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48. Woche - Jurasevich 1, eine „Seifenblase“ im Schwan

Fotografiert von: Robert Poelzl | | Astrofoto der Woche

Das aktuelle AdW zeigt rechts oben den Wolf-Rayet-Nebel NGC 6888. Norden ist oben, Osten links. Das Bild zeigt einen Ausschnitt von 62' x 47'. Auch wenn NGC 6888 super zur Geltung kommt und viele Details zeigt, die es sich lohnen würde zu besprechen: Hier geht es nicht um NGC 6888 (das bitte nachlesen im AdW Woche 51/2016), sondern um einen zunächst unscheinbaren, lichtschwachen Ringnebel links unten bei den Pixelkoordinaten 587/1645. Dazu bitte das komplette AdW herunterladen, nicht nur das hier gebotene Normalbild anschauen. Was hat es mit diesem ringförmigen Objekt, das einer Seifenblase ähnelt, auf sich?

2009 wurde die Entdeckung eines neuen Planetarischen Nebels im Sternbild Schwan bestätigt. Die Entdeckungsaufnahme entstand aber schon zwei Jahre eher. Der Amateur D.M. Jurasevich hatte im Juni und Juli 2007 am Observatorium auf dem Mt. Wilson in Californien mit einem 160-mm-Apochromaten (Astrophysics) und mit einer SBIG STL-11000M sowie einem Hα-Filter von 6 nm Halbwertsbreite das Gebiet um NGC 6888 belichtet. Dabei fiel im ein ringförmiges Objekt auf, welches offenbar bis dato noch nicht bekannt war. Ein Jahr später entdeckten die beiden Californier K.B. Quattrocchi und M. Helm unabhängig von Jurasevich mit einem 40-cm-Astrografen (1:3,75) das Objekt. Sie belichteten mit einer CCD-Kamera FLI Microline 16803 und Hα-Filter 8 x 10 min. Die Internationale Astronomische Union (Daniel W.E. Green) bestätigte beide Entdeckungen im Juli 2009 über das IAU-Telegramm No. 1876 vom 16. Juli 2009. Dem offensichtlichen PN wurde der Name Jurasevich 1 (Ju 1) verliehen.

Planetarische Nebel sind Endstadien der Sternentwicklung. Deshalb steht für den Astronomen der Zentralstern stets stärker im Vordergrund als der umgebende, ausgestoßene Nebel. Und auch bei Ju 1 ist ein klarer Zentralstern erkennbar. Zieht man die astronomische Datenbank Simbad zu Rate, so werden als Koordinaten angezeigt: RA = 20 h 15 min 22.2 s, DE = +38° 02' 58''. Diese Position entspricht dem blaugrünen Kreuzchen im beiliegenden Bild links (hier klicken). Ehrlich gesagt: An exakt dieser Stelle sehe ich keinen Zentralstern. Das aktuelle AdW jedoch zeigt den blauen Zentralstern an einer deutlich anderen Position: RA = 20 h 15 min 21.5 s, DE = +38° 02' 45'', siehe rechtes Klickbild mit gelber Markierung. Das entspricht einem recht großen Positionsfehler von 15,4 arcsec. Auch diesmal wieder mein Ratschlag: Astrofotografen, schaut Eure Aufnahmen unbedingt näher an, denn oft sind interessante Feinheiten versteckt, bei denen sich eine Recherche lohnt! Die neue Position habe ich zur Diskussion weitergegeben an Agnès Acker, die als emeritierte Professorin in der Universität von Strasbourg arbeitet und die einen direkten Kontakt zu den Verantwortlichen für Simbad hat. Sie ist in Sachen Planetarische Nebel eine Fachastronomin ersten Ranges.

Robert Pölzl gelang diese hervorragende Aufnahme an seiner Sternwarte Hirschegg/Steiermark. Im Zeitraum 18.6. bis 23.8.2017 nahm er mit einem „namenlosen“ Newton d = 250 mm, f = 1000 mm und einer CCD-Kamera Moravian G2-8300 folgende Serien auf: 35 x 30 min [OIII] (eingebunden als Grün und Blau), 22 x 30 min Hα (eingebunden als Rot), 75 x 10 min RGB und 30 x 10 min Luminanz. Zusammenrechnen (Gesamtbelichtung) mag jeder Leser selbst. Die Bildbearbeitung wurde mit PixInsight 1.8.5 erledigt. Als Kommentar gibt der Bildautor noch an, dass er gerade wegen des PNs viel Zeit in die Belichtung mit dem [OIII]-Filter investiert hat.

Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

Das hier gezeigte Bild bringt es auf eine bemerkenswerte Gesamtbelichtungszeit. Nun könnte man fast meinen es sei ein Wettbewerb entstanden darum, welcher Astrofotograf die längsten Belichtungszeiten realisiert, aber wir haben ja beim AdW schon oft darauf hingewiesen, dass darin der Schlüssel für besonders tiefe Aufnahmen liegt. Ziel von Robert Poelzl war die Darstellung des Planetarischen Nebels Jurasevich 1, der seine Gestalt auf lang belichteten [OIII]-Aufnahmen zeigt. Darum sind auch mehr als 16 Stunden Belichtungszeit alleine mit einem entsprechenden Filter gemacht worden. Auch ein Hα-Filter kam zum Einsatz, sowie die üblichen LRGB-Filter. Aus diesen fünf Filteraufnahmen wurde dann ein Farbbild erstellt. Dies ist mal wieder ein geeigneter Anlass, um über Schmalbandfilter und die Verwendung in der Astrofotografie zu sprechen.

Engbandige Linienfilter sind primär dazu da, Objekte, die eben als Linienstrahler in Erscheinung treten, zu fotografieren. Durch den sehr engen Durchlass dieser Filter werden Lichtemissionen anderer Wellenlängen weitestgehend geblockt, und so ergeben sich sehr kontrastreiche Darstellungen von Emissionsnebeln wie z.B. Planetarischen Nebeln. In der Amateurastrofotografie spielt aber noch ein sehr angenehmer Nebeneffekt eine Rolle, nämlich die gleichzeitige Blockierung störenden Streulichts. So kann man zumindest mit den verbreiteten roten Schmalbandfiltern ( Hα und [SII]) auch bei Mondschein und Lichtverschmutzung noch sehr gute Resultate erzielen. Der [OIII]-Filter allerdings zeigt diesen angenehmen Effekt nicht mehr so deutlich, ihn sollte man besser auch nur unter dunklem Himmel verwenden.

Verwendet man nun diese Filter um daraus Farbbilder zu erstellen, oder wie im vorliegenden Fall Farbaufnahmen mit diesen Filtern noch zu verstärken, begibt man sich allerdings physikalisch betrachtet auf sehr dünnes Eis. Mir ist keine Methode bekannt, die eine Vermengung von RGB-gefilterten Aufnahmen und Schmalbandaufnahmen erlaubt und dabei wirklich wissenschaftlich belastbar ist. Trotzdem hat sich diese Vorgehensweise (die auf viele unterschiedliche Weisen praktiziert wird) in der Amateurastronomieszene durchgesetzt. Wir, das AdW Team, sind der Meinung, dass das auch unbedingt erlaubt sein sollte. Hier steht die Erstellung eines ästhetischen Astrofotos im Vordergrund, und die Ergebnisse, wie das AdW von Robert Pölzl, sind teilweise spektakulär. Wir sind allerdings auch der Meinung, dass etwas Hintergrundwissen nicht schadet, und die Benutzung der Filter durchdacht, und den Objekten angemessen erfolgen sollte. So sollte klar sein, dass man beispielsweise Reflexionsnebel nicht mit Schmalbandfiltern aufnehmen sollte, um nur ein Beispiel zu nennen.

Robert Poelzl wusste genau was er tat und belohnt sich und uns mit diesem wunderbaren Astrofoto.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

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Koordinaten (J2000.0):

RA = 20 h 15 min 21.5 s, DE = +38° 02' 45''