49. Woche - IC 10, Begleiter von M 31

Unser AdW (Norden oben, Osten links) zeigt einen selten gesehenen Anblick: Etwa 1,7° östlich des Sterns β Cassiopeiae (rechts am Bildrand) steht im dichten Sternengewimmel der Milchstraße links im Bild die Zwerggalaxie IC 10 – nur 3,3° vom galaktischen Äquator entfernt. Hier ist die Sicht auf extragalaktische Objekte durch Staub und Gas der Milchstraße stark eingeschränkt. Am Ort von IC 10 beträgt die galaktische Extinktion 2 bis 3 mag und dunkelt die Zwerggalaxie damit deutlich um ca. 90% ab. Das macht sie zu einem nicht unbedingt einfachen Beobachtungsobjekt. Die Entdeckung erfolgte 1890 durch L. Swift. J.L.E. Dreyer nahm das Objekt 1895 in den IC-Katalog auf und beschrieb es als unauffälligen Stern, umgeben von einem extrem schwachen, großen Nebel. Erst N.U. Mayall wies 1935 auf die extragalaktische Natur des Objekts hin. Ein Jahr später stellte E. Hubble die These auf, IC 10 sei ein Mitglied der Lokalen Gruppe.
Auf Farbaufnahmen erscheint IC 10 deswegen bräunlich-rötlich. Die Entfernungsangabe ist wegen der nicht genau bekannten Extinktion problematisch, so dass die Werte in der Literatur schwanken. Aus der Fotometrie von Wolf-Rayet-Sternen und hellen blauen Überriesen ergab sich eine Entfernung von 950 kpc. Gegen Ende der 1990er Jahre wurde IC 10 mit dem 5-m-Spiegel des Mt. Palomar neu fotometriert. Die hellsten Roten Riesen ergaben eine Entfernung von (500 ± 50) kpc. Mit Hilfe von Cepheiden kam man auf (660 ± 66) kpc. Schließlich zeigten Untersuchungen der Zentralregion von IC 10, dass dort massive rote Überriesen vorkommen, die 10 bis 50 Millionen Jahre alt sind. Mit Hilfe dieser Sterne konnte die Entfernung zu 590 kpc berechnet werden. Trotz dieser sehr stark schwankenden Entfernungsangaben können wir aber den Durchschnittswert von 675 kpc (ca. 2,2 Millionen Lj) als repräsentativ ansehen. Damit hätte IC 10 bei einem scheinbaren Durchmesser von 6,4' x 5,3' einen echten Durchmesser von etwa 4100 Lj. Und das ist typisch für eine irreguläre Zwerggalaxie.
Über die uns zugewandte Fläche sind viele rot leuchtende H II-Regionen verteilt. Die hellsten erkennt man im südöstlichen Bereich direkt an dem auffälligen Staubband, dazu bitte ein wenig ins Bild zoomen. Was das Bild aufgrund der geringen Brennweite nicht zeigt, sind verschiedene blau leuchtende Sternentstehungsgebiete mit jungen, heißen O-Sterne. IC 10 ist deshalb auch als "Starburst-Galaxie" bekannt.
Südsüdöstlich von β Cassiopeiae liegt der helle blaue Reflexionsnebel vdB 1. Er wird durch die drei enthaltenen B-Sterne HD 627, HD 236327 und HD 594 angeleuchtet. Von da aus 7' nordöstlich fällt ein ovaler Nebel auf: das Herbig-Haro-Objekt HH 161. Sein Nordwestbereich ist HH 164 mit dem eingebetteten 13,8 mag hellen Veränderlichen V633 Cas am Nordwestrand der Ellipse (Pixelkoordinaten 3288, 2164). Knapp nördlich davon ist HH 162 mit einer kometenförmigen Gestalt zu sehen.
Carsten Reese ist Bildautor. Ihm gelang diese Aufnahme am 7., 8. und 9.9.2015 in Beckedorf bei Bremen. Als Aufnahmeoptik wurde ein TMB 115/805 mm bei effektiv 605 mm Brennweite verwendet, dazu eine CCD-Kamera Atik 383L+. Belichtet wurde 33 x 10 min (L), 10 x 10 min (Hα), 8 x 10 min (R) und je 6 x 10 min (G und B). Datenreduktion und Farbkalibrierung erfolgten mit Theli, die Bearbeitung mit Fitswork, Gimp und (vorsichtig) NeatImage. Ein sehr respektables Ergebnis!
Text zum Objekt und zu den Aufnahmedaten: Peter Riepe.
Carsten Reese präsentiert hier ein technisch einwandfreies Astrofoto. Die Belichtungszeit wurde gut kalkuliert, die Kalibration der Farben und des Himmelshintergrundes sind perfekt. Irgendetwas stimmt aber nicht und der Bildautor gibt bei der Einsendung des Bildes die Begründung gleich mit: "Die Bildmitte bleibt leider etwas leer". Wir meinen, gerade so eine leere Mitte kann ein Bild besonders spannend erscheinen lassen, die Aufmerksamkeit auf die Ränder richten und Objekt-Beziehungen aufzeigen, die vorher unklar waren.
Solche Betrachtungen führen dann rasch zu der Frage: Ist die Astrofotografie eine Kunstform, oder ist sie ein rein technischer Vorgang, der vor allem wissenschaftlichen Ansprüchen genügen muss? Wir formulieren diese Frage bewusst extrem unterschiedlich. Die Antwort wird also jeder für sich selbst finden müssen – und das ist auch gut so.
IC 10 und vdB 1 bedürfen jeder für sich längerer Brennweiten, um sie eindrucksvoll ins Bild zu setzen. Allerdings ist die Idee des Bildautors, beide Objekte in ihrem größeren Umfeld in Szene zu setzen, durchaus nachvollziehbar. Kompositorisch wirkt das Bild aber nicht richtig gelungen, zumal der helle Stern ganz an den Rand gequetscht wurde.
Leider sind die gestalterischen Mittel in der Astrofotografie eingeschränkt. Die Objekte ändern weder ihr Gesicht, noch können wir sie "ins rechte Licht" setzen. Nur die Wahl der Brennweite, des Bildausschnittes, der Filterung und die "Tiefe" der Aufnahme bleiben übrig, um eine interessante Bildwirkung zu erzeugen. Man kann das als Limitierung betrachten, man kann es aber auch als Herausforderung sehen.
Bildkommentierung: Frank Sackenheim und Dr. Stefan Binnewies
Objektkoordinaten (J2000.0):
RA = 00 h 20 min 23 s, DEK = +59° 17´ 35´´
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