41. Woche - NGC 7380, ein Sternhaufen in der H II-Region Sharpless 142

Im „Dreiländer-Eck“ von Cepheus, Lacerta und Cassiopeia liegt NGC 7380. Um vorweg allen Missverständnissen vorzubeugen: NGC 7380 ist nicht der rot leuchtende Gasnebel, sondern der deutliche offene Sternhaufen oberhalb der Nebelmitte. Er gehört der Assoziation Cep OB1 an. Laut Datenbank SIMBAD hat er eine Blauhelligkeit von B = 7,62 mag und eine visuelle Helligkeit von V = 7,2 mag. Die Differenz B-V = 0,42 mag bezeichnet man als „Farbindex“. Dementsprechend sollte die durchschnittliche Farbe der Haufensterne in NGC 7380 weißbläulich herauskommen (für RGB- bzw. LRGB-Darstellungen). Leute, ich werde nicht müde, diesen Sachverhalt immer wieder zu predigen, weil der Farbindex für jeden Astrofotografen die „wirklichen Sternfarben“ festlegt und damit die wichtigste Grundlage für eine saubere Farbkalibrierung der Aufnahmen ist. Aber zurück zum Objekt ...
Der Durchmesser des Haufens, der im Perseus-Arm unserer Milchstraße steht, beträgt ca. 12´. Sein Alter wird auf 2 - 4 Millionen Jahre geschätzt (Massey et al. 1995, Chen et al. 2011). Mit anderen Worten: Es handelt sich um ein sehr junges Objekt. Die Entfernungsangabe ist uneinheitlich und bewegt sich in der wissenschaftlichen Literatur zwischen 1,4 und 3,6 kpc. Wie kommt eine solche Streuung zustande? Die vorgelagerte interstellare Materie, die den Sternhaufen, die Feldsterne und auch den Nebel selbst schwächt, ist nicht homogen verteilt. So führt die Fotometrie auf variierende Werte der Sternhelligkeiten. Gut durchschnittlich ist die Messung von Chen et al. 2011 mit (2,6 +/- 0,4) kpc. Diese 2600 pc bedeuten ca. 8500 Lj. Etwa 40 junge Einzelsterne sitzen im Haufen zusammen. Der hellste ist HD 215835, ein O5.5-Stern mit B = 8,85 mag und V = 8,61 mag. Er ist sowohl ein spektroskopischer Doppelstern als auch ein Veränderlicher mit der Bezeichnung DH Cephei. Das AdW zeigt ihn bei den Pixelkoordinaten 1164/1142. Sein Farbindex B-V beträgt also 0,24 mag. Er sollte in einer reinen (L)RGB-Aufnahme leuchtend blau werden. Allerdings ist der Farbindex schon deutlich gerötet, denn eigentlich ist für einen ungestörten O5-Stern ein negativer (B-V)-Wert zu erwarten. Das zeigt die astronomische Wirklichkeit: Die gesamte Region wird von interstellarer Materie bis zu 1 mag verdunkelt und damit zusätzlich gerötet. Die beiden eng beieinander stehenden Sterne HD 215714 und HD 240051 bei den Pixelkoordinaten 1451/1176 sind etwa 70 pc entfernt, stehen also weit vor NGC 7380 im Vordergrund.
NGC 7380 beherbergt 14 Sterne mit Hα-Emission. Außerdem gibt es noch viele andere OB-Sterne, darunter mehrere superheiße O-Sterne. So ist erklärbar, dass die gesamte umgebende H II-Region so intensiv leuchtet. Sie wurde als Nebel bereits im August 1787 von Caroline Herschel erkannt (Hoskin 2006), später dann von Steward Sharpless als Nr. 142 in seinen Katalog übernommen. Sh2-142 ist 25´ x 30´ ausgedehnt. Unübersehbar ist, dass die hochenergetische UV-Strahlung der jungen, heißen Sterne die nach Osten angrenzende Molekülwolke NGC 7380E beeinträchtigt und stark in Mitleidenschaft zieht. Man erkennt auf dem aktuellen AdW, wie auf diese Weise links im Bild girlandenförmige Strukturen entstehen konnten, teilweise mit leuchtend hellen Rändern („bright rims“). Norden liegt oben, Osten links.
Reinhard Wallner und Dieter Beer sind die Autoren dieses guten AdWs. Die Aufnahme vom 1. September 2015 entstand in Biedermannsdorf (Österreich). Aufnahmeoptik war ein Apochromat TEC 160 FL mit geebnetem Bildfeld bei f = 1120 mm. Als Kameras kamen eine Moravian G24000c und eine G24000m zum Einsatz. Belichtet wurde 34 x 10 min (LRGB) und 4 x 30 min (Hα). Es handelt sich also um kein reines (L)RBG-Bild in Breitbandfilterung, sondern um eine Falschfarbendarstellung, die das Ziel hat, die H II-Region durch zusätzliche Hα-Filterung stärker zur Geltung zu bringen. Damit ist das Rot zwangsläufig überbetont. Insofern treffen die obigen Feststellungen zum „richtigen“ Farbton gerade bei den blauen Sternen hier nicht so ganz zu. Allerdings gibt es auch andere Falschfarbendarstellungen genau dieses Sternfeldes, die wir schon 2009 als AdW gebracht haben. Zum Vergleich bitte hier klicken . Jürgen Stein nahm es mit einem 250-mm-Newton (f = 1200 mm) und einer CCD-Kamera SBIG ST-2000XM auf. Belichtet wurde 37 x 10 min in Hα und 15/10/9 x 5 Minuten in RGB, als HαRGB erstellt. Hier erscheinen die Sterne sehr viel anders, was man unter Astrofotografen durchaus diskutieren darf. Als Diskussionsbeitrag noch eine Anregung: Warum nicht auch eine Zusatzbelichtung mit einem Hβ-Filter anfertigen? Sie könnte sowohl die Nebelfarbe optimieren als auch den Sternen noch einen realistischeren Touch geben. Das blaue Hβ-Licht bei 486,1 nm Wellenlänge macht im ungestörten Fall immerhin 33% des Hα-Leuchtens aus.
Bisheriger Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe
Die Bildautoren legen ein nahezu perfektes Astrofoto vor, es gibt dennoch einen Kritikpunkt. Er betrifft das zu geringe Blau im Bild. Trotz der über den Hα-Filter gewollten Betonung der Wasserstoffemission zur Herausarbeitung der Nebelstrukturen hätte auch der Blau-Kanal deutlich mehr Belichtungszeit verdient – oder man hätte diesen Kanal zumindest im Rahmen der Bildbearbeitung mehr betonen müssen (Verstärken durch Kontrastanhebung). Das dann steigende Bildrauschen wäre zu verschmerzen gewesen. So wirkt das Motiv noch nicht abgeschlossen – aber das sind Astrofotos eigentlich nie – Aufnahme- und Bearbeitungstechnik schreiten einfach zu schnell voran.
Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies, Frank Sackenheim
Objektkoordinaten (J2000):
RA = 22 h 47 min 21 s, DEK = +58° 07' 54''
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