52. Woche - NGC7331, Stephans Quintett und Hintergrundgalaxien

Das heutige AdW ist zwar nur schwarzweiß, aber als Weihnachtsgeschenk an unsere treuen Leser, die jetzt 10 Jahre AdW mitgemacht haben, gibt es eine kleine Überraschung. Die "alten Zöpfe" in der Beschreibung von Stephans Quintett werden abgeschnitten.
Die Sb-Spiralgalaxie NGC 7331 im Sternbild Pegasus hat eine Ausdehnung von 10,7´ x 4,0´. Mit einer visuellen Helligkeit von 9,48 mag und einer Blauhelligkeit von 10,35 mag kommt sie auf den Farbindex B-V = 0,87 mag, erscheint also im Mittel gelblich. Aus ihrer Radialgeschwindigkeit von 818 km/s ergibt sich eine Entfernung von etwa 37 Mio. Lj. Die Perioden-Leuchtkraft-Beziehung von Cepheiden hingegen führt auf 54,9 Mio. Lj (Paturel et al., 2002). Damit liegt der Mittelwert bei 45 Mio. Lj. NGC 7331 hat also einen wahren Durchmesser um 140.000 Lj und gehört deshalb zu den sehr großen Spiralgalaxien. Das AdW zeigt Norden links und Osten unten. Nordwestlich bis östlich von NGC 7331 liegt eine Reihe kleinerer Galaxien, die aber erheblich weiter entfernt stehen. Unter ihnen sind NGC 7325, 7326, 7335, 7336, 7337 und 7340 zu nennen. Das Bild zeigt zudem drei zugehörige Zwerggalaxien um NGC 7331. Sie wurden erst 2012 entdeckt.
Etwa einen halben Grad südsüdwestlich (im Bild also rechts oben) finden wir Stephans Quintett, auch bekannt als Hicksons kompakte Gruppe Nr. 92. Diese Galaxiengruppe besteht aus NGC 7317, 7318A/B, 7320, 7319 und NGC 7320C und ist mit 280 Mio. Lj viel weiter entfernt als NGC 7331. Die durchschnittliche Radialgeschwindigkeit der Mitgliedsgalaxien beträgt 6200 km/s. Offenbar finden in Stephans Quintett starke gravitative Störungen der Mitgliedsgalaxien statt – der Astronom spricht von "Wechselwirkung". Die Wechselwirkungskräfte haben in der dicht stehenden Gruppe zu Verformungen, Abrissen und Gezeitenschweifen geführt. Der auffällige Gezeitenschweif verläuft direkt durchs Zentralgebiet von Stephans Quintett in Richtung Osten. Inmitten der Galaxiengruppe wurden mit dem Hubble Space Telescope zahlreiche junge (d.h. neu entstandene) stellare Objekte gefunden, verbunden mit zahlreichen H II-Regionen. Insbesondere am Ostrand von NGC 7318B wird das deutlich. Das Weltraumteleskop zeigte auch, dass der Gezeitenschweif stellarer Natur ist und sich in Einzelsterne auflösen lässt.
Bis heute wurde davon ausgegangen, dass NGC 7320, die hellste und größte Galaxie in Stephans Quintett, weit im Vordergrund steht. So gibt die "NASA Extragalactic Database" für NGC 7320 eine Radialgeschwindigkeit von 786 km/s an. Damit wäre sie ähnlich nah wie auch NGC 7331. Und tatsächlich werden UGC 12082, NGC 7320, NGC 7331, NGC 7363 und UGC 12060 aufgrund ihrer ähnlichen Fluchtgeschwindigkeiten zur Galaxiengruppe LGG 459 gerechnet (Garcia A.M., 1993). Schaut man sich die Beschreibungen über Stephans Quintett in verschiedenen Internetquellen an, so wird überall das Gleiche erzählt: NGC 7320 gehört nicht zu Stephans Quintett – einer schreibt es vom anderen ab. Und damit möchte ich (P.R.) jetzt endlich aufräumen. Merkwürdig ist nämlich, dass auch direkt von NGC 7320 ein schwacher, gekrümmter Gezeitenschweif ausgeht. Das aber wird nie diskutiert. Dieser Gezeitenschweif wird von Hubble ebenfalls in Einzelsterne aufgelöst, was eine Verbindung zu Stephans Quintett nahelegt.
In einer Publikation von Woods D.F., Geller M. und Barton E.J. (2006) wurden für 345 Galaxien in Paaren die Rotverschiebungen gemessen. Und wie in der Datenbank SIMBAD zu lesen, wurden für NGC 7320 jetzt 5779 km/s gemessen. Damit steht diese Galaxie nun doch in Stephans Quintett!
Noch etwas Neues. Bei der Durchsicht des Sloan Digital Sky Survey fiel mir eine Galaxie östlich von Stephans Quintett auf, die bisher unbeachtet blieb. Das Objekt mit dem Namen GALEXASC J223640.84+335654.5 ist offenbar eine entfernte Balkenspirale. Ihre Radialgeschwindigkeit von 6057 km/s macht sie ebenfalls zu einer heißen Kandidatin für die Mitgliedschaft in Stephans Quintett. Ihr projizierter Abstand ergibt sich aus dem AdW zu etwa 800.000 Lj, das ist etwa ein Drittel der Entfernung zwischen Milchstraße und Andromedagalaxie. Und noch eine umwerfende Tatsache: Etwa 12´ östlich von GALEXASC J223640.84+335654.5 steht im AdW eine Galaxie in Edge-On-Sicht. Diese Galaxie names 2MFGC 17036 könnte mit einer Radialgeschwindigkeit von 6224 km/s ebenfalls ein weit außen liegendes Mitglied von Stephans Quintett sein.
Martin Mueller ist neu im Kreis der AdW-Astrofotografen. Wir begrüßen ihn ganz herzlich. Er wählte den Aufnahmeort Mitterberg bei Sexten, Italien (Hochpustertal) und setzte am 28.09.2014 einen Refraktor Scobos 80 (Triplett) von 560 mm Brennweite ein (d.h. Blende 7 oder Apertur f/7). CCD-Kamera war eine Atik 314L. Belichtet wurde 202 Minuten. Der Bildautor bemerkt: "Auch wenn die Messlatte bei diesen Astrofotos sehr hoch liegt, wage ich die Einsendung eines S/W-Bildes, das einen schönen Überblick über die Galaxiengruppe um NGC 7331 und Stephans Quintett bietet. Gemessen an der Optik von 80 mm Öffnung bei f/7 und an den Sichtverhältnissen bei leichtem, herbstlichem Dunst war ich von der erreichten Tiefe und den im Stephans Quintett sichtbaren Gezeitenschweifen überrascht. An dieser Stelle bedaure ich, dass die Bedingungen keine weiteren Belichtungen in RGB zuließen, da die farblichen Unterschiede der Galaxien in Stephans Quintett sicher von Interesse sind.“ Und noch ein kurzer Kommentar zur Bildbearbeitung: "Die Aufnahmen wurden kalibriert mit Masterbias und Masterflat. Auf Dunkelbilder habe ich bewusst verzichtet, da die Kamera ausreichend gekühlt wurde und die Kameraelektronik zudem die Mittelwerte der Dunkelbilder zu manipulieren scheint, was eine korrekte Kalibrierung behindert. Die Bildbearbeitung erfolgte vollständig in PixInsight."
Koordinaten J2000.0:
NGC 7331 RA = 22 h 37 min 04 s, Dec = +34° 24´ 57´´
Steph. Qu. RA = 22 h 35 min 58 s, Dec = +33° 57´ 36´´
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