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Seltsamer Zwergstern, seltsame Supernova

Erstellt von: Dr. Rainer Kayser | | Forschung und neue Erkenntnisse

Ein internationales Astronomenteam ist bei seinen Beobachtungen auf einen Weißen Zwergstern gestoßen, der in mehrerer Hinsicht seltsam ist: Er bewegt sich mit einer ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit von etwa 550 Kilometern pro Sekunde durch die Milchstraße, er besitzt eine ungewöhnlich geringe Masse von etwa 15 Prozent der Sonnenmasse und er besteht hauptsächlich aus mittelschweren Elementen wie Magnesium, Natrium und Sauerstoff. Möglicherweise handele es sich bei dem Zwergstern um den Überrest einer – für die Astronomen bislang ebenfalls rätselhaften – Sternexplosion des Typs Iax, schreiben die Forscher im Fachblatt „Science“.

„Es gibt eine ganze Reihe von Modellen für diese leuchtschwachen Supernovae“, erläutern Stéphane Vennes vom Astronomischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen. „Allen diesen Modellen ist gemeinsam, dass ein kompakter Überrest mit hoher Ausstoß-Geschwindigkeit zurückbleibt.“ Supernovae des Typs Ia sind von großer Bedeutung in der Astronomie. Denn bei diesen Sternexplosionen hängt der Verlauf der Helligkeit unmittelbar mit der maximalen Leuchtkraft der Supernova zusammen. Aus der Lichtkurve können Astronomen daher auf die wahre Helligkeit einer Supernova und damit auch auf ihre Entfernung schließen. Als „Standardkerzen“ dienen Supernovae des Typs Ia daher zur Vermessung des Kosmos.

Die Astronomen gehen heute davon aus, dass es sich bei Supernovae dieses um die thermonukleare Explosion Weißer Zwerge handelt, die durch einen Materiezustrom von außen ihr Massenlimit überschritten haben. Der Weiße Zwerg wird dabei völlig zerstört, es bleibt kein Überrest zurück. In jüngster Zeit stießen die Himmelsforscher jedoch auf mehrere Sternexplosionen, die zwar Supernovae des Typs Ia ähnelten, aber erheblich leuchtschwächer waren. Der Verdacht: Durch einen bislang unbekannten Vorgang verläuft die Explosion bei diesen mit „Iax“ bezeichneten Supernovae unvollständig – entsprechend müsste dann ein Teil des Weißen Zwergs zurückbleiben.

Ein solcher Überrest wäre kleiner als der ursprüngliche Zwergstern, er hätte eine ungewöhnliche Zusammensetzung und er würde vermutlich durch die unvollständige, asymmetrische Explosion einen gewaltigen „Kick“, also eine hohe Geschwindigkeit erhalten. All das trifft auf den etwa tausend Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg LP 40-365 zu, den Vennes und seine Kollegen jetzt mit dem vier Meter großen Mayall-Teleskop am Observatorium Kitt Peak in den USA beobachtet haben. Zudem spricht seine hohe Rotationsgeschwindigkeit dafür, dass seine Eigendrehung durch den Zustrom von Materie – vermutlich von einem anderen Stern – beschleunigt worden ist. Und dieser Zuwachs an Materie hätte dann auch zu der Explosion des Weißen Zwergs geführt. Das alles deute also darauf, so Vennes und seine Kollegen, dass man mit LP 40-365 tatsächlich erstmalig den seltsamen Überrest einer seltsamen Supernova aufgespürt habe. Weitere Beobachtungen, so die Hoffnung der Forscher, könnten dann Aufschluss darüber geben, welche Vorgänge tatsächlich die vollständige Zerstörung des Weißen Zwergs bei einer leuchtschwachen Supernova des Typs Iax verhindern.

Quelle: dx.doi.org/10.1126/science.aam8378