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15. Woche - Der Herznebel – ein Objekt für die Hubble-Palette?

Fotografiert von: Jens Zippel | | Astrofoto der Woche

Das heutige AdW (Norden oben, Osten links) zeigt den „Herznebel“ im zirkumpolaren Sternbild Cassiopeia. Das Gebiet gehört zur Assoziation Cas O6 und befindet sich im Perseus-Arm unserer Milchstraße. Anregende Energiequelle im Nebelzentrum ist der offene Sternhaufen IC 1805, auch bekannt als Melotte 15. Er besteht aus etwa 40 helleren Einzelsternen, neun davon besitzen den Spektraltyp O und liefern als junge, blaue, heiße Sterne den wesentlichen Anteil an UV-Licht. Das hellste stellare Mitglied von IC 1805 ist HD 15558 mit 7,95 mag (Pixelkoordinaten 1366/755). Er besitzt den extrem frühen Spektraltyp O5e und kommt an seiner Oberfläche auf eine effektive Temperatur von 42.000 Kelvin. Weiterhin gibt es in IC 1805 noch etliche blau leuchtende B-Sterne, die auch noch ein wenig zur Anregung des Nebels beitragen. IC 1805 ist sehr jung, das Alter wird auf nur 1 bis 2 Millionen Jahre geschätzt. Die Entfernung des zentralen Sternhaufens und damit auch des Nebels beträgt 7000 bis 8000 Lichtjahre.

Wir sehen den Herznebel als Falschfarbenaufnahme. Von einer solchen redet man immer dann, wenn kein kalibriertes Bild über alle im sichtbaren Spektrum verteilten Farben vorliegt. So kann eine Falschfarbenaufnahme im Normalfall Sternfarben nicht korrekt wiedergeben. Die oben erwähnten blauen Sternfarben sind hier im Nebelzentrum nicht zu entdecken, jedoch im dunklen Außenbereich. Der Begriff „Falschfarbenaufnahme“ ist aber keinesfalls abwertend zu verstehen! Denn eine korrekte astrophysikalische Farbwiedergabe war auch gar nicht beabsichtigt. Dieses Bild soll insbesondere den Nebeleindruck wiedergeben, und dazu wählte der Bildautor die Darstellung nach der „Hubble-Palette“. Er nahm IC 1805 also in drei diskreten Emissionslinien auf: [OIII], Hα und [SII]. Während die erstgenannten Linien relativ stark sind, ist [SII] stets kritisch. Bevor also eine Aufnahme nach der Hubble-Palette erfolgt, sollte man sich über die im Nebel beobachteten Emissionslinien informieren. Was nützt eine engbandige [SII]-Aufnahme, wenn der Nebel gar kein solches Licht emittiert??? Das muss man vorher klären. Nach Lagrois, Joncas und Dissen (2012) kommt [SII] im Zentrum von IC 1805 nur auf etwa 15% des Strahlungsflusses von Hα+[NII]. Um ein ähnlich starkes Signal wie bei Hα+[NII] zu erhalten, müsste in [SII] eigentlich sechsmal länger als in Hα belichtet werden. In anderen HII-Regionen fällt diese Zahl sogar noch ungünstiger aus.

Was sehr schön herauskommt, ist das große Loch, das die Sternwinde der heißen O-Sterne in die umgebende Molekülwolke gerissen haben. Aus diesem molekularen Material haben sich die Sterne von IC 1805 gebildet. Sehr schön sieht man auch die ausgefransten Ränder, wo der Zusammenstoß (engl. shock) zwischen Sternwinden und Molekülmaterial stattfindet. Wie in hellen HII-Regionen üblich, bilden sich hier helle Ränder („bright rims“), die insbesondere in Hα leuchten. Die nach Norden reichenden Nebel bilden übrigens einen extrem schwachen, geschlossenen Bogen (engl. loop) von 6° Ausdehnung (Basu 1999).

Jens Zippel nahm das Motiv am 05.12.2015, 30.01.2016 und 16.02.2016 auf. Ort war Bremen. Mit einem Takahashi FSQ85 plus Atik 460 Exm wurde bei 450 mm effektiver Brennweite wie folgt belichtet: Hα+[NII] 8 x 1200 s, [OIII]: 12 x 900 s, [SII]: 9 x 900 s, RGB: je 4 x 180 s. Der Bildautor macht noch aufmerksam auf den vorgelagerten Planetarischen Nebel PN G135.6+1.0, der erst im Jahr 1996 von Webbink und Bond entdeckt wurde und daher auch den Namen WeBo 1 trägt. Siehe dazu auch einen Artikel von Frank Sackenheim und Peter Riepe im VdS-Journal für Astronomie, Heft 52, Seite 53.

Text zum Objekt und Belichtungsdaten: Peter Riepe

Wie nur wenige andere Objekte am Himmel (z.B. noch der Rosetten- und der Lagunen-Nebel) eignet sich IC 1805 besonders gut für die farbliche Darstellung in der Hubble-Palette. Erstellt werden solche „Schmalband-Aufnahmen“, indem die Belichtung durch drei relativ engbandige Filter erfolgt, zentriert auf die wesentlichen Emissionslinien selbstleuchtender galaktischer Nebel. Konkret ist das ein Hα+[NII]-Filter, zentriert auf die Hα-Linie des Wasserstoffs bei 656,4 nm, der auch die beiden Stickstofflinien bei 654,8 nm und 658,4 nm passieren lässt, dann ein [OIII]-Filter ([OIII]-Doppellinie des zweifach ionisierten Sauerstoffs bei 500,7 nm und 495,9 nm) und ein [SII]-Filter ([SII]-Doppellinie des ionisierten Schwefels bei 671,6 nm und 673,1 nm).

Dabei wird das störende irdische Streulicht, wie auch das Mondlicht weitgehend ausgeschaltet. Ganz besonders gilt das für den Hα- und den [SII]-Filter, der [OIII]-Filter lässt davon dann leider doch noch etwas durch. Das Licht der Schwefellinien wird anschließend zum roten Farbkanal, das Wasserstofflicht dem grünen Farbkanal und das Licht des Sauerstoffs dem blauen Farbkanal zugeordnet – und fertig ist das bunte Bild.

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. In vielen HII-Regionen ist gerade das [SII]-Licht weitaus weniger vertreten als Hα oder [OIII] und liefert deshalb oft nur ein sehr schwaches Signal, so dass das Bild in Grün und Blau zu ertrinken droht. Durch geschickte Kontrastanhebung und Farbverschiebung von Hα und [SII] zu gelb/orange – und das gelingt bei IC 1805 aufgrund der relativ großen Helligkeit und der Verteilung seiner leuchtenden Elemente Schwefel, Wasser- und Sauerstoff besonders gut – entsteht dann so ein “Eye-catcher“ wie das vorliegende AdW von Jens Zippel. Dass er zusätzlich den Sternen im Bildfeld über kurze Belichtungen durch einen Standard-RGB-Filtersatz noch die astrophysikalisch passenden Farben spendiert hat, soll nicht unerwähnt bleiben – der Aufwand lohnt sich und rundet dieses tolle Bild perfekt ab.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim

Koordinaten J2000.0:
RA = 02 h 41 min, DEK = +61° 02´

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