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39. Woche - Der Reflexionsnebel vdB 140

Fotografiert von: Hartmut Bornemann | | Astrofoto der Woche

Das Sternbild Cepheus ist bekannt für ausgedehnte Staub- und Molekülwolken. Wird dieses Material durch nahegelegene Sterne angestrahlt, so führt das zu der bekannten Erscheinung der Reflexionsnebel. Der bekannte Astronom Sidney van den Bergh hatte sich bereits in den 1960er Jahren mit derartigen Reflexionsnebeln befasst und auch einen Katalog herausgegeben. Aus diesem „van den Bergh-Katalog“ von 1966 wird hier der Nebel vdB 140 als AdW vorgestellt. Es handelt sich um einen blauen Reflexionsnebel, weil er das Licht eines blauen Sterns reflektiert.

Der 6,4 mag helle Stern HD 203025 im Zentrum von vdB 140 ist nach Kutner (1980) etwa 1600 Lichtjahre entfernt. Genauer gesagt, haben wir hier ein Mehrfachsystem: ein spektroskopischer Doppelstern zeigt einen optischen Begleiter in etwa 4 Bogensekunden Distanz. HD 203025 hat den Spektraltyp B2. Was besagt das? Wer sich ein wenig mit Astronomie befasst hat, weiß: Der Spektraltypverlauf O-B-A-F-G-K-M mit jeweils 10 Unterteilungen (z.B. G0 bis G9) gibt die Sterntemperatur wieder. Als Astrofotograf sollte man jetzt nicht sagen „interessiert mich nicht, ich will Bilder machen …“. Die effektive Temperatur eines Sterns an seiner Oberfläche geht nämlich direkt einher mit seiner Farbe! Und die sollte doch alle Astrofotografen interessieren, wenn sie ihre Bilder korrekt wiedergeben wollen (und nicht nur „fummeln“, bis alles so aussieht wie im Internet). Sehr heiß sind die knallblauen O-Sterne. Der Typ O4 kommt beispielsweise auf ca. 40.000 K. Weiße Sterne wie unsere Sonne haben den Spektraltyp G2, ihre Oberflächentemperatur erreicht ca. 5.800 K. Die Sterne des Spektraltyps M sind relativ kühl, ein M5-Stern z.B. liegt bei etwa 3000 K und leuchtet orangerot.

Zurück zu HD 203025. Er kann als B2-Stern normalerweise kein Wasserstoffgas mehr zur Emission anregen, daher auch kein Hα-Leuchten mehr bewirken. Seine Temperatur reicht einfach nicht mehr aus, um genügend UV-Energie zu erzeugen. Jetzt aber die Besonderheit: HD 203025 ist ein Be-Stern mit einem Farbindex B-V = 0,15 mag. Schon in den 1980er Jahren haben Kohoutek et al. herausgefunden, dass solche Sterne in ihrem Spektrum neben dunklen Fraunhoferschen Linien hell in Hα emittieren. Offensichtlich geben sie Wasserstoff in ihre unmittelbare Umgebung ab und bringen diesen zur Emission. Zumal HD 203025 noch ein Riesenstern ist, reicht es in seiner unmittelbaren Umgebung nun doch zur Anregung und Emission eben dieses herausströmenden Gases. Schaut man das AdW genauer an, so entdeckt man Spuren des roten Lichts. Will man dieses Gas deutlicher zeigen, sind Hα-gefilterte Aufnahmen angesagt.

Fachgruppenmitglied Hartmut Bornemann gelang das aktuelle AdW am 21.08.2015, Aufnahmeort war Wasbüttel. Ausrüstung: Takahashi TOA-150 (plus) 0,7-facher Fokalreduktor, CCD-Kamera ML8300 (-30°C), Filterrad CFW-2-7 mit LRGB-Filtern von Astronomik, PDF Fokussierer. Die Nachführung erfolgte über einen Refraktor Takahashi FS-60 mit Kamera SBIG ST-402ME. Belichtet wurde: 9 x 10 min (L), 7 x 10 min (R), 6 x 10 min (G), 10 x 10 min (B), insgesamt also 5 Stunden 20 Minuten. Gut ist, dass die Blaubelichtung etwas länger veranschlagt wurde, weil wir bei „unserem Himmel“ stets im Blauen Verluste einkalkulieren müssen. Die Aufnahmesteuerung wurde in Eigenleistung erstellt. Die Bearbeitung geschah mit PixInsight.

Bisheriger Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

Das vorliegende AdW ist ein exzellentes Astrofoto. Die Aufnahme ist handwerklich grundsolide erstellt und mit hochwertiger Ausrüstung aufgenommen. Auch die anschließende Bildbearbeitung ist gut gelungen. Das Zielobjekt, der Reflexionsnebel, kommt bestens zur Geltung und auch die zarten Dunkelnebel schweben plastisch im Raum. Das Histogramm der Aufnahme zeigt einen satten Verlauf der Intensitätswerte und keine großen Abweichungen in den Farbkanälen. Letzteres ist auch nicht anders zu erwarten, da im Bild keine Farbe dominant heraussticht (wie es etwa bei großflächigen Emissionsnebeln fast immer vorkommt).

Bei der Bearbeitung solcher schwachen Nebel ist es das Ziel, die Bereiche des Histogramms zu betonen, die nahe am Himmelshintergrund liegen. Das bringt Probleme mit sich. Zum einen ein verstärktes Bildrauschen (kann durch noch längere Belichtungszeiten kompensiert werden), zum anderen verstärkt man damit aber auch die Lichthalos der hellsten Sterne. Abhilfe schaffen hier spezielle Bildbearbeitungstechniken wie etwa Sternmasken, die das Aufblähen der Sterne verhindern. Dem Autor ist hier ein eine gute Balance gelungen.

Und wie immer raten wir allen Astrofotografen zu einer sauberen und reproduzierbaren Farbkalibration ihrer Aufnahmen. Viele Programme zur Bildbearbeitung bieten mittlerweile für den Anfänger nicht schwer zu bedienende Methoden zur Farbkalibration an. Aus unserer Erfahrung ist es dabei nicht mal notwendig, die physikalisch genaueste (B-V)-Kalibrierung zu benutzen, es reicht statt dessen häufig schon aus, eine einfache „Average White Methode“ vorzunehmen, also eine Methode zum durchschnittlichen Weiß der Sterne. Im vorliegenden Fall wirken die Farben gerade der kühleren Sterne (gelb bis rot) etwas unausgeglichen, hier hätte etwas mehr Rot der Aufnahme gut getan.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim, Dr. Stefan Binnewies

Koordinaten J2000.0:
RA = 21 h 17 min 19 s, DE = +58° 36´ 41´´

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