Tipp: Der wohl dunkelste Ort Deutschlands
Der Sternenpark Havelland
Der Sternhimmel. Die meisten kennen ihn nicht mehr in unseren vom Licht überfluteten Städten. Selbst in kleineren Orten ist es schwierig, das schimmernde Band der Milchstraße zu erkennen. Noch Anfang den 1960er Jahren war das anders. Damals war es normal, bei Nacht einen funkelnden Sternhimmel zu sehen. Aber heute ist für die meisten alles im Schein unzähliger künstlicher Lichtquellen verschwunden. Wer also einmal die Wunder des Nachthimmels genießen will, muss heutzutage einen möglichst dunklen Ort aufsuchen. Doch wohin? Engagierte Amateurastronomen, insbesondere, wenn sie Deep Sky Objekte fotografieren wollen, denken sofort an Namibia. Nur, das ist nun mal nicht gerade um die Ecke und außerdem mit einigen Kosten verbunden.
Aber es geht auch näher und billiger, denn die allgegenwärtige mitteleuropäische Lichtglocke besitzt ein paar Löcher. Eines liegt erstaunlicherweise in der Nähe von Berlin. Ja, richtig gelesen. Rund 70 Kilometer westlich der deutschen Hauptstadt befindet sich eine nur dünn besiedelte Region in Brandenburg mit zahlreichen Seen, der Naturpark Westhavelland (https://www.westhavelland-naturpark.de/). Trotz der Nähe zur Metropolregion Berlin-Potsdam bieten sich hier erstaunlich gute astronomische Beobachtungsbedingungen.
Bei Naturliebhabern ist das Westhavelland als bedeutender Rastplatz für Zugvögel und Lebensraum vieler gefährdeter Tier- und Pflanzenarten bekannt. Wat- und Wasservögel, Seeadler und Rotmilan leben hier, sowie die letzten Großtrappen Deutschlands. Auch Biber und Fischotter, insgesamt rund 700 Tierarten sind hier zu finden, sowie 200 gefährdete und seltene Pflanzen. Malerische kleine märkische Dörfer, grüne Wiesen, Wälder, Seen und die Havel mit ihren Zuflüssen prägen die Landschaft. Dass es hier aber einen für Mitteleuropa erstaunlich dunklen Nachthimmel gibt, ist dagegen kaum bekannt.
Aber 2014 wurde der Naturpark Westhavelland von der International Dark Sky Association (IDA) (http://darksky.org/) als erster deutscher Sternenpark anerkannt. Um diese Auszeichnung zu bekommen, muss eine weitgehende natürliche Nachtlandschaft mit einem sternenreichen Himmel vorhanden sein. Verwaltung und Gemeinden im Naturpark Westhavelland haben sich deshalb verpflichtet, mit umweltverträglicher und bedarfsorientierter Beleuchtung die Lichtverschmutzung auf ein Minimum zu reduzieren und damit den nächtlichen Lebensraum zu schützen.
Deutschlands erster Sternenpark
Dennoch war ich anfangs skeptisch, als das Angebot von der Familie Zemlin (https://ferienhaus-zemlin.de/) kam, die ausgezeichneten Verhältnisse für astronomische Beobachtungen bei einer ihrer Ferienwohnungen für einige Tage zu nutzen (http://www.sternenpark-havelland.de/). So recht konnte ich mir nicht vorstellen, relativ nahe der deutschen Hauptstadt gute Bedingungen vorzufinden.
Die Ferienhäuser befinden sich in der kleinen Siedlung Lochow (Abbildung 1), einem Ortsteil von Stechow-Ferchesar bei Rathenow, Koordinaten: 52° 41′ 11,8″ Nord, 12° 26′ 48,8″ Ost. Hier leben nur 10 Personen permanent. Die meisten Gebäude werden als Ferien- oder Wochenendhäuser genutzt. 14 relativ schwache Lampen (Abbildung 2) beleuchten den Hauptweg, der Siedlung, die Lochower Straße, und stören tatsächlich nicht, zumal ihr Licht nach unten gerichtet ist. Die Nebenwege sind unbeleuchtet! Auch sind die Außenbeleuchtungen der Ferienhäuser so konstruiert, dass sie die Beobachtung nicht nachteilig beeinflussen.
Ich durfte die Ferienwohnung Saturn (Abbildung 3, im Kreis in Abbildung 1) benutzen. Darin befinden sich ein Wohnzimmer mit Fernseher und Telefon, ein Sofa sowie ein Esstisch und ein Couchtisch. Eine Toilette mit Dusche und eine kleine Küche mit Kühlschrank und einem Geschirrspüler sowie zwei Schlafräume mit jeweils zwei Betten nebeneinander runden das Angebot ab. Ich fand die Wohnung sehr gemütlich und fühlte mich richtig wohl darin. Ja, nicht zu vergessen, hier gibt es sogar ein schnelles Internet, 50 MBit/s!
Um störendes Licht aus den Räumen auszuschließen, können die Rollos an den Fenstern von außen bedient werden (Abbildung 4). Das ist sehr praktisch.
Auf dem Gelände gibt es noch eine zweite ähnliche Ferienwohnung, Jupiter, die sich im selben Gebäude befindet. Daneben bietet Familie Zemlin noch weitere sechs Ferienhäuser in der Siedlung an, die ebenfalls für astronomische Beobachter geeignet sind.
Die Einrichtung und Ausrüstung
Der Vorteil der beiden Wohnungen Saturn und Jupiter liegt aber darin, dass direkt daneben zwei fest im Boden verankerte Säulen stehen (Abbildung 5), auf denen eine Montierung befestigt werden kann. Natürlich sind Stromanschlüsse mit jeweils 2 Steckdosen vorhanden, sodass neben der Nachführung auch ein Laptop mit Energie versorgt werden kann.
Außerdem steht neben den beiden Säulen in einer kleinen, auf Schienen beweglichen Hütte ein Skywatcher SWSL300P Dobson mit einem Spiegeldurchmesser von 30 cm und GOTO-Steuerung (Abbildung 6).
Überhaupt bietet die Familie Zemlin neben dem Dobson eine ganze Reihe guter Teleskop für die astronomischen Beobachtungen an (Abbildung 7):
- Meade LX90 mit 20,3 cm Öffnung (Schmidt-Cassegrain)
- Celestron NexStar Evolution 6 mit 15 cm Durchmesser (Schmidt-Cassegrain)
- Lichtenknecker Opolyth 100/700 mit 10 cm Öffnung (Apochromat)
- Bresser MESSIER AR-102/1350 mit 10,2 cm Durchmesser (Apochromat)
- Bresser N 203 mit 20,3 cm Öffnung (Newton)
- Meade SC 10 ACF mit 25 cm Durchmesser (Schmidt-Cassegrain).
- Zusätzlich sind vier Großferngläser zur Verfügung und eine Montierung Skywatcher AZ EQ6 mit GOTO-Steuerung vorhanden.
Die Teleskope und das Zubehör wurden mit freundlicher Unterstützung der Firma Tele-Optic angeschafft.
Die Geräte können gemietet werden. Aber wer will, kann auch sein eigenes Teleskop aufstellen.
Es werde dunkel
Während meines Aufenthalts Mitte August gab es an mehreren Tagen ausgezeichnete Wetterbedingungen, sodass der Einfluss störender Lichtquellen gut zu beurteilen war. Hauptstörquelle ist leider die Lichtglocke von Berlin, die im Osten zu sehen ist. Doch beeinflusst sie die Qualität des Nachthimmels nur in Horizontnähe. Außerdem wird der Lichtschein durch Bäume zum Teil abgeschirmt. Wie in Abbildung 8 zu sehen ist, ist der Nachthimmel oberhalb der Bäume praktisch dunkel. Im Band der Milchstraße sind zahlreiche Strukturen zu erkennen. Notfalls wartet man etwas, bis das gewünschte Objekt aus der Lichtglocke heraus gewandert ist. Im Südwesten gibt es etwas Streulicht von der Stadt Rathenow, die etwa 17 Kilometer entfernt ist. Gegen Mitternacht verbessern sich aber die Bedingungen in diese Richtung, wenn die Straßenbeleuchtung reduziert wird.
Ansonsten ist der Himmel dunkel! Bei perfekten Bedingungen wurde in Lochow schon eine Flächenhelligkeit von 21,88 mag/arcsec² im Zenit gemessen. Ein fantastischer Wert, gerade in Mitteleuropa. Zum Vergleich: die mittlere Himmelshelligkeit am Paranal-Observatorium der ESO in Chile beträgt 21,7 mag/arcsec². Gut, dort kommen auch Werte von etwa 23 mag/arcsec² vor. Damit kann und will sich aber der Sternenpark Havelland nicht messen. Für Deutschland gibt es kaum einen für astronomische Beobachtungen besseren Ort. Die Grenzgröße lag bei mindestens 6 Magnituden in Richtung Zenit. Wer noch gute Augen besitzt, hätte wahrscheinlich noch schwächere Sterne erkennen können.
Einige Beispiele für die besonderen Bedingungen zeigen die folgenden Abbildungen. Alle wurden mit einer handelsüblichen Digitalkamera gemacht, Canon 60D. Als Objektiv kam ein Canon EF-S 17-55 mm /2,8 IS USM zum Einsatz. Die Nachführung erfolgte mit einem Vixen Polarie Star Tracker auf einem Video-Stativ. Die Bilder wurden nicht weiter bearbeitet.
● Abbildung 9: Andromeda-Nebel mit M110 und M32
● Abbildung 10: Offener Sternhaufen h + Chi (oben rechts). Links unten ist der Komet 21P/Giacobini-Zinner zusehen. Auf der Originalaufnahme ist zwischen dem Kometen und dem Doppelsternhaufen der Herz-Nebel (IC 1805) schwach zu erkennen.
● Abbildung 11: Die beiden offenen Sternhaufen Hyaden und Plejaden (M45) bei sehr kurzer Belichtung.
● Abbildung 12: Die Plejaden. Schwach sind die Reflexionsnebel um einige Sterne des Haufens zu erkennen. Als die Aufnahme gemacht wurde, war die Morgendämmerung schon 20 Minuten fortgeschritten
Einen kleinen, allerdings sehr kleinen Wermutstropfen hat das Ganze. Lochow liegt nur 27 Meter über dem Meeresspiegel. Entsprechend dick ist die Atmosphäre. Dadurch funkeln die Sterne etwas stärker als im Hochgebirge. Der Fachmann spricht vom Seeing. Man kann halt nicht alles haben. Aber dafür sind Aufwand und Strapazen, bis man beobachten kann, wesentlich kleiner.
Sogar gestandene Amateurastronomen geraten hier ins Schwärmen, sieht man einen solchen Sternenhimmel doch nicht alle Tage, oder besser alle Nächte.
Sie können sich auch tiefer in die Wunder des Weltalls einführen lassen. Herr Zemlin teilt gerne seine profunden Kenntnisse mit ihnen. Lernen Sie die Sternbilder kennen und bewundern Sie in aller Ruhe den Anblick der Planeten in einem der Teleskope. Auch weit entfernte Himmelsobjekte wie Kugelsternhaufen, Galaxien und leuchtende Gaswolken in der Milchstraße, wie der berühmte Nebel im Orion, werden Sie zum Staunen bringen.
Man sollte aber den Sternhimmel nicht nur fotografieren, um seine Wunder zu entdecken, sondern seinen Anblick auch genießen. Wenn es richtig dunkel geworden ist, leuchtet das Band der Milchstraße in ungewohnter Pracht am dunklen Firmament. Dichte Sternansammlungen, durchsetzt von Staubwolken, lassen eine Ahnung davon aufkommen, welche gewaltigen Kräfte in unsere Heimatgalaxie am Werke sind. Direkt am Haus kann man so die Wunder des Weltalls im Liegestuhl genießen, vielleicht mit einer Flasche guten Weins, alleine, zu zweit oder in einer Gruppe.
Aber damit kein falscher Eindruck entsteht. Der Aufenthalt in den Ferienwohnungen lohnt sich nicht nur für engagierte Amateurastronomen. Alle, die einmal die Pracht eines dunklen mit Sternen übersäten Himmels erleben möchten, sind hier bestens aufgehoben.
Ein Platz für die ganze Familie
Die astronomische Ferienanlage ist besonders familienfreundlich, weil Beobachtungsort und Wohnraum direkt nebeneinander liegen. So lassen sich Familie und Hobby sehr gut miteinander verbinden. Wer keine eigene Sternwarte auf seinem Grundstück besitzt oder schon an einem dunklen Ort wohnt – und das ist wohl bei den meisten Amateurastronomen der Fall – muss zum Beobachten oder Fotografieren zu einem geeigneten Beobachtungsplatz fahren. Die Familie bleibt dabei normalerweise zu Hause.
In Lochow (Abbildung 13) kann der Himmelsbeobachter bequem seinem Hobby nachgehen und Ehepartner und Kinder sind ebenfalls dabei. Keine mehr oder minder langen Fahrzeiten zum Beobachtungsort und spät nachts wieder zurück. Wenn man müde wird, kann man sich eine Weile aufs Ohr legen und dann wieder weitermachen. Am Tage kann Zeit mit der Familie verbracht werden. An den Ferienhäusern Saturn und Jupiter gibt es auch einen kleinen Spielplatz. Die anderen Wohnungen grenzen an Liegewiesen.
Und der kleine Lochower See (Abbildung 14) liegt vor der Haustür. Im Sommer lädt er zum Baden ein. Auch in der näheren und weiteren Umgebung gibt es viel zu entdecken. Man kann sich sportlich betätigen, wandern, mit dem Rad fahren oder mit einem Kajak die Seen erkunden. In idealer Weise lassen sich hier Natur, Sport und Kultur miteinander verbinden. Berlin und Potsdam sind nicht weit entfernt.
Lochow bietet noch eine weitere Besonderheit, die kaum noch jemand kennt. Wer nachts den Sternenhimmel bewundert, sollte dabei auch einmal auf die Geräusche der Nacht achten.
Es gibt keine! So eine Stille wie hier habe ich zuletzt vor langer Zeit im Gebirge oder in der Einsamkeit der skandinavischen Seen im hohen Norden erlebt. Nur hin und wieder unterbricht der Ruf eines Käuzchens und eines anderen nachtaktiven Tiers die ungewohnte Stille.
Hier kann man die Seele baumeln lassen und seine innere Ruhe finden. Familie Zemlin bietet dazu den richtigen Service. Seit einigen Jahren hat sie sich auf Hobbyastronomen und Naturfreunde bestens eingestellt.
Mein Fazit: für Sternfreunde und solche, die es vielleicht einmal werden wollen, ist die Ferienhausvermietung Liane Zemlin im Naturpark Havelland mit seinen außergewöhnlich guten Bedingungen und Möglichkeiten ein absolutes Muss.
Über den Autor Dr. Hans Zekl

Hans W. Zekl, Jahrgang 1949, ist Astrophysiker, Softwareentwickler und Wissenschaftsjournalist und seit Februar 2017 in Rente. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er an der Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl und setzte sie danach am Physikalischen Institut der Universität Frankfurt am Main fort. Seine Forschungsschwerpunkte waren Spektralklassifikation, Hyperriesen, BL Lac-Objekte und theoretische Rechnungen zur Wechselwirkungen zwischen Sternen und dem interstellaren Gas.
Später wechselte er in die IT-Branche und arbeitete in mehreren Firmen bis zum Beginn seines Ruhestandes als Softwareentwickler und Projektleiter.
Daneben kam er noch während seiner Zeit an der Frankfurter Universität mit den Medien in Kontakt. Seitdem hielt er öffentliche Vorträge, meist über astronomische Themen, und veröffentlichte zahlreiche Artikel in Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien. Beim ZDF und "Spektrum der Wissenschaft" leistete er dazu mehrwöchige Praktika ab.
Hans Zekl besitzt auch Erfahrungen als wissenschaftlicher Reiseleiter für Beobachtung des Kometen Halley in Neuseeland und totalen Sonnenfinsternissen in Mexiko, Curacao, Bolivien, China, Ägypten und Russland. Zur Zeit begleitet er in den Herbst- und Wintermonaten Reisende auf den Hurtigrutenschiffen auf den Themenreisen "Nordlicht und Sterne".
Hans Zekl ist Mitglied der Internationalen Astronomischen Union (IAU), der Astronomischen Gesellschaft (AG) und der Starkenburg-Sternwarte in Heppenheim.