3. Woche - Der "Blaue Schneeball" NGC 7662
Im Pegasus befindet sich der elliptische Planetarische Nebel NGC 7662, auch als „Blauer Schneeball“ bekannt. Wie bei anderen Vertretern seiner Art besitzt auch er eine mehrfache Schalenstruktur ("multiple shell PN"). Das Aufnahmefeld zeigt - wie astronomisch üblich - Norden oben und Osten links bei einer Feldgröße von 27' x 21,7'. Und jetzt ganz wichtig: Die nachfolgend beschriebenen astronomischen Fakten beziehen sich nur auf die PN-Details, und der ist recht klein im Bild. Wenn Sie nur das Bild als Ganzes auf dem Monitor betrachten, erkennen Sie diese Details nicht. Daher finden Sie einen Ausschnitt, teilweise darin auch Anmerkungen (hier klicken).
Zuinnerst sitzt der 13,3 mag helle Zentralstern (ZST) mit rund 120.000 K effektiver Temperatur. Er erscheint im Verhältnis zu den anderen Sternen im Feld mit erheblich reduzierter Helligkeit, denn die Abbildung wurde unterschiedlich bearbeitet, was das Sternfeld und den PN selbst betrifft. Nur so kann der riesige Helligkeitsunterschied zwischen ZST und Schalenstruktur deutlich dargestellt werden. Das war das Hauptanliegen der Bildautoren. Bei Gleichbehandlung wäre der ZST so hell wie der mit "1" gelb markierte Feldstern. Der ZST wird von einer relativen Dunkelzone umgeben, auf die dann die erste und gleichzeitig hellste Schale folgt. Im AdW nachgemessen, hat sie einen scheinbaren Durchmesser von 17" x 12". Weiter nach außen eine zweite, deutlich diffusere Schale von 39" x 30". In der Nebelfläche zwischen beiden Schalen ist der PN strukturiert. Die Astronomen haben hier eine so genannte "Mikrostruktur" entdeckt, hauptsächlich Knoten von etwas hellerer Materie. Man erkennt sie im Bereich der zweiten Schale schon recht gut. Balick (1998) prägte für diese nur wenige Bogensekunden großen Knoten den Begriff "FLIERs" (fast low-ionization emission regions). Was sind diese FLIERS? Es handelt sich um später vom ZST ausgestoßene leuchtende Gasmengen jüngeren Datums, sie sind angereichert mit Stickstoff und stehen sich meist paarweise gegenüber. In Aufnahmen mit dem Weltraumteleskop Hubble zeigen diese FLIERS hoch aufgelöst eine rötliche Färbung, überwiegend vom ionisierten Stickstoff [NII]. Ein Hα-Filter lässt die beiden Emissionslinien durch sein Band passieren. Hier im Bild kommen sie farblich nicht so deutlich heraus, weil sie ja doch recht klein sind und von der blaugrünen [OIII]-Emission überlagert werden.
Weit außen sieht man in diesem Bild - durch die geschickte Bildbearbeitung sichtbar gemacht - die dritte Schale von ziemlich runder Gestalt. Soweit später keine vierte, noch schwächere Außenschale gefunden wird, darf man davon ausgehen, dass diese 140 Bogensekunden große Schale die älteste ist, die den PN-Halo außen abschließt. Sie ist nicht einheitlich hell, sondern besitzt im Nordwesten klare, strukturierte Aufhellungen. Schaut man genau hin, so zeigen sich im Süd- und Westbereich ein paar kleine lichtschwache, mattbläuliche Knoten, die ebenfalls versprengte Gasmengen sein könnten (aber keine jungen FLIERs). Sie sollten auch nicht verwechselt werden mit einigen in PN-Nähe sichtbaren, weit entfernten Galaxien (wer sieht sie?). Unvermeidbar war wegen des Newton-Fangspiegels das Beugungskreuz. Es überlagert leider einen Großteil des Halos. Versuche mit Blenden konnten die Beugungserscheinungen zwar reduzieren, dafür wurden dann aber die Sternabbildungen vergrößert.
Noch etwas zur Farbe des PNs. Er heißt nicht von ungefähr "Blauer Schneeball". Nach Barker (1986) wurden folgende Emissionen im PN gemessen: Hβ (486,1 nm) normiert auf 100% Intensität, [OIII] (495,9 nm + 500,7 nm) 1825% Intensität, Hα (656,3 nm) mit 282% Intensität, [SII] (671,7 + 673,1 nm) zu 1,3% Intensität. Diese Daten zeigen, dass [OIII] mehr als 6-mal stärker ist als Hα. Die Schwefelemission darf man als Astrofotograf getrost vergessen (d.h. nix für die Hubble-Palette …).
Sascha Schüller und Ralf Kreuels nahmen den PN getrennt mit verschiedenen Teleskopen auf und erstellten daraus ein Summenbild. Schüller: 400-mm-Newton (f/4) mit Atik 460Exm, 93 x 300 s in [OIII], Baader 8,5 nm, 81 x 300 s in Hα, Baader 7 nm, beide mit 2x2-Binning, 122 x 60 s in L ohne Binning. Dazu eine SBIG ST-F8300 am TMB LZOS 100/800 mm, Riccardi-Reducer auf f/6, 6 h RGB in Einzelbelichtungen von 60 s ohne Binning. Kreuels: Am 21.9.2016 war sehr gutes Seeing, aber visuell nur Sterne bis ca. 3 mag sichtbar, Celestron 11 mit Reducer auf f/5, f = 1400 mm, ASI178MM (mono) und ASI178MC (farbig), belichtet wurde ohne Filter (auch kein Sperrfilter) 8000 x 200 ms sowie 10000 x 400 ms, für die Farbe 5000 x 400 ms, gestreckt wurde weitestgehend linear, Schärfung mit "itearativer PSF" in Fitswork, dabei wurden die Sterne maskiert.
Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe
Das vorliegende Bild ist eine Gemeinschaftsproduktion der Astrofotografen Sascha Schüller und Ralf Kreuels. Dabei wurden zwei grundsätzlich unterschiedliche Methoden und diverse Gerätschaften verwendet, und die Ergebnisse später zusammengesetzt. Für das gesamte Feld wurde ein APO-Refraktor mit effektiver Brennweite von 600 mm und ein 16-Zöller mit 1600 mm Brennweite sowie eine CCD-Kamera mit dem Chip KAF 8300 genutzt. Mit dieser Kombination wurden ganz konventionell Luminanzaufnahmen erstellt, sowie Hα- und [OIII]-gefilterte Aufnahmen. Konventionell deshalb, weil hier ein- bis fünfminütige Einzelbelichtungen aufsummiert wurden. Diese Vorgehensweise ist vor allem für die Tiefe des Bildes verantwortlich.
Mit einem weiteren Teleskop (f = 1400 mm) wurden dann zusätzlich möglichst detaillierte Aufnahmen des Nebelzentrums gewonnen. Dabei kam eine Kamera zum Einsatz, die es erlaubt, rauscharme Bilder bei gleichzeitig hoher Empfindlichkeit zu erstellen. Das ermöglicht sehr kurze Belichtungszeiten im Bereich nur einiger hundert Millisekunden. Diese Aufnahmetechnik wird unter Amateuren noch recht selten bei der Deep-Sky-Fotografie angewandt, sie ist jedoch der Standard in der Planetenfotografie.
Die hohe Ortsauflösung (Schärfe) resultiert aus der Kombination der Teleskope und Kameras und der anschließenden Schärfung der so unterschiedlich entstandenen Summenbilder. Da die Kameratechnik immer weiter voranschreitet, werden wir in Zukunft häufiger solch kurzbelichtete Aufnahme sehen, wobei sich „kurz“ hier auf die Einzelbilder bezieht, und nicht auf die Gesamtbelichtungszeit. Das Ergebnis überzeugt uns auf jeden Fall schon jetzt.
Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim und Dr. Stefan Binnewies
Koordinaten (J2000.0):
RA = 23 h 25 min 54 s, DE = +42° 32' 06"
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