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Fernrohrführerschein in vier Schritten

Rezension von: Thorsten Güths (Rezensent) | | Verlag

Einleitung

Dass man mit dem Erwerb des ersten astronomischen Teleskops noch kein Hobbyastronom ist, müssen viele Einsteiger lernen. Leicht kann sogar der erste Enthusiasmus einer herben Enttäuschung weichen. So findet man die Objekte schlecht oder gar nicht. Man sieht leider keine Feuerspirale, wo doch M51 sein sollte. Jupiter sieht auch nicht so dolle aus bei 450-facher Vergrößerung im 60mm Refraktor. Um solche Stimmungskiller von vorneherein zu vermeiden, sollte man sich einen Ratgeber kaufen.

Proklamiertes Ziel des Buches

„Wie bediene ich mein Fernrohr? Welche Okulare sind sinnvoll? Wie suche ich ein astronomisches Objekt auf? Was ist mit »Lambda Peak-to-Valley« gemeint? Dieses Buch bringt einsteigergerecht alle Antworten auf Fragen rund um die Optik, Mechanik und Benutzung eines astronomischen Teleskops. Erstmals wurden alle wichtigen Definitionen und Formeln zur Fernrohrtechnik zusammengefasst, ohne den Benutzer durch lange Texte zu verwirren. Durch die Spiralbindung ist das Buch ideal geeignet, direkt neben dem Teleskop verwendet zu werden – ein Begleiter, der an keinem Einsteiger-Instrument fehlen sollte."

Systematik und Inhalt

Das Buch hat 160 Seiten im spiralgebundenen Softcover im Querformat 21cm×15cm mit 192 Fotos und Grafiken sowie 46 Tabellen. (Es ist somit umfangreicher geworden. Die 2. Auflage hatte 128 Seiten, 119 Fotos, sowie 44 Tabellen.

Die im Titel angegebenen 4 Schritte unterteilen sich in:

Das Fernrohr kennen lernen

Die Fernrohrleistung einschätzen

Das Fernrohr benutzen

Astronomische Objekte beobachten

Anhang: Tipps und Tabellen

Die Seitenzahlen der vier Kapitel sind farblich voneinander getrennt gekennzeichnet und erleichtern das Aufsuchen von Informationen. Nun zum Inhalt:

1) Das Fernrohr kennen lernen

Als ersten Schritt lernt der Leser die Technik seines Fernrohrs kennen. Er wird eingeführt in verschiedenen optische Bauarten mit ihren Vor- und Nachteilen. Den Montierungen und Unterbauten werden die folgenden Seiten gewidmet. Durch den Zubehördschungel führen dann doppelt so viele Seiten, wie vorher. Es wird auch alles eingehend vorgestellt: Okulare, Barlowlinsen, Binoansatz, Reducer, Filter, Sucher, Nachführungen inkl. GoTo, unterschiedliches fotografisches Equipment u.s.w. Der Leser darf aber nicht erwarten, alle Marken aufgelistet zu bekommen. Vielmehr wird auf die Erläuterung unterschiedlicher Bauweisen Wert gelegt. Gegenüber der enormen Breite tritt im Rahmen des Buches natürlich die Tiefe der Beschreibung in den Hintergrund.

2) Die Fernrohrleistung einschätzen

Im zweiten Kapitel wird es etwas theoretischer: Was von einer Fernrohrausrüstung zu erwarten ist, wird nun ausführlich erklärt. Wichtige Grundgrößen, wie Lichtsammelvermögen, Vergrößerung, Austrittspupille, Bildfehler, Qualität und weiteres werden anschaulich beschrieben. Anhand zweier Karten vom Kleinen Wagen kann der Leser die stellare Grenzgröße für das Auge und einem kleinen Teleskop testen. Der Einfluss des Seeings und der optischen Qualität auf das Bild wird anhand zahlreicher Grafiken deutlich. Stoyan gibt Hinweise zur optimalen Auswahl der Vergrößerungen. Wie eine verstellte Newtonoptik wieder zu justieren ist wird bildhaft dargestellt. Die Reinigung und Pflege der Optik bildet den Abschluss des zweiten Kapitels, in dem der Autor stärker in die Tiefe geht.

3) Das Fernrohr benutzen

Die restlichen 60% des Buches werden der Benutzung und der Beobachtung gewidmet. Die Bedienung des Instrumentariums ist nicht zu unterschätzen, denn letztlich entscheidet das Können des Beobachters über die Qualität der Beobachtungen. So gibt Ronald Stoyan Hinweise zur Wahl des Beobachtungsplatzes, er beschreibt den Aufbau und die Ausrichtung des Teleskops; Beobachtungs- und Zeichentechniken werden gelehrt und der Leser wird auch in erste einfache Grundlagen der Astrofotografie eingeweiht. Bei der Fotografie wird aber nicht zu sehr in die Tiefe gegangen. Dafür sind wiederum ganze Bücher erhältlich und auch nötig. Wie ein für das bloße Auge unsichtbares Objekt gefunden und eingestellt werden kann, wie sich das Okulargesichtsfeld ermitteln lässt und viele weitere Informationen und Tipps werden vom Autor vermittelt. Allerdings muss es für einen Einsteiger enttäuschend sein, zu erfahren, dass DeepSky erst ab 5,5mag möglich ist, bzw. abgelegene Plätze für eine erfolgreiche Galaxien- und Nebeljagd nötig sind. Das klingt entmutigend für die Mehrheit an Beobachter, die in Städten leben. Sinnvoller wäre hier, die Einbußen an den zu beobachtenden Objekten darzustellen, denn DeepSky ist auch in aufgehellten Kleinstädten möglich.

4) Astronomische Objekte beobachten

Auf die Eigenarten der Beobachtung von unterschiedlichen Himmelsobjekten wird im letzten Schritt eingegangen. Wie die unterschiedlichen Daten von Himmelsobjekten, z.b. Entfernungen, Helligkeit, Ausdehnung zu verstehen sind, ist nach dem Studium dieser Seiten dem Leser klar geworden. Den Abschnitt der Deepskyobjekte sollte eigentlich jeder Einsteiger vor dem Kauf eines Fernrohrs lesen, denn hier wird an 12 ausgewählten Beispielen von Nebeln und besonderen Sternen aufgeklärt, wie ein auf Fotografien prachtvolles Objekt im 114mm Newton (unter sehr guten Bedingungen!) erscheint und welche Aufnahmebrennweite ideal ist. Allerdings sind die Brennweitenangaben doch fragwürdig: Z.B. für M1 2000 bis 4000mm (mehr als für den kleineren M57!) anzugeben erscheint mir übertrieben. Mit sauber fokussiert und nachgeführten 1200mm digital, erzielt man bereits das schöne Fotobeispiel von M1. Durch die Beschreibung der Natur des Objekts und einigen Daten vermittelt Stoyan anschaulich, was man da gerade beobachtet.

Anhang: Tipps und Tabellen

Ronald Stoyan gibt im Anhang weitere wichtige Ratschläge zur Beobachtung. Auch werden Verbesserungsvorschläge zur Leistungssteigerung von „Kaufhausteleskope" unterbreitet. Literaturverweise auf Eigenproduktionen des Oculumverlags sind aufgelistet. Hinweise auf einige besondere astronomische Ereignisse werden bis zum Jahr 2030 gegeben. Es folgen kurze Listen von Testdoppelsternen, hellen DeepSky Objekten und Zeichenschablonen. Ein Glossar und ein Stichwortverzeichnis (war nicht in der 2. Auflage) bilden den Abschluss.

Layout und Bildmaterial

Die Abbildungen sind überwiegend farbig, von guter Qualität und verdeutlichen den Textinhalt sehr gut. Die starke Meade-Lastigkeit der Abbildungen ist von 60% auf 45% zurückgegangen. Das ist noch immer eine hervorragende Markenplatzierung und m.E. nicht gut für eine breite Einführung, da viele interessante Alternativen dem Einsteiger vorenthalten werden und für Besitzer anderer Marken ein geringeres Identifikationspotential vermittelt wird. Eine ausgewogenere Markendarstellung sollte noch weiter gehen.

Was mir nicht gefällt, ist dass die Spiralbindung noch vom Buchdeckel frontseitig umschlossen wird. Beim mehrmaligen Gebrauch wird der Deckel unansehnlich.

Resummee

Man merkt dem Buch an, dass der Autor mit Leib und Seele Himmelsbeobachter ist. Anhand der Vielzahl von Hinweisen und Tipps, die im Text vorhanden sind, ist dieses Buch ein hervorragendes Lehrbuch ohne jedoch einen Lehrbuchcharakter zu besitzen. Quasi ein „Aus der Praxis für die Praxis" Werk. Es ist modern aufgebaut und auf dem Stand der Technik. Es vermittelt ein breites Einsteigerwissen, dass in einzelnen Bereichen auch recht tief geht und das für die meisten Leser für jahrelange Beobachtungen ausreichen sollte. Somit ist das proklamierte Ziel absolut erreicht und es sollte bei keiner Einsteigerfernrohrausrüstung fehlen!

Torsten Güths

Der Rezensent ist Dipl. Wirtschaftsing. FH, seit über 30 Jahren Sternfreund und fotografiert seit über 25 Jahren Himmelsobjekte.

 

Titel:Fernrohrführerschein in vier Schritten
Autor:Ronald Stoyan
Verlag:Oculum Verlag, Erlangen
ISBN:978-3-938469-37-8
Datum:2010
Infos:http://d-nb.info/1000625125