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18. Woche - Der Planetarische Nebel VV 47

Fotografiert von: Jürgen Beisser und Jens Zippel | | Astrofoto der Woche

VV 47 im Sternbild Luchs gehört zu den nur 3% Planetarischen Nebeln (PN), die höher als 30° über der galaktischen Ebene liegen. Sein scheinbarer Durchmesser beträgt 380". Die Astronomen sprechen von einem „entwickelten PN“, dessen Expansionsgeschwindigkeit bei 40 km/s liegt. Das passt gut zu einem Alter von 43.000 Jahren (Frew 2008). Der Zentralstern ist mit einer visuellen Helligkeit von 17,13 mag und einer Blauhelligkeit von 16,78 mag ziemlich lichtschwach, aber extrem blau, denn aus diesen Messwerten folgt ein Farbindex B-V = -0,35 mag! Das harmoniert bestens mit einer effektiven Temperatur des Z-Sterns von 120.000 K (Frew 2008). Schon 1988 fanden J. Liebert et al., dass dieser blaue Stern ein Spektrum besitzt, das dem Spektrum der Pulsationsveränderlichen des Typs PG1159-035 sehr ähnlich ist. Wenn man also für den Z-Stern eine Leuchtkraft wie bei einem solchen Veränderlichen annimmt, folgt eine Entfernung von 1060 pc (3460 Lj). Allerdings geben die Astronomen einen Fehler von ±80% an. Weitere Angaben anderer Autoren zur Entfernung differieren stark und bewegen sich zwischen 0,3 und 1,15 kpc. Gerade bei PN gibt es für unterschiedliche Messmethoden auch ziemlich gravierende Unterschiede im Ergebnis.

Bei VV 47 hat es verschiedene Missverständnisse in der Bezeichnung gegeben. In früheren Jahren war in der Fachliteratur mehrfach von NGC 2474/75 die Rede. Diese Katalognummer bezieht sich in Wirklichkeit jedoch auf ein helles Galaxienpaar etwa 36´ südlich des PNs. Die unüberlegteste Aussage eines Fachartikels lautete: "NGC 2474/75 wurde 1939 von Jones und Emberson entdeckt." Wann der New General Catalogue wohl erstellt wurde? Tatsächlich listeten Jones und Emberson den PN 1939 in ihren Untersuchungen auf. Aber schon fünf Jahre zuvor konnte B.A. Vorontsov-Velyaminov das Objekt als seine Nr. 47 katalogisieren. Daher gebührt dem wahren Entdecker die Namensgebung! Wir nennen den PN deswegen nicht JnEr 1, sondern VV 47. Im europäischen PN-Katalog der Universität Straßburg wird VV 47 offiziell als PN G164.8+31.1 geführt, was sich völlig neutral nur auf seine galaktischen Koordinaten bezieht.

Die Form von VV 47 ist doppelt knotig, beide Knoten stehen 180° entgegengesetzt im PN-Ring. Das deutet wie bei vielen ähnlichen PN bereits darauf hin, dass hier eine formgebende Quelle in Rotation vorhanden sein muss. Optisch wurde bisher nichts gefunden, aber 2012 entdeckten Orsola de Marco et al. mittels Infrarotmessungen einen Strahlungsüberschuss im J-Band. Man erklärte dies mit einem möglichen roten Hauptreihenstern als Begleiter, dessen Spektraltyp bei M5-M6 liegt.

Astrofotografen aufgepasst: VV 47 strahlt stark rot. Aufnahmen mit einem üblichen Hα-Filter zeigen im Mittel fast doppelt soviel Intensität wie mit einem üblichen [O III]-Filter. Klarer Fall, doppelt soviel Hα-Licht wie [O III]-Licht. Aber das ist falsch, denn die Hα-Emission beträgt nur 40% der [O III]-Emission. Lösung des Rätsels: Das Rot stammt nicht von Hα. Der PN hat eine sehr starke Emission des ionisierten Stickstoffs im roten [N II]-Licht. Sie ist etwa viermal so stark wie Hα! Darauf hatten C. Barbieri und J. Sulentic schon 1977 hingewiesen. An diese Stickstoffemission denken Astrofotografen meist nicht, und Astro-Händler machen in ihrem Portefolio in der Regel keine entsprechenden Angaben. Also: Die üblichen Hα-Filter mit Halbwertbreiten ab 5 nm und mehr sind für Hα kein Engbandfilter, denn sie lassen die Stickstoff-Emission komplett mit durch. Dazu merkt der Bildautor an: „Der Rotanteil der Aufnahmen wurde mit Hα-Filtern von 5 nm bzw. 6 nm Halbwertsbreite aufgenommen, schloss somit die [N II]-Linie mit ein. Wäre ein Hα-Filter mit 3 nm Halbwertsbreite benutzt worden, wäre von dem Nebel nahezu nichts zu erkennen gewesen.“

Genau darum sollten Astrofotografen solche breiten „Schmalband-Hα-Filter“ konsequent anders benennen, nämlich Hα+[N II]. So machen es die Profis seit jeher. Allerdings werden konservative Amateure diesen klaren Hinweis kaum beachten, so wie ja auch die „komplizierte“ Schreibweise der „verbotenen Linien“ [O III] oder [N II] kaum beachtet wird.

Das AdW zeigt VV 47 als elliptischen Ring mit blaugrün leuchtendem Innenbereich. Dort ist auch eine schwach kontrastierte parallele Streifenstruktur erkennbar. Der Ring leuchtet rot im Licht des Stickstoffs mit faserigem Rand. Ganz im Nordosten besitzt der PN noch eine ältere Schale, die lange vor dem jetzt prominenten Ring abgestoßen wurde. Die beiden knotenförmigen Verdickungen weisen eine weißliche Mischfarbe auf. Genau auf ihrer Verbindungslinie liegt der Z-Stern (evtl. Ausschnitt vergrößern).

Jürgen Beisser und Jens Zippel gelang diese Aufnahme am 10. März 2015 in Lilienthal und Bremen. Als Teleskope dienten ein FSQ-85 von Takahashi und ein APM 107/700. Kameras waren eine Atik 460EX und eine Moravian 8300. Die effektiven Brennweiten betrugen 450 und 525 mm (Blende 5,3 und 4,9), so dass die Bildresultate gut kombiniert werden konnten. Belichtet wurde 390 min in Hα+[N II] und 195 min in [O III].

Jetzt eine kurze Beurteilung der Aufnahme und astrofotografische Tipps: Die beiden eingesetzten Instrumente sind von eher geringer Öffnung und besitzen auch kein als „besonders schnell“ zu bezeichnendes Öffnungsverhältnis. Die erreichte Bildtiefe mit der Darstellung der sehr schwachen Außenhüllen des PN (vor allem im Nordosten), sowie die hohe Ortsauflösung (Schärfe) ist deshalb eine besondere Meisterleistung im Zusammenspiel beider Teleskope und der Bildbearbeitung. Einzig die weitgehend fehlenden Sternfarben sind ein Manko – allerdings typisch für astronomische Bilder, die nur durch einen Hα- und einen [O III]-Filter aufgenommen wurden. Hier schafft eine kurze Zusatzbelichtung durch den RGB-Filtersatz einfache Abhilfe, es hätten je Farbkanal schon 10 Minuten gereicht. Daraus wird dann ein farbkalibriertes Sternfeld erstellt, z.B. mit Hilfe der G-Sterne oder nach der (B-V)-Methode, dieses Sternfeld wird dann mit 100% Deckkraft den bisher weitgehend farblosen Sternen um den PN überlagert.

Koordinaten J2000.0:
RA = 07 h 57 min 52 s, DEK = +53° 25´ 17´´

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