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12. Woche - Die HII-Region Sh2-132

Fotografiert von: Frank Iwaszkiewicz | | Astrofoto der Woche

An der Grenze von Cepheus und Lacerta liegt einer der entfernteren Emissionsnebel, die weniger bekannte HII-Region Sh2-132. Sie wurde von Steward Sharpless bereits 1959 in den zweiten Sharpless-Katalog aufgenommen, wie zahlreiche andere ähnliche Nebel auch. Die Entfernung kommt auf 16300 Lj (Waterloot & Brand, 1989). Bei einem scheinbaren Durchmesser von 34' für den emittierenden Hα-Bereich darf man einen echten Durchmesser von ca. 160 Lj ansetzen. Das ist etwa viermal so groß wie der Orionnebel. Das AdW zeigt ein Feld von 62' x 47'. Norden ist links, Osten unten.

Bemerkenswert an Sh2-132 ist seine Zentralregion. Hier sind es drei Sterne, die das Schicksal des Nebels bestimmen. Zunächst liegt bei den Pixelkoordinaten (1616/1207) der Doppelstern BD+55°2722 vom Spektraltyp O9. Er steckt in dem kleinen, massiven Sternhaufen Teutsch 127. Dieser Sternhaufen ist auf dem Bild hier schwach zu sehen, eher nur angedeutet, weil die Darstellungsart mit den gewählten Filterungen auf die Nebel ausgerichtet ist und Sternenlicht absorbiert. Der Sternhaufen wurde von Philipp Teutsch entdeckt, einem Mitglied der bekannten "Deep Sky Hunters" (siehe M. Kronberger, P. Teutsch et al. 2006). Der zweite Stern klebt direkt an BD+55°2722, der Katalogname ist LS III +55 37. Dieser Stern ist mit seinem Spektraltyp O7 noch heißer und energiereicher. Der dritte Stern schließlich liegt bei (1606/1109). Es handelt sich um den Wolf-Rayet-Stern HD 211853. Er – auch wieder ein Doppelstern - verleiht der unmittelbaren Umgebung die chaotische Form, weil er Sternwinde um 1800 km/s ausstößt. Kein Wunder, dass die hell leuchtende "Shell B" bei (1783/1241) ein Reststück der alten Molekülwolke mit hellem Rand (bright rim) darstellt. Aber auch sonst finden sich im gesamten Nebelgebiet zahlreiche Dunkelwolken und Globulen.

Interessant erscheint der helle Streifen bei (1963/1305). Er erweckt den Anschein, als würde hier eine helle Lampe einen markanten Strahl mit harten Grenzen bilden. Das ist durchaus möglich, denn der benutzte [OIII]-Filter lässt auch gerade den blauen kontinuierlichen Anteil eines Reflexionsnebels passieren und bei langer Belichtung deutlich zur Geltung kommen. Es dürfte sich dann natürlich nicht um eine emittierende [OIII]-Stelle handeln. Näheres dazu habe ich leider nicht in Erfahrung bringen können.

Frank Iwaszkiewicz ist der Bildautor. Am 9.+18.+28. Januar sowie am 3. Februar 2016 sammelte er. Was sammelte er? Sehr viele Photonen natürlich, um uns dieses tiefe Bild zu präsentieren. Aufnahmeort war Eggersdorf. Als Teleskop wurde ein 10-Zoll-Newton (TS ONTC) mit f = 1000 mm eingesetzt, dazu die CCD-Kamera Atik383L+. Das Bicolorbild wurde folgendermaßen belichtet: 18 x 30 min für Hα (HWB 6 nm), 12 x 30 min für [OIII] (HWB 12 nm). Das macht insgesamt 15 Stunden! Eine wirklich stramme Leistung!

Text zum Objekt und Belichtungsdaten: Peter Riepe

Frank Iwaszkiewicz präsentiert in dieser Woche seine Version des Emissionsnebels Sh2-132. Das Objekt zeigt bekanntermaßen feine Strukturen in Hα- und [OIII]-gefilterten Aufnahmen. Wahrscheinlich aus diesem Grund hat sich der Bildautor entschieden, eben durch solche Linienfilter zu belichten. Anschließend hat er daraus ein Farbbild nach der Bicolor-Methode erstellt.

Die Bicolor-Methode ist eine Technik, die der US-amerikanische Astrofotograf Steve Cannistra entwickelt hat. Dabei wird aus dem vorhandenen Rot- und Blauauszug ein künstlicher Grünauszug erstellt. Das geschieht durch Überblenden der vorhandenen Kanäle, sowie der anschließenden Einfärbung des neuen Kanals zu Grün. Der Vorteil der Methode ist zum einen die Ersparnis von zu investierender Belichtungszeit, denn der [SII]-Kanal, der ja für eine Darstellung der Hubble-Palette notwendig ist, entfällt. Zum anderen verspricht die Methode eine farblich realistischere Darstellung der Emissions-Objekte, trägt der [SII]-Kanal ja zumeist kaum zum Gesamtsignal einer Aufnahme mit bei und muss regelmäßig in der Intensität überproportional angehoben werden. Ansonsten wird der Hα-Kanal entsprechend der Filterfarbe dem Rotauszug zugeteilt und der [OIII]-Kanal wird blau eingefärbt.

Dennoch, einigen Astrofotografen gefallen Bicolor-Bilder nicht. Vielleicht liegt es daran, dass die Hubble-Palette weitaus etablierter ist, und wir uns an diesen Anblick gewöhnt haben - oder aber, dass den Bicolor-Bildern die warmen Farben fehlen (Orange, Orangerot, Gelb). Die Farbdifferenzierung der Bicolor-Bilder changiert dagegen eher zwischen Magenta und Blau, liegt also bei den "kalten" Farben.

Nichtsdestotrotz zeigt das vorliegende AdW die Vorteile einer Schmalbandfilterung, nämlich kräftige Kontraste und feine Details. Frank Iwaszkiewiczs Bild von Sh2-132 wirkt entsprechend stark. Kritisch anmerken müssen wir die unnatürlich großen Sternhalos (oft durch die Filter bedingt) und die doch etwas zu starke Weichzeichnung des Himmelshintergrundes. Ein guter Trick, um den Versuchungen verschiedener Werkzeuge nicht zu erliegen ist es, jeden Bearbeitungsschritt nach dem Zusammenfügen der Farben und bei Erreichen des persönlichen Optimums (geschmacksabhängig!) konsequent um wieder 20% zu reduzieren. Doch auch hier gilt: feste Regeln gibt es nicht.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim und Dr. Stefan Binnewies

Koordinaten (J2000): RA = 22 h 19 min 09 s, DE = +56° 04' 45''

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