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Magnetfeldbremse lässt Pulsare alt aussehen

Erstellt von: Dr. Rainer Kayser | | Forschung und neue Erkenntnisse

Millisekunden-Pulsare – rasant rotierende Neutronensterne – stellen die Astronomen vor ein kurioses Rätsel: Einige von ihnen scheinen älter zu sein als der Kosmos. Ein deutscher Forscher hat nun eine Lösung für dieses Rätsel gefunden. Seine Computersimulationen der Entwicklung von Millisekunden-Pulsaren zeigen, dass in einer entscheidenden Phase das Zusammenspiel von einströmender Materie und starkem Magnetfeld zu einer kräftigen Abbremsung der Himmelsobjekte führt. Die so verlangsamte Rotation täuscht dann ein hohes Alter der Neutronensterne vor.


Wenn ein Stern seinen nuklearen Brennstoff verbraucht hat, bricht sein Inneres zusammen und ein Neutronenstern entsteht – ein nur etwa 20 Kilometer großes, extrem dichtes Objekt. Ein würfelzuckergroßes Stück seiner ultrakompakten Materie würde auf der Erde mehrere hundert Millionen Tonnen wiegen. Neutronensterne besitzen extrem starke Magnetfelder, die wie bei der Erde zwei Pole besitzen. Ähnlich wie ein Leuchtturm sendet ein Pulsar entlang seiner Magnetfeldachse Strahlung aus. Überstreicht diese Strahlung die Erde, so nehmen die Astronomen sie als periodische Pulse wahr – daher der Name „Pulsar" für einen solchen Neutronenstern.


Von besonderem Interesse für Astronomen sind Pulsare mit einer Periode von Millisekunden – sie wirbeln mehrere hundert Mal pro Sekunde um ihre eigene Achse. Zu dieser hohen Rotationsgeschwindigkeit kommt es, weil Materie von einem zweiten Stern auf den Neutronenstern einströmt und so dessen Drehung beschleunigt. Endet der Materiezustrom, so nimmt die Rotationsgeschwindigkeit langsam wieder ab. Es gibt jedoch eine Reihe von Millisekunden-Pulsaren, die so langsam rotieren, dass der Materiezustrom bei ihnen schon vor einer Zeit aufgehört haben müsste, die größer ist als das Alter des Kosmos von 13,7 Milliarden Jahren.


Thomas Tauris vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn hat nun die entscheidende Entwicklungsphase von Millisekunden-Pulsaren – das Ende des Materiezustroms – im Computer simuliert. Dabei zeigte sich ein unerwartetes Phänomen: Beim langsamen Versiegen des Materiezustroms weitet sich das Magnetfeld des Neutronensterns aus. Schließlich dreht sich das Magnetfeld in seinen äußeren Bereichen schneller, als das von außen einfallende Gas. Die Folge: Das Gas wird vom Magnetfeld nach außen geschleudert und bremst dadurch die Rotation des Pulsars ab. Die Rechnungen von Tauris zeigen, dass Millisekunden-Pulsare in dieser Phase rund 50 Prozent ihrer Rotationsenergie verlieren können. Damit löst sich das Altersrätsel: Bei den bisherigen Altersbestimmungen gingen die Astronomen von einer langsamen Abbremsung der Rotation aus, die einzig auf die Emission von Strahlung zurückgeführt wurde.

Quelle: www.sciencemag.org/content/335/6068/561.abstract