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Ausdruck vom: Donnerstag, der 28.03.2024

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Astronomie - Die kosmische Perspektive

Rezension von: Rezensent: Alexander Kerste | | Verlag

Uff erstmal – 2,6 kg bringt die kosmische Perspektive auf meine Küchenwaage. Kein Buch, das man bequem auf dem Sofa liest, und doch ist es in gewisser Weise eine leichte Lektüre: Dieses Astronomiebuch ist auch für das Grundstudium ausgelegt und durchgehend verständlich geschrieben. Es bietet einen aktuellen Überblick über die Astronomie und Kosmologie, der im besten Sinn auch als populärwissenschaftlich gelten kann: Der Leser wird nicht durch trockene Fachsprache oder Formeln abgeschreckt, sondern findet wo nötig Formeln und mathematische Exkurse in separaten Kästen, die den Lesefluss nicht unterbrechen. Das Ergebnis ist kein eingestaubtes Lehrbuch, sondern ein Repetitorium der Astronomie mit hervorragenden Illustrationen und hohem Spaßfaktor für alle, die Lust an neuem Wissen haben.

Das Buch richtet sich so an eine breite Leserschaft: interessierte Hobby-Astronomen, Schüler in der Oberstufe oder auch Teilnehmer von Einführungsvorlesungen, die im Rahmen des Hochschulstudiums in die Materie einsteigen wollen.

Natürlich kann auf gut 1000 Seiten plus Anhänge nicht alles bis ins Detail abgedeckt werden, aber wer das Buch durchgearbeitet (und nicht nur gelesen) hat, kann zu Recht sagen, dass er einen fundierten Überblick über die moderne Astronomie gewonnen hat.

Da es ein Lehrbuch ist, besteht es natürlich nicht nur aus über zwei Dutzend Kapiteln, sondern umfasst auch kurze Zusammenfassungen am jeweiligen Kapitelende, die in Form von Fragen mit direkt darauf folgenden Antworten dabei helfen, das Gelesene noch einmal zu rekapitulieren. Wer ältere Auflagen kennt, wird die tiefergehenden Verständnisfragen vermissen, mit denen man das Gelesene anwenden und sich wirklich einarbeiten konnte. So besteht das Risiko, dass man nur konsumiert, statt sich tiefer mit der Materie zu befassen.

Die Vertiefungsfragen sind aber keinesfalls verloren: Dafür steht nun die eigene, deutschsprachige Internetplattform MyLab|Astronomie zur Verfügung, die das englische Online-Angebot der Vorgängerausgabe ablöst. Ein Zugang für vier Jahre ab Erstregistrierung ist im Kaufpreis des Buchs enthalten. In dieser Rezension will ich zuerst einen Blick auf das gedruckte Buch werfen, und danach auf das Internetangebot.

Alternativ ist es auch als digital als EBook mit MyLab-Zugang erhältlich, zur Rezension stand die Print-Ausgabe der neunten Auflage zur Verfügung. Der direkte Vorgänger in Deutschland war übrigens die 5. Auflage – jetzt hat die Auflagenzahl mit der amerikanischen Vorlage wieder gleichgezogen, bei weit verbessertem Online-Angebot.

Das Buch

24 Kapitel decken eigentlich alles ab, was man über die Astronomie wissen muss. Zusätzlich gibt es noch vier Sonderkapitel rund um Themen wie Navigation anhand der Sterne, Relativitätstheorie und Quantenphysik. Auf aktuellem Stand und in verständlicher Sprache werden die verschiedensten Bereiche behandelt. Von Sternentstehung und Himmelsmechanik über die Atmosphären und geologischen Besonderheiten der Planeten bis hin zur Kosmologie von unserer Milchstraße oder zu dunkler Energie und Materie fehlt eigentlich nichts. Natürlich: Wer sich auf ein Thema spezialisieren will, braucht weitere Literatur – hier erhält man erst einmal einen Überblick, um in das Thema einzusteigen. Aber auch dieser erste Überblick bringt mehr Details als jede Fernsehsendung zum Thema!

Aufgrund der Informationsdichte ist es keine leichte Kost, aber durch die gute Aufbereitung doch leicht verdaulich, wenn man sich damit beschäftigen will. Kleine Kästen mit Zwischenfragen regen zum Nachdenken an oder klären typische Fehlannahmen auf, die weit verbreitet sind. Dazu gibt es immer wieder Anregungen, selbst einmal einen Blick in den Himmel zu werfen. Der Schwerpunkt liegt dabei natürlich auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und nicht auf der praktischen Astronomie. Wer zum Beispiel den Sternenhimmel kennenlernen will oder Beobachtungstipps für das Teleskop sucht, ist hier falsch – aber schließlich beobachtet auch kein Astronom mehr selbst am Teleskop. Dabei ist das Buch immer noch interessanter und lehrreicher als mein Grundkurs Astronomie am Gymnasium vor langer Zeit, bei dem langweilige Rechnerei im Vordergrund stand. Der Untertitel des Buchs lautet „Die kosmische Perspektive“. Dementsprechend wollen die Autoren die Zusammenhänge aufzeigen und ein Verständnis dafür wecken, wie unser Universum funktioniert. Welche Kräfte wirken zum Beispiel in den verschiedenen Planetenatmosphären, was wissen wir darüber und wie können wir es auf andere Welten anwenden?

Für sich genommen ist Astronomie – die kosmische Perspektive ein umfassendes, aktuelles und gut verständliches Einführungswerk, das die verschiedenen Bereiche der Wissenschaft Astronomie abdeckt und dabei oft mehr Wissen enthält als manches populärwissenschaftliche Buch, das auf mehr Seiten weniger zu einem Thema schreibt. Eine klare Empfehlung für alle, die sich einen aktuellen Überblick über die Astronomie verschaffen oder einfach nur ihr Wissen auf den neuesten Stand bringen wollen.

Was ebenfalls positiv auffällt: Tipp- und andere Fehler sind bei dem schieren Volumen unvermeidlich, liegen aber auf einem kaum wahrnehmbaren Niveau. Bei Lektorat und Übersetzung wurde genauso sauber gearbeitet wie bei Druck und Produktion.

Das Online-Angebot

Was wäre ein Lehrbuch, wenn man nichts dabei lernt? Es ist leicht, die Kapitel durchzulesen und „nur zur Kenntnis zu nehmen“ – aber erst, wenn man sich wirklich damit beschäftigt, bleibt auch etwas hängen. Damit das Gelesene auch gelernt und nicht nur konsumiert wird, gehört ein Zugang zu der Online-Plattform MyLab dazu. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert: Einerseits bieten sich so zahlreiche interaktive Möglichkeiten, andererseits ist die Ablenkungsgefahr durch Facebook, Twitter und Co größer…

In früheren Auflagen (ich habe noch die fünfte Auflage im Regal) waren die Fragen im Buch abgedruckt, sodass man sich ohne Ablenkung durch den „Second screen“ mit Buch und Papier damit auseinandersetzen konnte. Die Antworten waren jedoch nur online, und der Zugangscode für die Webseite Mastering Astronomy galt, wenn ich mich recht erinnere, nur begrenzte Zeit.

Bei der 9. Auflage sind die Fragen komplett in das Internet ausgelagert, auch die Hinweise im Vorwort für Studierende und Lehrende dazu, wie man das Studium strukturiert, fehlen. Dafür gilt der Zugang nun für vier Jahre. Das genügt nicht nur für alle, die das Buch studienbegleitend verwenden, sondern sollte auch für „Privatanwender“ im Selbststudium ausreichen – hier ist die Überwindung höher, mit der Registrierung den „Countdown“ für die Nutzbarkeit der Fragen in Gang zu setzen. Es wäre wünschenswert, wenn man zumindest die Fragen als PDF herunterladen könnte – für den Astronomie-Interessierten ist das Thema ja nicht mit der Klausur am Semesterende abgeschlossen.  Andererseits wäre das Buch durch Abdrucken der Fragen (ohne Antworten) nur noch dicker geworden, ohne weiteren Erkenntnisgewinn zu bringen, und online macht es tatsächlich Spaß, die Fragen durchzugehen und die Antworten zu erhalten, ohne dass man in Versuchung gerät, die nächsten Antworten gleich nachzuschlagen.

Immerhin gibt es im Buch weiterhin am Ende jedes Kapitels eine hilfreiche Zusammenfassung, die auf die grundlegenden Fragen die Antworten aus dem Kapitel kurz und knackig zusammenfasst – so kann man sein Textverständnis auch offline überprüfen. Dazu kommen immer wieder mathematische Exkurse, bei denen die Lösung ebenfalls abgedruckt ist.

Was erwartet einen nun, wenn man sich registriert? Das kommt darauf an, wer man ist – mit dem Kauf des Buchs erhält man einen Zugangscode für das Studentenangebot; Dozenten können einen erweiterten Zugang beantragen.

Das Online-Angebot für Studenten

Wer den Code aus dem Buch benutzt, erhält zuerst einmal Zugriff auf eine Webseite mit einer digitalen 1:1-Umsetzung der Doppelseiten des Buchs. Es ist also kein klassisches Ebook, das auch auf Mobilgeräte optimiert ist, und funktioniert am besten auf einem richtigen PC. Auf Handy oder Tablet ist es nutzbar und kann durch Streichen nach rechts oder links durchgeblättert werden, aber die Seitengröße wird von etwa A4 auf den Bildschirm kleinskaliert. Natürlich kann man in die Seiten hineinzoomen.

Wenn das Buch nur als reines Ebook verkauft würde, würde ich das als klares No-Go ansehen – aber es handelt sich ja lediglich um eine Ergänzung, mit der man immer auf das Buch zugreifen, Notizen einfügen oder die Kapitel per Volltextsuche durchsuchen kann. Zum ernsthaften Lesen und Arbeiten hat man ja die gedruckte Version. Keine schlechte Kombination: Zum ungestörten Lesen und Verstehen greift man zur Print-Ausgabe, zum schnellen Nachschlagen oder die Arbeit am PC zur Online-Umsetzung.

Das eigentlich Online-Angebot umfasst deutlich mehr als nur einen „Scan“ des Lehrbuchs. Natürlich sind auf der Webseite Animationen eingebunden, die im Buch nur erwähnt werden können. Die Videos sind auf Englisch mit deutschen Untertiteln – das Buch kommt aus den USA, und wer Astronomie studiert, wird heutzutage ausreichende Englischkenntnisse haben, um damit problemlos zurecht zu kommen.

Einige interaktive Tutorien begleiten einen gut verständlich durch ausgewählte Bereiche wie zum Beispiel den Doppler-Effekt, Schwarze Löcher, die Suche nach extrasolaren Planeten und vielem mehr. Mit Texten und Multiple-Choice-Fragen wird man dazu gebracht, die Themen zu verstehen. Das Angebot ist dabei nicht statisch, sondern soll noch weiter ausgebaut werden – es lohnt sich also, immer wieder einmal nach Tutorien zu schauen!

Zu jedem Kapitel gibt es dann noch verschiedene Aufgabenbereiche. Concept Quiz, Reading Quiz und Visual Quiz werden jeweils mit Multiple-Choice beantwortet; die Fragen können jederzeit unterbrochen und später weiter bearbeitet werden. Wer die Fragerunden bestanden hat, hat auch die Kapitel gut verstanden. Die Fragen lassen sich auch am Smartphone beantworten. Hier braucht man nicht das schwere Buch in der Hand zu haben, sondern kann sie – je nach Wissensstand – auch bequem auf dem Sofa bearbeiten. So funktioniert das Zusammenspiel mit den neuen Medien wunderbar, und man erhält gleich eine Rückmeldung, ob man richtig liegt oder falsch.

Das Online-Angebot für Lernende ist eine schöne Ergänzung zum Buch: Ohne die Quizfragen ist das Risiko groß, dass man die Kapitel nur durchliest, aber das Gelesene sofort wieder vergisst. Die Fragen bringen einen dazu, sich damit zu beschäftigen und so auch wirklich etwas zu lernen. Sie sind auf einem Niveau, das einen fordert, aber nicht überfordert. Wer das Buch als Begleitung zu einem Studium mit Vorlesungen nutzt, erhält so eine Rückmeldung, ob er das Lehrbuch verstanden hat. Und im Selbststudium muss man nur noch den inneren Schweinehund überwinden, um die Kapitel auch in Angriff zu nehmen…

Für Dozenten

Als Lehrbuch ist die Kosmische Perspektive natürlich vorlesungsbegleitend ausgelegt und nicht für das Selbststudium. Im Idealfall hört man ein oder zwei Vorlesungen pro Woche und nimmt sich die Zeit, das Gehörte aus anderer Perspektive noch einmal nachzulesen, geht die Fragen durch und muss für die Klausur am Semesterende nur noch einmal die Zusammenfassungen überfliegen.

Daher gibt es für Dozenten einen Extra-Zugang, über den man die einzelnen Kapitel und die Fragen für seine Studenten freischalten kann. Dabei muss auch nicht jeder Student das Buch neu kaufen, um einen Zugangscode zu erhalten; es gibt auch Institutionslizenzen (um die sich dann Uni oder Dozent kümmern muss). Der Zugangscode in jedem Buch wäre sonst aufgebraucht, sobald das Buch das erste Mal aus der Unibibliothek ausgeliehen wird…

Als Dozent kann man nun verschiedene Kurse anlegen (zum Beispiel für jedes Lehrjahr, oder wenn der Inhalt auf verschiedene Vorlesungen aufgeteilt ist) und den Studenten die Kurs-ID geben. Dann benötigen sie nur noch einen Zugang zur Online-Plattform von Pearson, wo der Online-Part stattfindet.

Speziell für Dozenten gibt es auch eine Leistungsübersicht: Wer hat welche Aufgaben erfolgreich gelöst, bzw. sind noch alle dabei oder gibt es offensichtliche Probleme? Außerdem lassen sich Hausaufgaben an alle Kursteilnehmer herumschicken oder Notizen verfassen.

Der Leistungsüberblick umfasst dabei nur die Fragen aus dem Buch; eigene Aufgaben sind standardmäßig nicht vorgesehen. Aber: Für eigene Fragen gibt es ja die Abschlussklausur vor Ort (oder die Hausaufgaben mit Freitext-Feld); der Kurs dient nur dazu, alle auf den selben Wissensstand zu bringen. Er entspricht also den vorlesungsbegleitenden Tutorien, und deckt mit den Fragen das meiste ab. Wer mehr braucht und das Material professionell einsetzt, kann z.B. über die Universität auch auf eine erweiterte Lizenz zugreifen, um eigene Aufgaben einzubinden.

Wie gut das in der Praxis funktioniert, konnte ich nicht testen (dazu wäre ein Kurs mit echten Studierenden nötig), aber es macht einen durchdachten Eindruck. Selbst wenn man darauf verzichtet, die Antworten durchzuschauen, erhalten die Studierenden eine schnelle Rückmeldung und eine gute Möglichkeit, um ihr Wissen zu überprüfen.

Fazit

Astronomie – die kosmische Perspektive beinhaltet gleich drei Dinge auf einmal.

Als Lehrbuch bietet es für Studierende wie auch für interessiere Hobbyisten einen sehr gut verständlichen und umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Astronomie und Kosmologie. Der Schwerpunkt liegt dabei naturgemäß auf der Theorie; wer selbst beobachten will, benötigt Bücher mit eher praktischem Schwerpunkt (oder unseren Einsteigerkurs auf Astronomie.de, der sich eher an der Praxis am Teleskop orientiert). Aber wer dieses Buch durchgearbeitet hat, weiß, was es alles in unserem Universum gibt. Auch wenn der Umfang erst einmal erschlägt: Es ist allen empfohlen, die ernsthaft in die Astronomie einsteigen wollen. Das Niveau ist absolut tauglich für alle, die noch keine Vorkenntnisse haben, und bietet auch „alten Hasen“ möglicherweise neue Erkenntnisse – langweilig wird einem dabei jedenfalls nicht!

Das Onlineangebot für Studierende ist sowohl studienbegleitend als auch für das Selbststudium geeignet und bietet mehr als nur Ebook, simple Frage-Antwort-Spiele und Youtube-Videos. Wer sich beherrschen kann und am PC oder Tablet nicht ständig zu Facebook & Co wechselt, kann hier die gelesene Materie wunderbar nacharbeiten und verinnerlichen. Die Tutorien sind eine hervorragende Erweiterung des Buchtextes. Das auf der Webseite implementierte Ebook ist eher als Ergänzung zu sehen; die Kapitel lesen sich im gedruckten Buch doch angenehmer. Zum schnellen Nachschlagen ist es aber allemal geeignet.

Wer es abseits der Hochschule für das Selbststudium benutzt, wird von der Vier-Jahres-Frist für den Online-Zugang vielleicht erst einmal abgeschreckt, aber sie ist ausreichend, um alles durchzuarbeiten. Dennoch wäre eine Möglichkeit interessant, um die Fragen und Antworten abzuspeichern – das ist vielleicht mein einziger Kritikpunkt an dieser sehr gelungenen Umsetzung.

Das Onlineangebot für Dozenten ermöglicht es vor allem Dozenten an Uni und Co, ohne großen Aufwand begleitendes Material zu Vorlesungen bereitzustellen. So lässt sich der Lernfortschritt leicht kontrollieren, der Aufwand ist wesentlich geringer als bei schriftlichen Aufgaben per Email oder Papier. Auch Rückmeldungen an die Lernenden sind leicht möglich. Eine Möglichkeit zur Ergänzung eigener Fragen habe ich in diesem System nicht gefunden, sie dürfte aber nicht notwendig sein – oder lässt sich über die Einladung zu den Hausaufgaben versenden, die ebenfalls über dieses System an alle Teilnehmer verschickt werden können.

Eine klare Kaufempfehlung für alle, die sich mit der wissenschaftlichen Astronomie beschäftigen oder ihr Theorie-Wissen auf den aktuellen Stand bringen wollen.

 

Tietel: Astronomie - Die kosmische Perspektive
ISBN: 978-3-8632-6865-7
Erscheinungsjahr: 2020

https://www.pearson-studium.de/astronomie_1.html