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4. Woche - Wenig beachtet: die Galaxie IC 356

Fotografiert von: Markus Blauensteiner | | Astrofoto der Woche

Im Ostbereich der Giraffe finden wir nahe der Grenze zur Cassiopeia eine kleine Galaxie, die nur selten als astrofotografisches Motiv gewählt wird. IC 356 ist eine Spiralgalaxie vom Typ Sab. Sie besitzt also feingliedrige, eng gewickelte Arme. Ihr scheinbarer Durchmesser beträgt laut Datenbank SIMBAD 6,0’ x 4,4’. Das macht sie bei 62 Mio. Lj Entfernung zu einem großen Objekt von ca. 107.000 Lj Durchmesser. Etwa 2,3° südwestlich liegt IC 342, eine weitere auffällige und 21’ große Spiralgalaxie. Sie wird von Astrofotografen klar bevorzugt, hat aber mit unserem heutigen Objekt IC 356 nichts zu tun, denn IC 342 ist nur 10,7 Mio. Lj entfernt (Karachentsev et al. 2004) und daher sechsmal näher als IC 356.

Wir sehen im AdW (Norden oben, Osten links) viele blaue Knoten, die sozusagen die Spiralarme bilden. Hier hat eine merkliche Sternentstehung stattgefunden. Auch rot leuchtender, ionisierter Wasserstoff existiert, wird aber bei dieser benutzten Brennweite noch nicht als H II-Regionen aufgelöst. Das gezeigte Bild deckt einen Bereich von 40’ x 29’ ab. Der helle Stern direkt nördlich von IC 356 ist HD 25452 mit B = 8,62 mag und V = 8,46 mag, also mit B-V = 0,16 mag eindeutig kräftig blau – was die korrekte Farbkalibrierung des AdWs bestätigt.

Interstellarer Staub sorgt dafür, dass das Licht von IC 356 einer starken Absorption unterliegt. Laut NASA Extragalactic Database (NED) sind das im roten Spektralbereich gemittelte 1 mag, im grünen (visuellen) etwa 1,2 mag und im blauen 1,67 mag. Wird rotes Licht weniger und blaues Licht mehr absorbiert als visuelles, so erscheint das Objekt entsprechend gelber. Der Astronom spricht dann von einer „Rötung“. Und das kommt im aktuellen AdW auch sehr schön heraus, weil die Galaxie sehr gelb erscheint. Ihre scheinbare Helligkeit wird in SIMBAD mit 13,3 mag im Blauen angegeben, das bedeutet: IC 356 wäre ohne die starke Absorption etwa B = 11,6 mag hell. Visuell dürfte sie noch einmal um 1 mag heller sein.

Jetzt etwas Grundsätzliches zu Entfernungsangaben bei Galaxien. Wird auf einer Homepage das Bild einer Galaxie gezeigt, dann ergänzt man als Webseiten-Eigner auch gern „wissenschaftliche Daten“, denn das macht die Homepage doch seriöser. Aber dann wird recht blauäugig geschrieben „Die Entfernung beträgt 35,4 Lichtjahre“. Freunde, so easy klappt das nicht, einfach eine Zahl aus irgendwelchen Internetquellen zu übernehmen. Die Entfernung der Galaxien ist sehr unsicher, sie hängt wesentlich davon ab, mit welcher Messmethode gearbeitet wurde, etwa über Veränderliche wie Cepheiden oder RR-Lyrae-Sterne, hellste Überriesen, hellste Rote Riesen oder mit Hilfe der Radialgeschwindigkeiten. Bei letzterem ist entscheidend: Wurde die Radialgeschwindigkeit optisch bestimmt (etwa über H-Alpha) oder radioastronomisch (21-cm-Linie)? Welche Hubble-Konstante wurde verwendet? Eine große Unsicherheit ergibt sich durch die Extinktion am Ort der Galaxie, also die Schwächung und Rötung des Objektlichts durch den vorgelagerten interstellaren Staub unserer Milchstraße. Diese Absorption sorgt auch bei IC 356 dafür, dass die Entfernung nicht eindeutig festzulegen ist. So gibt die NED eine Radialgeschwindigkeit von 895 km/s an, während SIMBAD 1031 km/s nennt. Das wären bei einer Hubble-Konstanten von 73 km/s/Mpc 12,3 Mpc bei der NED und 14,1 Mpc bei SIMBAD. Von Noordermeer et al. (2005) wurde radioastronomisch 894 km/s und 15,1 Mpc ermittelt. Bottinelli et al. (1984) bestimmten ebenfalls radioastronomisch 19,4 Mpc. Der oben genannte Wert von 62 Mio. Lj entspricht 18,9 Mpc und berechnet sich aus dem mittleren Entfernungsmodul, das in der NED angegeben wird. Noch eine Sache sollte man bedenken: Jede Entfernungsmessung sollte eigentlich mit einem Fehlerbalken versehen werden (nicht: Toleranz!). Klartext: Pingelig gesehen gehört zur Entfernungsangabe auch die Plusminus-Standardabweichung, nicht nur die nackte Zahl der Lichtjahre. Im Falle von IC 356 müsste man daher schreiben: Entfernung 63 +- 12 Mio. Lichtjahre. Deshalb liegt die korrekte Entfernung von IC 356 irgendwo zwischen 51 und 75 Mio. Lichtjahren.

Markus Blauensteiner, Mitglied der Fachgruppe Astrofotografie, hat IC 356 am 27.09.2014 an der Sternwarte Gahberg (Salzkammergut) aufgenommen. Er benutzte für die Luminanzaufnahmen einen 250-mm-Newton mit 1000 mm Brennweite, für die Farbaufnahmen einen 130-mm-Newton mit 650 mm Brennweite. Als Kamera kam für die Luminanz eine SBIG ST-2000XM zum Einsatz, für die Farben eine Starlight SXV-H9. Belichtet wurde 34 x 10 min (L) und je 12 x 10 min (RGB), beide Male ohne Binning. Der Autor schreibt: „ Am 07.01.2014 und am 27.09.2014 konnte ich insgesamt 11.6 Stunden belichten. Eine auffällige Staubstruktur, etwa auf 1 Uhr zeigend, führte dazu, dass Halton C. Arp im Jahre 1966 IC 356 als Nr. 213 in seinen „Atlas of peculiar Galaxies“ aufnahm.“

Ein sehr schönes Bild, das zum Nachmachen anspornt! Und wir danken dem Bildautor, dass er hier seine Erstpublikation vornimmt.

Koordinaten J2000.0:

RA = 04 h 07 min 47 s, Dec = +69° 48´ 45´´

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