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Asteroid Lutetia: Ein seltener Zeuge der Geburtsstunde der Erde

Der Asteroid Lutetia dürfte ein Überbleibsel aus demselben Material sein, aus dem einst Erde, Venus und Merkur entstanden sind – das ist ein Schlüsselergebnis neuer Beobachtungen der Raumsonde Rosetta der ESA, des New Technology Telescope der ESO und von Teleskopen der NASA. Wie diese Beobachtungen zeigen, stimmen die Eigenschaften des Asteroiden mit denen einer seltenen Meteoritenart überein, die sich nach heutiger Vorstellung in den innersten Bereichen des Sonnensystems gebildet hat. Auch Lutetia dürfte ihre Existenz dort begonnen haben und wäre später nach außen zu ihrer jetzigen Position im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter gewandert.

Eso-Pressemitteilung vom 11.November 2011

Ein Team von Astronomen von französischen und nordamerikanischen Universitäten hat den ungewöhnlichen Asteroiden Lutetia detailliert über einen großen Wellenlängenbereich hinweg untersucht, um seine Zusammensetzung zu bestimmen. Daten der OSIRIS-Kamera auf der Raumsonde Rosetta der ESA, des New Technology Telescope (NTT) am La Silla Observatorium der ESO in Chile, der Infrared Telescope Facility der NASA auf Hawaii und des Spitzer Space Telescope wurden dazu zum umfassendsten Spektrum kombiniert, das jemals von einem Asteroiden gewonnen wurde.

Das Lutetia-Spektrum wurde dann mit den Spektren verschiedener Meteoriten verglichen, die man auf der Erde gefunden und ausführlich im Labor untersucht hat. Nur ein einziger Meteoritentyp, die so genannten Enstatit-Chondriten, stimmte über den gesamten Spektralbereich mit Lutetia überein.

Enstatit-Chondriten bestehen aus Material aus der Entstehungszeit des Sonnensystems. Man geht davon aus, dass sie nahe der jungen Sonne entstanden sind, und dass diese Sorte von Objekt eine der Hauptzutaten für die Entstehung  der Gesteinsplaneten waren, insbesondere für Erde, Venus und Merkur. Auch Lutetia dürfte demnach nicht aus dem Asteroidenhauptgürtel stammen, wo sie sich jetzt befindet, sondern aus einem Bereich viel näher an der Sonne.

"Aber wie ist Lutetia aus dem inneren Sonnensystem entkommen und in den Asteroidengürtel gelangt?" fragt sich Pierre Vernazza von der ESO, der Erstautor des Fachartikels, in dem die neuen Ergebnisse präsentiert werden.

Astronomen haben abgeschätzt, dass weniger als 2% der Objekte, die aus dem Bereich stammen, in dem sich die Erde gebildet hat, in den Asteroidengürtel gewandert sind. Der Großteil dieser Körper aus dem inneren Sonnensystem wurden innerhalb weniger Millionen Jahre von den in Entstehung befindlichen jungen Planeten eingefangen. Einige der größeren Objekte mit Durchmessern von 100 Kilometern oder mehr dürften allerdings herausgeschleudert worden sein und fanden sich langfristig auf sichereren Umlaufbahnen weiter weg von der Sonne wieder.

Auch Lutetia, die knapp 100 Kilometer Durchmesser besitzt, könnte durch den Vorbeiflug an einem der Gesteinsplaneten aus ihrer ursprünglichen Umlaufbahn und damit aus den inneren Bereichen des Sonnensystems gerissen worden sein. Eine Begegnung mit dem jungen Jupiter während dessen Migration an seine jetzige Position könnte Lutetias Umlaufbahn ebenfalls maßgeblich beeinflusst haben.

"Wir gehen davon aus, dass Lutetia eine solche Bahnänderung durchgemacht hat. Sie kam als Eindringling im Asteroidenhauptgürtel an und wurde dort für vier Milliarden Jahre konserviert", erläutert Vernazza.

Vorangegangene Studien ihrer Farbe und Oberflächenstruktur haben gezeigt, dass Lutetia und äußerst ungewöhnliches Mitglied des Asteroidengürtels ist, das den Astronomen noch einige Rätsel aufgibt. Durchmusterungen haben ergeben, dass vergleichbare Asteroiden selten sind und weniger als 1% des Asteroidenhauptgürtels ausmachen. Die neuen Ergebnisse erklären nun, warum Lutetia so anders ist – sie ist eine der seltenen „Überlebenden" der Ursprungsmaterials, aus dem sich die Gesteinsplaneten gebildet haben.

"Lutetia dürfte die größte Ansammlung dieser Art urtümlichen Materials darstellen. Damit ist sie das ideale Ziel für zukünftige Missionen, die Gesteinsproben zur Erde bringen könnten. Anhand dieses Materials könnte man die Entstehung der Gesteinsplaneten wie unserer Erde im Detail untersuchen", schließt Vernazza.