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36. Woche - Der Trifidnebel Messier 20 – mehr als nur ein bunter Nebel

Fotografiert von: Christian Haindl | | Astrofoto der Woche

Wenn die Sommermilchstraße in unseren Breiten kulminiert, lassen sich in den kurzen Nächten verschiedene markante Deep-Sky-Objekte im Gebiet Sagittarius/Ophiuchus beobachten. Der 5000 Lj entfernte Messier 20 (NGC 6514) ist eines davon. Er besteht aus zwei runden, unterschiedlich farbigen Einzelnebeln in nordsüdlicher Anordnung. Der rot leuchtende, südlichere Teil führte aufgrund der inneren Struktur der Staubwolken zur Bezeichnung „Trifidnebel“ (= dreigeteilter Nebel). Wer ein wenig über H II-Regionen Bescheid weiß, dem fällt auf, dass dieser rot leuchtende, südliche Nebelbereich eindeutig rund ist. Die Astronomen nennen dies eine „Strömgren-Sphäre“, wie sie modellhaft nicht besser für eine H II-Region sein könnte. Im Zentrum sitzt der anregende Stern HD 164492, ein Doppelstern mit etwa 7 mag visueller Helligkeit. Die Hauptkomponente hat laut Datenbank SIMBAD den Spektraltyp O7. Es handelt sich also um einen extrem leuchtkräftigen blauen Riesen von etwa -6 Mag absoluter Helligkeit mit sehr hoher Leuchtkraft (ca. 21.000-mal leuchtkräftiger als unsere Sonne) und einer Oberflächentemperatur um 35.000 K. Die Komponente B mit 8,8 mag ist ein blauer Überriese, der jedoch an der Ionisation der H II-Region nicht beteiligt ist. Wegen seines Spektraltyps A2 ist dieser Begleitstern deutlich kühler und kann daher nicht genügend anregende UV-Energie erzeugen.

Der Nordteil des Trifidnebels ist regelrecht blau. Hier sind die Reflexionsanteile des Lichtes sehr stark. Im Zentrum dieses Nebelbereichs finden wir den blauen Überriesen HD 164514. Mit seinem Spektraltyp A7 ist er zu kühl, um das umgebende Gas zur Emission anzuregen. Dass der Trifidnebel demzufolge zwei unterschiedlich farbige Bereiche aufweist, ist für den Astrofotografen vom Motiv her gesehen reizvoll. Aber allein diese Information wird dem interessierten Leser sicherlich viel zu dürftig sein. Was ist denn eigentlich neu am Trifidnebel?

Im AdW (Norden oben) deutet sich bereits an, dass M 20 in seiner Gesamtheit (also auch um die rote H II-Region herum) von blau leuchtenden Reflexionsanteilen umgeben ist. Noch viel besser sichtbar wird dies an dem invertierten und im Kontrast angehobenen Blauauszug (hier klicken!). Demzufolge ist M 20 ein riesiger, runder Reflexionsnebel (nicht: Reflektionsnebel), der wegen des jungen, heißen O7-Sterns HD 164492 auch partiell eine rot leuchtende H II-Region enthält. Darüber hinaus hat die Forschung der letzten Jahre einige brandneue Aspekte geliefert. Neben etlichen Fahnen aus kühlem Staub durchziehen auch Molekülwolken das gesamte Nebelgebiet. Gemäß dem 2MASS (2Micron All-Sky Survey) und besonders den Ergebnissen des Infrarotteleskops Spitzer sitzen in M 20 zahlreiche "young stellar objects", die noch nicht einmal ihr Stadium als gefestigte Sterne erreicht haben (Rho et al. 2006). Ähnliches gilt für die zahlreichen im Nebel verstreuten Veränderlichen des Typs T Tauri. Die Astrophysiker sind sich heute darüber einig: Der Trifidnebel ist eines der jüngsten Sternentstehungsgebiete der Milchstraße! Neuere Arbeiten im Bereich von Millimeterwellenlängen belegen, dass es zahlreiche protostellare Kondensationen gibt, außerdem zahlreiche Globulen mit sternlosen Zentren, in denen sich die Materie allmählich verdichtet, so dass hier gerade die nächste Generation von Sternen entsteht (Lefloch B. et al. 2008). Möglicherweise ist geschah der Anstoß zur Sternentstehung im Trifidnebel durch die Kollision zweier größerer Molekülwolken (Torii et al. 2011).

In diesem Jahr hatten wir mehrere neue Bildeinsender zum AdW. Auch Christian Haindl ist neu im Kreis der AdW-Astrofotografen. Wir heißen ihn herzlich willkommen! Am 18.07.2015 nahm er den Trifidnebel von Palling aus auf. Als Teleskop diente ein Celestron 8, reduziert auf f = 1000 mm, dazu eine CCD-Kamera Atik 460. Bei Blende 5 wurden 6 x 9 min für die Luminanz belichtet, 8 x 9 min für Hα und je 9 min pro Kanal für RGB. Dazu merkt der Autor an: „Das Bild ist ein LRGB-Komposit mit Hα-Anteil. In die Luminanzdaten wurden Hα-Daten gemischt, ebenso in den Rotkanal. Durch geeignete Abstimmung der Sternscheibchendurchmesser in den Breit- und Schmalbandanteilen sowie eine sorgfältige Mischung der Farbkanäle wurde versucht, einen möglichst natürlichen Eindruck zu vermitteln. Vor allem die eisblauen Reflexionsanteile und Staubwolken sollten zur Geltung kommen. Die Aufnahme soll aber auch zeigen, dass man nicht unbedingt teure Spezialoptiken braucht, um ansprechende Bilder zu machen.“ In der Tat ist das Bild ansprechend und gelungen. Wir bedanken uns herzlich für das bisher unveröffentlichte Ergebnis.

Bisheriger Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

Dass mit dem guten alten Celestron 8 Deep-Sky-Aufnahmen möglich sind, beweist Christian Haindl hiermit eindrucksvoll. Der Aufnahmestandort liegt weit im Süden Deutschlands, in der Nähe des Chiemsees. Aber das war dem selbst zur Kulmination tiefstehenden Bildfeld sicher nicht abträglich. Allerdings erscheinen uns die Farben ziemlich schwach. Die blauen Reflexionsnebel wie auch der rosafarbene Anteil im Emissionsnebel bleiben blass. Der Autor möge verzeihen, aber es fehlt unserer Meinung nach dem Bild ein wenig die farbliche Leuchtkraft. Die Aufnahme ist ein L-Hα-R-G-B-Komposit, Gesamtbelichtungszeit 153 Minuten, wobei dem Blau-Kanal nur 9 Minuten (sprich 5,9%) Photonendusche vergönnt waren. Das war zu kurz, gerade das blaue Licht aus dem Spektrum wird in Horizontnähe vermehrt atmosphärisch gestreut und absorbiert. Blau hätte deshalb durchaus ähnlich lange wie der Hα-Kanal (= 72 Minuten) belichtet werden müssen, um dem Bildergebnis den letzten Schliff zu geben.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies, Frank Sackenheim

Koordinaten J2000.0:
RA = 18 h 02 min 30 s, DE = -22° 58´ 05´´

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