6. Woche - Sharpless-Nebel im Perseus-Arm

Das heutige AdW geht ins Sternbild Cassiopeia, in den Perseus-Arm unserer Galaxis. Das Bild zeigt ein paar wenig bekannte kleine, rot leuchtende H II-Regionen in der östlichen Cassiopeia. Sie stehen etwas nördlich der Verbindungslinie der bekannten riesigen H II-Regionen IC 1805 und IC 1848 und werden wohl deshalb auch kaum beachtet. Osten ist im Bild links, Norden oben. Links oben liegt hell und rund Sh2-196. Rechts unten ist der Komplex aus Sh2-192, 193 und 194 zu sehen. Davon ist Sh2-192 der südlichere Nebel, heller und wohldefiniert rund mit klarem Zentralstern.
Steward Sharpless veröffentlichte 1959 seinen zweiten "Catalog of HII regions", deshalb Sh2 für die Sharpless-Objekte. Darin gab er für Sh2-196 einen Durchmesser von 4' an, für Sh2-192 einen von 1'. Seine Auswertungen basierten auf den damals hochgelobten spektroskopischen Platten des Palomar Observatory Sky Survey (POSS), die mit dem "Big Schmidt" belichtet worden waren. Diese Platten besaßen bereits eine hohe spektrale Empfindlichkeit für rotes Licht. Heute schmunzeln wir darüber, denn mit Amateur-Teleskopen gehobener Qualität, modernen CCD-Kameras und passenden Filtern lassen sich mittlerweile erheblich tiefere und aufgelöstere Bilder erzeugen als der POSS sie je erreichen konnte. Kein Wunder, dass sich jetzt im AdW die Nebel neu vermessen lassen. Für Sh2-196 ergibt sich ein scheinbarer Durchmesser von 6,1' x 5,7'. Für Sh2-192 sind es 2,1' x 1,8'.
Im Jahre 2007 publizierten Russeil et al. eine spannende Arbeit über neu bestimmte Entfernungen nördlicher H II-Regionen. Für Sh2-192 fanden sie 9650 Lj (+/- 1760 Lj). Und Sh2-196 ist trotz seiner größeren Abmessung von 18500 Lj (+/- 1920 Lj) doppelt so weit weg wie Sh2-192. Mit diesen Werten folgen für die beiden Nebel echte Durchmesser von 33 Lj für Sh2-196 (ähnlich groß wie der Orion-Nebel) und nur knapp 6 Lj für Sh2-192. Diese Winzigkeit geht aber voll in Ordnung, denn für den anregenden Zentralstern hat man einen Spektraltyp B2.5 gefunden. Das dürfte dann auch die Grenze sein, bis zu der überhaupt noch genügend Energie zur Erzeugung leuchtender Gaskugeln (Strömgren-Sphären) produziert werden kann.
Die roten Sharpless-Nebel im gezeigten AdW müssten eigentlich erheblich heller sein. In der vorweg genannten Arbeit ist nämlich zu lesen, dass Sh2-192 eine visuelle Absorption von 3,39 mag erleidet, Sh2-196 von 2,65 mag. Auf gut Deutsch: Nur gemittelte 6% des Lichts gelangen durch diesen "interstellaren Dreck" zu uns.
Robert Pölzl, Mitglied der Fachgruppe Astrofotografie, hat dieses Bild in Teilbelichtungen zwischen August und Dezember 2014 erstellt. Aufnahmeteleskop war ein 14-zölliger Newton (Alluna-Optik) mit f = 1333 mm. Er steht im spanischen Ort Nerpio und wird remote betrieben. Dazu wurde als Kamera eine Fingerlakes FLI ML 8300 verwendet. Das H-Alpha-LRGB wurde insgesamt 32 Stunden belichtet, darin sind 13,5 Stunden für H-Alpha mit einem 7-nm-Filter eingeschlossen.
Unscheinbar anmutende Objekte, aber gut inszeniert durch eine hervorragende astrofotografische Leistung!
Koordinaten J2000.0:
RA = 02 h 49 min, DEK = +62° 03'
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