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50. Woche - Der Galaxienhaufen Abell 2634

Fotografiert von: Gerald Willems | | Astrofoto der Woche

Im Sternbild Pegasus liegt der Galaxienhaufen Abell 2634. Von seiner Leuchtkraft her ist er mit dem Virgohaufen vergleichbar. Unser heutiges AdW zeigt den zentralen Ausschnitt aus Abell 2634 als Bildfeld von 36' x 28' (Norden oben, Osten links). Über die Radialgeschwindigkeit von 9240 km/s lässt sich eine Entfernung von 126 Mpc herleiten, was etwa 410 Mio. Lj entspricht - siebenmal so weit weg wie der Virgohaufen. Zentrale Galaxie in Abell 2634 ist NGC 7720 bei den Pixelkoordinaten 1857/1075. Diese elliptische Riesengalaxie ist auch als Radiogalaxie bekannt und trägt im dritten Cambridge-Katalog die Katalognummer 3C 465. Sie besitzt einen ausgedehnten Halo, der sich in Nordost-Südwest-Richtung erstreckt und 170 Pixel misst. In der Entfernung von 126 Mpc entspricht das einem linearen, projizierten Durchmesser von 340.000 Lj. Eine dermaßen dominante elliptische Galaxie wird in der Astronomie auch "cD-Galaxie" genannt (central dominant galaxy). Noch eine Besonderheit zeichnet NGC 7720 aus, die man im AdW sofort erkennt: nur ca. 12" nördlich befindet sich eine etwas schwächere Begleitgalaxie. Beide zusammen sind als Galaxienpaar KPG 588 bekannt (Karachentsev, Pairs of Galaxies, 1972). In beiden wurde mit dem Weltraumteleskop Hubble je ein markanter zentraler Staubring entdeckt.

Der Galaxienhaufen hat in seinem Innenbereich überwiegend Mitgliedsgalaxien des Typs E oder S0, ausgeprägte Spiralgalaxien sind weniger häufig. Eine der auffälligen Spiralgalaxien ist NGC 7726, eine Balkenspirale des Typs SBb (Pixelkoordinaten 1229/740). Ihre Längsausdehnung beträgt hier im Bild 93 Pixel, was zu einem wahren Durchmesser von 186.000 Lj führt und NGC 7726 ebenfalls zu einem Riesenobjekt macht.

Galaxienhaufen wurden in den letzten 30 Jahren zunehmend mit Hilfe von Satelliten auch in Röntgenwellenlängen untersucht. Für Abell 2634 geschah das sowohl mit Einstein als auch mit ROSAT. Es zeigte sich, dass Abell 2634 einen zentralen Röntgenpeak aufweist, der mit NGC 7720 deckungsgleich ist. Der gesamte Galaxienhaufen ist von diffuser Röntgenstrahlung gekennzeichnet, die von innen nach außen immer schwächer wird und einen Durchmesser von fast 10 Mio. Lj um NGC 7720 beschreibt. Dies ist ein klarer Hinweis auf ein "intracluster medium" (ICM), das ist in der Hauptsache Gas zwischen den einzelnen Galaxien. Bei Abell 2634 wird dieses Gas auf etwa 0,5 x 10^14 Sonnenmassen geschätzt. Es spielt insofern eine wichtige Rolle, als man mittels Radiobeobachtungen im Zentrum von NGC 7720 (3C 465) zwei riesige Radioschweife entdeckt hat, die etwa 3 bis 4 Bogenminuten aus der Galaxie herausragen. Hier liegt ausgestoßene Materie vor, die nur mit einem ICM wechselwirken kann.

Gerald Willems, Mitglied der Fachgruppe Astrofotografie und der TBG-Gruppe, hat dieses interessante Motiv ausgewählt und in der ersten Oktoberwoche 2016 an zwei Nächten aufgenommen. Teleskop war ein 355-mm-Newton mit f = 1200 mm (ASA-3 Reducer). Als CCD-Kamera wurde eine Atik 460EX mono eingesetzt. Die Belichtung betrug 30 x 10 min (L) und je 8 x 10 min (RGB). Immerhin wurde damit eine stellare Grenzgröße um 22 mag erreicht, Respekt!

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Gerald Willems ist ein versierter Astrofotograf, seine Homepage beinhaltet eine der reichhaltigsten Sammlungen eigener Galaxienaufnahmen hoher Qualität im deutschen Sprachraum. Aufnahmeort ist der eigene Garten in Otterstein bei Worpswede nördlich von Bremen auf ca. 8 m Höhe über dem Meer. Mit seinem 14-Zoll-Newton und einer Aufnahmebrennweite von 1200 mm (Öffnungsverhältnis von 1:3,4) sowie einer CCD-Kamera mit sehr kleinen Pixeln (Atik 460EX mono, quadratische Pixel mit 4,54 µm Kantenlänge) gelingen ihm immer wieder beeindruckende Galaxienportraits – einzig und allein die Bildschärfe lässt für unseren Geschmack häufig etwas zu wünschen übrig. Das ist natürlich eine Frage des Seeings und soll niemanden dazu verleiten, Schärfungsalgorithmen über Astrobilder laufen zu lassen, wenn er das doch eigentlich ablehnt, und statt dessen einen möglichst authentischen Bildeindruck erhalten möchte.

Bei heller Monitoreinstellung fallen im heutigen AdW um die helleren Sterne und hellsten Galaxien mehrere 10 Pixel breite dunkle Zonen auf, ein kaum zu bemerkendes Artefakt, das sich wahrscheinlich bei der Helligkeitsskalierung im Rahmen der Bildbearbeitung einschleicht. Das Phänomen ist gelegentlich auch bei anderen Astrofotografen zu beobachten, es stört kaum, soll hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden – und schmälert in keiner Weise diesen tiefen Blick ins All aus dem tiefen und flachen Land Niedersachsen.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim


Koordinaten NGC 7720 (J2000.0):
RA = 23 h 38 min 29 s, DE = +27° 01' 54"

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