40. Woche - Der Cirrus-Nebel, immer wieder ein Augenschmaus!

Es gibt zahlreiche Supernovareste (SNR), und mit Sicherheit ist der Cirrusnebel im Sternbild Schwan eines der imposantesten Beispiele des nördlichen Sternenhimmels. Hier breiten sich in einem etwa 3° messenden Sternfeld verschiedene Nebel in Form von Filamenten und Schleiern aus, daher auch die englischsprachige Bezeichnung „veil nebula“ (= Schleiernebel). Was ist hier passiert? Ein massereicher, instabiler Stern ist vor langer Zeit explodiert. Bisher hat niemand den Rest der „Sternleiche“ gefunden. Nun blicken wir auf die gasförmigen Überbleibsel, die sich kugelförmig um das ehemalige Explosionszentrum ausbreiten, und das mit einer Geschwindigkeit von bis zu einigen tausend Kilometern pro Sekunde. Der Astronom nennt das „Expansion“.
Wie kommt es, dass der Cirrus-Nebel leuchtet, obwohl sein heißer Zentralstern explodiert ist? Wer liefert die Anregungsenergie der Nebelmassen, so dass Licht emittiert werden kann? Im Falle der SNR stoßen die expandierenden Gasreste mit dem interstellaren Medium zusammen. Bei diesem Stoßprozess wird die Energie erzeugt, welche die Ionisierung der expandierenden Nebel bewirkt. Der Bereich, in dem sich die Stoßprozesse ereignen, nennt der Astrophysiker deshalb auch „Stoßfront“ (bitte nicht amerikanisch als „Schockfront“, was der bekannte Professor Kippenhahn als unphysikalisch monierte). Es sind also keine Einstrahlungen von UV-Energie, die die Energie zur Anregung der SNR liefern, sondern Stoßvorgänge. Nur so können diese Objekte überhaupt leuchten.
Im aktuellen AdW ist Norden links und Westen oben. Am weitesten westlich liegt NGC 6960 mit dem hellen G9-Stern 52 Cygni. Seiner Form wegen wird dieser Nebel auch „Sturmvogel-Nebel“ genannt. Etwas weiter nach Nordosten bemerkt man NGC 6979 („Pickering´s Triangular Wisp“). Dieser Nebelfetzen setzt sich nach rechts (Süden) in sehr feinen Nebelfilamenten fort. NGC 6992, der östlichste Teil des Cirrus-Nebels, liegt unten im Bild. Dieses Nebelstück wurde übrigens zuerst entdeckt. Das gelang Wilhelm Herschel mit einem 47,5-cm-Spiegelteleskop im Jahre 1784. Und NGC 6960 fand er erst zwei Tage später. Den südlichsten Teil von NGC 6992 bildet NGC 6995. Die Entdeckung dieses Nebelbereichs ist John Herschel zu verdanken, dem Sohn Wilhelms, der dazu 1825 das Teleskop seines Vaters nutzte.
Für Astrofotografen die Angabe der Wellenlängen: Die „verbotene“ Doppellinie des zweifach ionisierten Sauerstoffs [O III] hat eine Wellenlänge von 495,9 und 500,7 nm. Das entspricht der Farbe Türkis. Frage an die Leser: Woher stammt der Rotanteil des abgebildeten Lichts? Ihre Antwort: „Natürlich vom ionisierten Wasserstoff H-Alpha.“ Nein, das ist nur halbrichtig. Denn jeder SNR emittiert auch sehr stark das Licht des ionisierten Stickstoffs. Es ist ebenfalls eine „verbotene“ doppelte Emissionslinie [N II] bei 654,8 und 658,3 nm Wellenlänge. Beide Linien werden vom engbandigen H-Alpha-Filter komplett mit hindurch gelassen. Und jetzt, selbst wenn es einige Astrofotografen niemals lernen: Man kennzeichnet alle „verbotenen“ Emissionslinien in der Astronomie durch eckige Klammern. Im Gegensatz dazu ist H-Alpha keine verbotene Linie.
Stephan Küppers, Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie, gelang diese prächtige Bicolor-Aufnahme des Cirrusnebels am 17.08., 18.08. und 22.08.2014 in Südfrankreich. Er verwendete eine CCD-Kamera Moravian FW8300, dazu ein Canon-Objektiv von 200 mm Brennweite bei Blende 4. Belichtet wurde 3 Stunden mit [O III]-Filter und 4 Stunden mit H-Alpha-Filter. Die Einzelbelichtungen betrugen jeweils 20 Minuten.
Laden Sie das Bild herunter und schauen Sie die Details in Ruhe an. Es lohnt sich!
Objektkoordinaten (2000.0):
RA = 20 h 42 min, DEK = +37°
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