015 nachts gegen 2:30 Uhr MESZ hielt er am Strand nach LNW Ausschau. Und es gelang ihm jetzt erstmals, dieses Schauspiel zu sehen und aufzunehmen. Er schreibt: "Da ich kein lichtstarkes Objektiv dabei hatte, musste eine Standardlinse ausreichen. Aus fünf Einzelbildern ist dieses Panoramabild entstanden. Rechts ist der Hafen von Glowe zu sehen. Und mittig ist das Signallicht des Leuchtturms am Kap Arkona sehr schön zu erkennen."

 

Kamera war eine Canon 40D mit einem Zoomobjektiv EF 28-135 mm, Blende 3,5-5,6. Bei ISO 800, Blende 5 und f = 70 mm wurde 4 Sekunden belichtet. Wir finden: So ein Bild sollte unbedingt gezeigt werden. Schließlich machen Stimmungen auch ein Astro-Erlebnis aus!

 

Bisheriger Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

 

Das vorliegende AdW wird im Panoramaformat präsentiert, ein Format, das erst mit dem Aufkommen moderner Digitalkameras und den Möglichkeiten der Bildbearbeitungsprogramme breiten Einzug in die Fotografie ganz allgemein und dann auch in die Astrofotografie gehalten hat. Heute unterstützt jedes Smartphone die Aufnahme von Panoramen. Das, was früher zusammen geklebte Postkarten in Leporelloform oder mit speziellen Panorama-Kameras aufgenommenen Filmstreifen waren, spuckt die Software jetzt in Sekundenschnelle aus.

 

Will man aber einem gewissen Qualitätsanspruch genügen, gibt es einiges zu beachten. Und das gilt nicht nur für die in der Nacht aufgenommenen Panoramen, sondern auch für die am Tage. Es wird möglichst im Raw-Format belichtet, um noch genügend Intensitätswerte an den Enden des Histogramms zur Bearbeitung feiner Grau- oder Farbnuancen (wichtig beim Weiß der Wolken, der Schattenpartien oder des Übergangs vom Nachthimmel zum Vordergrund) zur Verfügung zu haben. Außerdem sollte mit feststehenden Kameraeinstellungen (Belichtungszeit und Blende, was aber in der Astrofotografie ohnehin üblich ist) belichtet werden. Das Automatikprogramm würde ansonsten diese Einstellungen der Helligkeit in den unterschiedlichen Blickrichtungen anpassen, beim Zusammensetzten der Bilder gibt das unschöne Gradienten. Und man sollte auf eine breite Überlappung (mindestens 50%) von Bild zu Bild achten – damit auf die immer vorhandene Randabschattung der Optik in den Bildecken jeder Aufnahme bei der Fertigstellung des Panoramas verzichtet werden kann.

 

Beim Panorama von Endriko Siegismund sind diese Helligkeitsgradienten im oberen Teil des Nachthimmels an mindestens drei Stellen für den Eingeweihten sofort zu erkennen. Wer im dunklen Raum genauer hinsieht, erkennt sogar über diese Gradienten die Gesamtanzahl von fünf Bildern, die in das ansonsten wunderbare nächtliche Rügen-Panorama eingeflossen sind. Dem Bildautor sei gesagt: Die „Panorama-Community“ verzeiht einem nix! Klar, man muss das Bild ja nicht aufhellen und im Kontrast steigern, um die Fehler sofort nachweisen zu können. Aber den Hinweis wollten wir dennoch nicht versäumen. Bei normaler Einstellung des Monitors kann man allerdings schon mal ein Auge zudrücken …

 

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies, Frank Sackenheim

 

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