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Schiefer Erdkern

Erstellt von: Dr. Roland Kayser | | Forschung und neue Erkenntnisse

Der feste Eisenkern der Erde liegt möglicherweise nicht genau im Mittelpunkt unseres Planeten, sondern um einige zehn Kilometer dagegen verschoben. Das könnte erklären, warum sich seismische Wellen in der östlichen Hemisphäre schneller durch das Erdinnere ausbreiten als in der westlichen Hemisphäre, so ein Forscherduo aus Rumänien und Deutschland. Es müsse allerdings noch überprüft werden, ob die physikalischen Folgen einer solchen Schieflage mit allen bekannten Messungen in Einklang sind.

Die Seismologie ist die wichtigste Methode der Geophysiker, um einen Blick ins Innere der Erde zu werfen. Dabei messen die Forscher die Zeit, die Erdbebenwellen brauchen, um den Planeten zu durchqueren. Die Messungen zeigen unter anderem, dass die Erde einen 2400 Kilometer großen Kern aus nahezu reinem, kristallinem Eisen besitzt, der von einem flüssigen äußeren Kern aus Eisen und Nickel umgeben ist. Neuere Messungen haben jedoch gezeigt, dass sich die seismischen Wellen nicht gleichmäßig durch den festen Kern ausbreiten: Sie durchqueren die östliche Hälfte offenbar schneller als die westliche.

Die Geophysiker haben sich dafür eine Reihe komplexer Erklärungen ausgedacht. Vielleicht sind beispielsweise die beiden Hemisphären verschieden heiß. Aber auch dafür wäre wieder eine Erklärung nötig, denn normalerweise würde sich eine solche Temperaturdifferenz im Eisen schnell ausgleichen. Eine unterschiedliche Rotation von innerem und äußerem Kern könnte einen Temperaturunterschied aufrechterhalten. Zwar gibt es Hinweise darauf, dass der Eisenkern tatsächlich etwas schneller rotiert als der äußere Kern, aber wie groß die Differenz ist und ob sie die Ost-West-Asymmetrie erklären kann, ist umstritten.

Calin Vamos vom Popoviciu-Institut für Numerische Analysis in Rumänien und Nicolae Suciu von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg präsentieren nun eine wesentlich einfachere Erklärung: Der Eisenkern, so die beiden Forscher, liege nicht genau im Mittelpunkt, sondern um 10 bis 100 Kilometer dagegen verschoben. In ihrem Modell breiten sich die Erdbebenwellen dann nicht mehr mit unterschiedlicher Geschwindigkeit durch den Kern aus, sondern sie durchqueren im Osten einfach einen größeren Teil des Eisenkerns als im Westen und brauchen dadurch weniger Zeit, weil die Ausbreitungsgeschwindigkeit im Eisen höher ist. Die Simulationen der beiden Forscher zeigen, dass ihr Modell gut mit seismologischen Messungen übereinstimmt. "Ein verschobener innerer Kern hat aber Folgen für viele mechanische, thermische und magnetische Phänomene im Erdinneren", so Vamos und Suciu, und diese Konsequenzen müssten nun genau studiert und mit Messungen verglichen werden.

Quelle: arxiv.org/abs/1111.1121