2. Woche - IC 59 und 63, zwei Nebel in Sh2-185
Das aktuelle AdW zeigt einen 80' x 52' großen Ausschnitt aus dem zentralen Teil der Cassiopeia. Norden ist unten, Osten rechts, für die nachfolgenden Erklärungen empfiehlt es sich also, das Bild erst um 180° zu drehen. IC 63 ist der hellere von zwei Nebeln ca. 24' nordöstlich des 2,4 mag hellen Sterns Gamma Cassiopeiae (γ Cas). IC 59, der zweite Nebel, ist deutlich lichtschwächer und hier im Bild schwieriger zu erkennen. Beide Nebel bilden den hellsten Bereich der HII-Region Sh2-185 und formen dabei gleichzeitig den nördlichen Rand einer 3° x 2° großen Blase aus ionisiertem Wasserstoff. Diese Blase ist aber nur bei sehr langer Belichtungszeit über Hα-Filterung nachweisbar und wurde erstmals auf tiefen Hα-Platten vorgestellt (Plate 11, Dubout-Crillon 1976). Die Koordinatenangaben für Sh2-185 sind überall anders. Wir wählen fürs AdW die geometrische Mitte zwischen IC 59 und IC 63.
IC 59 und IC 63 sind Strukturen mit Ionisationsfronten, die im Englischen auch gern als „bright rims“ bezeichnet werden. Was steckt dahinter? Der rund 650 Lj entfernte B0.5-Stern γ Cas wurde vor einigen Millionen Jahren in der Verdichtung einer Staub- und Molekülwolke geboren. Die Reste dieser Wolke sehen wir heute als leuchtenden Rand weggeschobener Materie, die γ Cas immer noch als Gasbogen bei IC 59, IC 63 und weiteren Stellen umgibt. Weggeblasen wurde diese Materie durch Sternwinde und die heftige UV-Strahlung von γ Cas. Auf diese Weise erzeugte der Stern eine ihn umgebende Höhle. Die Strahlungsenergie sorgt aber auch weiterhin dafür, dass die Randzone an der Stoßfront ständig ionisiert, weiter verformt und zerstört wird. Sehr schön ist das an IC 63 zu sehen, dieser Nebel besitzt eine Keilform, die genau auf γ Cas zeigt. Das Alter wird für IC 59, den unscheinbareren Nebel, auf 1,1 Mio. Jahre geschätzt. Innerhalb der nächsten 600.000 Jahre wird IC 59 zerbröselt sein (Miao et al. 2010).
Sh2-185 wird im Originalkatalog von Steward Sharpless (1959) mit 120' Winkelausdehnung angegeben. Das bedeutet, dass wir im AdW nur einen Teil des gesamten Nebelkomplexes sehen. Interessant ist, dass IC 59 und 63 nicht immer als HII-Regionen bezeichnet wurden. Zwar gibt die Datenbank SIMBAD IC 63 als HII-Region an, IC 59 aber immer noch als Reflexionsnebel. In der Tat ist der blaue Reflexionsanteil hier höher als bei IC 63. Inzwischen darf IC 59 aber als HII-Region angesehen werden, denn radioastronomisch wurde bereits 1997 im Bereich beider Nebel neutraler Wasserstoff HI entdeckt. Und der wird durch γ Cas ionisiert, so kommt HII zustande. Außerdem wurde das molekulare Gas H2 nachgewiesen (Karr et al. 2005). Und jetzt ein Hinweis für Astrofotografen: Das Rot um IC 59 und 63 enthält außer dem Hα-Licht auch eine schwach rot und infrarot leuchtende kontinuierliche Strahlung, die von polyzyklischen, aromatischen Kohlenwasserstoffen erzeugt wird (PAH, extended red emission).
Link für Interessenten an Sharpless-Nebeln:
http://galaxymap.org/cat/list/sharpless/1
Michael Quartz ist als neuer AdW-Bildautor herzlich willkommen. Er nahm die Region um γ Cas am 7. Oktober 2016 beginnend in Ludwigshafen am Rhein auf. Teleskop war ein Newtonspiegel mit f = 1000 mm (Marke GSO, Apertur f/5). Als Kamera wurde eine Alccd8 benutzt. Belichtet wurde insgesamt 800 Minuten RGB (4 x 15 min + 74 x 10 min über drei Nächte).
Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe
IC 59/63 ist kein leicht zu fotografierendes Objekt, überstrahlt der helle Stern Gamma Cassiopeiae doch leicht das gesamte Bildfeld, was dann die Bildbearbeitung erschwert. Bei der Bildbearbeitung ist es außerdem wichtig, eine gute Balance zwischen dem hellen Stern und den schwachen Nebeln zu erzielen. Das ist Michael Quartz auf jeden Fall gelungen.
Zum Einsatz kam ein 8-Zoll-Newton und eine CCD-Kamera der Marke Alccd. Genau genommen ist der Hersteller der Kamera die japanische Firma QHY. Unter dem Namen Alccd (AL steht für Astrolumina) werden diese Kameras in Deutschland und Europa vertrieben. Die QHY-Kameras sind beliebte und relativ günstige Einstiegskameras in die CCD-Technik.
Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings etwas Merkwürdiges auf. Die Farbsättigung der Nebel und ihrer unmittelbaren Umgebung ist sehr hoch, während die Sättigung des restlichen Bildes eher gering erscheint. Hier wurde ein Bearbeitungs-Kniff angewandt, der dem Bild einen unnatürlichen „Touch“ gibt, und wir meinen, dass Herr Quartz diesbezüglich etwas vorsichtiger hätte vorgehen sollen. Zum einen spricht nichts dagegen, die Farbsättigung des Bildes generell zu erhöhen (dann würde man auch die Sternfarben besser erkennen), zum anderen hätte man auch die Nebel und die Sterne getrennt voneinander bearbeiten und im Kontrast oder bei der Farbsättigung verändern können. So ist es doch etwas zu offensichtlich und verhindert einen harmonischen Gesamteindruck.
Insgesamt ein gutes Bild, indem noch einiges an Potential steckt. Wir gratulieren Herrn Quartz zum aktuellen AdW.
Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim und Dr. Stefan Binnewies
Koordinaten der Bildmitte (J2000.0):
RA = 00 h 58 min 40 s, DE = +61° 02' 30"
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