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45. Woche: Stephans Quintett – komplizierter als vermutet

Fotografiert von: Rene Rogge | | Astrofoto der Woche

Etwa 30' südwestlich der hellen Galaxie NGC 7331 im Pegasus liegt Stephans Quintett [2]. Diese bekannte Gruppe umfasst auf sehr engem Raum von etwa 3' × 4' die fünf Galaxien NGC 7317, 7318 A, 7318 B, 7319 und 7320. Wegen der Kleinheit dieser Gruppe ist die Fotografie nicht leicht. Rene Rogge schickte uns eine gelungene Astroaufnahme (Norden links, Osten unten).

Die Balkenspirale NGC 7319 zeigt die stärksten Anzeichen dynamischer Störungen. Ihr östlicher Spiralarm ist in zwei Teilarme aufgespalten. Der westliche Arm, nach Süden abbiegend, setzt sich als langer, geknickter Gezeitenschweif nach Osten fort (hier im Bild also nach unten). Der Arm zeigt auf NGC 7320C – knapp 4' nordöstlich von Stephans Quintett. Sie hat vermutlich vor einigen hundert Millionen Jahren die Galaxiengruppe durchquert und dabei Materie aus NGC 7319 mitgezogen. Die elliptische Galaxie NGC 7317 (hier im Bild die oberste) zeigt keinerlei Wechselwirkung mit den anderen Gruppenmitgliedern.

Drei der Galaxien, nämlich NGC 7217, 7318A und 7319 haben ähnliche Fluchtgeschwindigkeiten um 6600 km/s. Sie bilden die eigentliche Gruppe, sozusagen „Stephans Trio“. NGC 7318B bewegt sich mit einer Differenzgeschwindigkeit von 950 km/s relativ zu ihrer Partnergalaxie NGC 7318A. Die beiden liegen als „Knäuel“ zwischen NGC 7317 und NGC 7319. Es ist also zu vermuten, dass NGC 7318B von außen kommend derzeit gerade durch die Gruppe fliegt. Offensichtlich befinden sich NGC 7318A/B in der Frühphase einer Kollision, was ebenfalls durch sehr starke Störungen belegt wird. Beide sind verzerrte Spiralen, die noch Reste ihrer Spiralarme zeigen. Die Zuordnung fällt allerdings nicht leicht.

Die Galaxie NGC 7320, das hellste und leicht bläuliche Gruppenmitglied im Süden, weist eine um fast 6000 km/s geringere Fluchtgeschwindigkeit auf. Den gängigen kosmologischen Vorstellungen nach muss man folgern, dass uns diese Galaxie mit einer Entfernung von 36 Millionen Lichtjahren viel näher steht als die eigentliche Gruppe, die etwa 300 Millionen Lichtjahre entfernt ist. In diesem Falle wäre NGC 7320 eindeutig eine Vordergrundgalaxie, die offenbar nur zufällig in der Sichtlinie zu Stephans Quintett steht [4] und über eine solche Distanz keinerlei Wechselwirkung mit der Gruppe aufweisen kann. Im Gegensatz dazu ist in Burnham's Celestial Handbook zu lesen, aus Fotografien scheine hervorzugehen, dass NGC 7320 durch schwache Gezeitenschweife mit den anderen Gruppenmitgliedern verbunden sei. Wie vorsichtig man jedoch mit solchen Vermutungen umgehen muss, zeigen Untersuchungen mit dem Hubble Space Telescope. Demnach gehört NGC 7320 physikalisch definitiv nicht zu Stephans Quintett, denn in dieser Sd-Spirale von 45000 Lichtjahren Durchmesser ließen sich mit dem Weltraumauge einzelne Sterne auflösen, was bei den echten Gruppenmitgliedern aufgrund der großen Entfernung nicht möglich war.

Als Aufnahmeoptik diente ein restauriertes 25cm-Teleskop (Ritchey-Chrétien, Marke Alt) bei f/8 ohne Fokalreduktor oder Bildfeldebner. Das Teleskop sitzt auf einer Montierung ALT-5 Harmonic Drive. Die Nachführung erfolgt über einen 25mm-Off-Axis-Guider (Selbstbau) mit einer Watec WAT-120N und als Software Guidemaster V 1.9. Mit einer ATIK 16HR sowie Filtersatz Astronomic IIc im Filterrad FR03 wurde folgendermaßen belichtet: L = 3 x 900 s + 12 x 1200 s (ohne Binning). RGB mit 2-fachem Binning je 5-mal 600 s, 500 s und 642 s. Die Aufnahme entstand am 24., 25. und 27.09.2008 in Wittmund/Nordsee. Bildbearbeitung: Addition der Rohbilder mit MaximDL, Bearbeitung erfolgte durch Gerald Willems mit Photoshop CS2.

Hebt man diese gelungene und tiefe Aufnahme im Kontrast an, scheint NGC 7320 tatsächlich auch einen Gezeitenarm zu besitzen. Er liegt parallel zu dem langen Gezeitenarm aus NGC 7319, ist aber viel schwächer (Anmerkung P. Riepe). Wer fühlt sich angespornt, hier nachzuforschen???

RA = 22 h 36 min, DEK = +33° 58´